Kritik Premiere: Dieter Hallervorden spielt Gott – in Dessau
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Was passt besser in eine ehemalige Kirche als ein Stück über Gott? Der gebürtige Dessauer Dieter Hallervorden eröffnete mit der Komödie "Gottes Lebenslauf" sein neues Mitteldeutsches Theater in der Marienkirche, einen Tag vorm 87. Geburtstag am 5. September 2022 . Die Hauptrolle als Gott, der sich auf Erden um einen Job bemüht, übernahm er gleich selbst. Unser Kritiker amüsierte sich über einen glänzenden Performer, auch wenn aus dem "Altherrentheater" noch ein bisschen mehr herauszuholen wäre. Vom Publikum gab es Standing Ovations und eine Ehrenmedaille direkt vom Ministerpräsidenten Reiner Haseloff.

Beim Namen Dieter Hallervorden denken viele an "Palim, Palim" und entsprechende TV-Sketche. Doch Hallervorden ist sehr viel mehr als Didi, der Blödler.
Der Mann hat vielfach bewiesen, dass er ein Charakterspieler ist. Er leitet sein eigenes Theater in Berlin und nun auch noch eins in Dessau, seiner Geburtsstadt. "Willkommen zu Hause" steht auf einem großen Plakat mit seinem Konterfei an der Marienkirche, der Spielstätte seines neuen Mitteldeutschen Theaters, das am 4. September, einem Tag vor seinem 87. Geburtstag mit "Gottes Lebenslauf" eröffnet wurde.
Französische Theater in Dessau
Ein Stück "Gottes Lebenslauf" stammt vom französischen Autors Jean-Louis Fournier – Jahrgang 1938, also nur ein bisschen jünger als Dieter Hallervorden. Der, was viele auch nicht wissen, ein sehr frankophiler Mensch ist und das Stück, das 2018 in Frankreich uraufgeführt wurde, dort gesehen und ins Deutsche übersetzt, respektive in unsere deutschen Verhältnisse und Befindlichkeiten übertragen hat. Zusammen mit den Kabarettisten Arnulf Rating und Frank Lüdecke, der auch Regie geführt hat.
Die Inszenierung läuft im Berliner Schlosspark-Theater von Dieter Hallervorden schon seit 2020 und ist somit eine gut eingespielte Geschichte, die man nun auch in Dessau erleben kann. Sehr kurzweilig gemacht. Man könnte die Inszenierung Frank Lüdeckes als ein Theaterstück in sehr kurzen Akten oder aus sehr langen Sketchen bezeichnen.
Sicht der Generation 80+
Kurz zum Inhalt: Gott hat Langeweile. Er beschließt auf die Erde zu kommen, um sich hier einen Job zu suchen. Er bewirbt sich mit seinem Lebenslauf in einer großen Firma. Und wir sind Zeuge des mehrere Tage dauernden Bewerbungsgesprächs. Der Schöpfer im Dialog mit einem seiner Geschöpfe. Dem von Peter Bause gespielten Personaldirektor der Firma. Es geht in knapp anderthalb Stunden um Gott und die Welt. Und was wir Menschen auf der Erde so alles für Unsinn treiben. Im Kern könnte man es die Kritik der Vernunft an unserer Zeit aus der Sicht der Generation 80+ nennen. Der Autor ist 83, Peter Bause 80 und Dieter Hallervorden 87.
Hallervorden und Bause als glänzende Performer
Zum Glück sind alle drei noch richtig hell im Kopf. Und die beiden auf der Bühne auch noch fit auf den Füßen. Dieter Hallervorden ist der Chef im Ring. Nicht nur, weil ihm das Theater gehört, sondern weil er ein glänzender Performer ist. Text, Rhythmus, Pointen sitzen, der Mann erreicht sein Publikum – natürlich ohne Mikroport.
Nur wenn er singt, greift er zum Handmikrofon. Bühnenpartner Peter Bause reicht ihm das Wasser, respektive gibt die Stichworte. Es ist ein bisschen wie bei Herricht und Preil oder Jack Lemmon und Walter Matthau. Dazu sorgen drei Tänzerinnen für engelsgleiche Showeinlagen, wenn Hallervorden singt und Peter Bause im Hintergrund musikalischen Quatsch mit Bongos, Bassgitarre oder am DJ-Pult veranstaltet.
Altherrentheater neu denken!
Ob die Generation der heute 30-Jährigen darüber lachen kann, steht auf einem andren Blatt. Im Publikum ist die aber auch nicht vertreten. Und wenn Dieter Hallervorden unter dem Stichwort "Kennste den?" seinem Bühnenpartner nach der Pause gleich mal einen "Papst-unter-der-Dusche-Witz" erzählt, auf dessen Pointe ich nicht näher eingehen will, fragt selbst Peter Bause schon mal mit etwas pikierter Ironie: "Lustig?"
Natürlich ist es Altherrentheater, wenn zwei über 80-Jährige auf der Bühne stehen. Das müsste es aber überhaupt nicht sein: Dass Gott ein alter weißer Mann ist – okay. Aber warum trifft der nicht auf eine Personalchefin? In dem Alter, in dem Personalchefinnen heute so sind? Und vielleicht noch auf eine Regisseurin aus der Generation Lisa Eckhart, die hier im Mitteldeutschen Theater demnächst ja auch zu erleben sein wird. Jede Wette, dann würden Geschichte und Inszenierung sofort einen anderen Drive bekommen. Ich bin mir sicher, dass so eine kleine gendertechnische Verunsicherung den Altmeister Hallervordern zu noch ganz anderen Höhenflügen verleiten würde. Darstellerisch hätte er das allemal drauf.
Weitere Informationen
Mitteldeutsches Theater in der Marienkirche
Schloßstraße 3
06844 Dessau-Roßlau
Eröffnung mit dem Stück "Gottes Lebenslauf" von Jean-Louis Fournier
Mit Dieter Hallervorden und Peter Bause.
Premiere: 4. September 2022
Weitere Termine:
08.09., 19 Uhr
10.09., 16 Uhr
11.09., 15 Uhr
18.09., 15 Uhr
29.09., 19 Uhr
30.09., 19 Uhr
Lesung mit Carmen-Maja Antoni: 10.09., 19 Uhr
Lesung mit Hannelore Hoger: Märchen von Oscar Wilde: 11.09., 19 Uhr
Lesung mit Elke Heidenreich: "Ihr glücklichen Augen": 18.09.
(Auswahl)
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 05. September 2022 | 08:40 Uhr