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Das Deutsches Nationaltheater Weimar trägt seinen Namen seit 1919. Zuvor hieß es lange Zeit Hoftheater, dann kurze Zeit Landestheater. Bildrechte: Thomas Müller

Vor 70 Jahren wieder eröffnetDie wechselvolle Geschichte des Deutschen Nationaltheaters Weimar

von Sabrina Gebauer und Stefan Petraschewsky, MDR KULTUR

Stand: 28. August 2018, 04:00 Uhr

Das DNT gilt bis heute als Wahrzeichen Weimars - und als Symbol für Deutschland. Goethe machte das Weimarer Theater berühmt, später wurde es zur politischen Bühne: Hier wurde die Weimarer Republik geboren, hier tagten die Nazis. Verschiedene Kräfte zerrten an ihm, versuchten es für sich zu beanspruchen. Im Krieg wurde das Theater zerstört, genau wie Deutschland lag es in Schutt und Asche. Vor 70 Jahren wurde es wieder eröffnet.

Dort, wo heute das Deutschen Nationaltheater Weimar (DNT) steht, stand 1791 noch ein anderes Gebäude. In jenem Jahr zog das Weimarer Hoftheater ein – erster Intendant wurde niemand geringeres als der Dichter und Dramatiker Johann Wolfgang von Goethe, selbst schon Symbol des deutschen Dichter- und Denkertums, einer Tradition, auf die man sich im Laufe der folgenden deutschen Geschichte immer wieder gern beruft.

Goethe-Schiller Denkmal in Weimar Bildrechte: IMAGO / Hans-Günther Oed

Goethe gelang es, der bis dato eher skeptisch beäugten Schauspielerei Anerkennung zu verschaffen. Von Weimar aus eroberten dann auch die Stücke des Dramatikers Friedrich Schiller die Bühnen der Welt; das Theater wurde zu einem der Wahrzeichen Weimars. Zu Ehren der beiden großen Dichter wurde 1857 auf dem Platz vor dem Theater schließlich auch ein Denkmal eingeweiht.

DNT als Spiegel einer gespaltenen Gesellschaft

Berühmt wurde das Weimarer Theater aber nicht nur wegen Goethe und Schiller, sondern auch als politische Bühne: 1919 tagte hier die Deutsche Nationalversammlung, um die erste demokratische deutsche Verfassung zu beschließen, die dann auch tatsächlich in Kraft trat: die Weimarer Republik war geboren. Damit wurde das Theater zum Symbol der jungen Republik – sowohl für Republiksanhänger als auch für ihre Gegner.

Ab 1924 veranstaltete die NSDAP hier ihre Parteiversammlungen, 1926 sogar ihren ersten Reichsparteitag. Auf der einen Seite standen damit diejenigen, die das DNT als Ort der Humanität im Geiste Goethes betrachteten, und als Ort, an dem man in Zusammenarbeit mit dem Bauhaus an einer neuen, avantgardistischen deutschen Kultur arbeitete, - und auf der anderen Seite standen gleichzeitig jene, denen etwa die Aufführung von Oskar Schlemmers "Triadischem Ballett" ein Dorn im Auge war, die unter einer "deutschen Kultur" etwas anderes verstanden und eine Säuberung, schließlich sogar ein "judenfreies Theater" forderten. Beide Seiten versuchten auch Goethe und Schiller für sich zu beanspruchen. Das DNT war damit hochsymbolisch. Wie am ganzen Land zerrten hier im Kleinen verschiedene Kräfte.

DNT spielt für SS-Leute während Sänger im KZ sitzt

Unter den Nazis wurde vorrangig klassisches Theater gespielt, das Bauhaus war nach Dessau geflohen, für avantgardistische Kunst war kein Platz. Vor allem Schillers Werke wurden am Anfang des NS-Regimes in ein nationalistisches Licht gerückt, bis "Wilhelm Tell" 1941 von Hitler verboten wurde, weil darin ein Schweizer Schütze einen Tyrannen ermordet. Das DNT indes sorgte für die Unterhaltung der SS-Männer im nahegelegenen KZ Buchenwald, während gleichzeitig u.a. der Opernsänger Fritz Löhner-Benda dort gefangen gehalten wurde. 1944 wurde das DNT schließlich zur Rüstungsfabrik umfunktioniert, bevor es am 9. Februar 1945 von den Amerikanern zerstört wurde. Es lag - genau wie Deutschland - in Schutt und Asche.

Als Deutschland wieder zur Besinnung kommt, steht das zerbombte Deutsche Nationaltheater in Weimar wieder auf: Als erstes Theater im ganzen Land. Mit dem Wiederaufbau des DNT geht es natürlich auch um neue Vorbilder für das künftige Deutschland. Woran sollte man nach der Hitler-Diktatur anknüpfen? Hier bot sich das DNT mit seiner Tradition an. Natürlich Goethe und Schiller und ihr Humanismus; aber auch die Weimarer Republik, die ja im DNT begründet wurde. Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum das DNT als erstes Theater in Deutschland wiederaufgebaut war.

Honecker rückt DDR in Goethes Tradition

An Goethes 199. Geburtstag, im Sommer 1948, wird das DNT mit einer Aufführung von "Faust I" eröffnet, ein Jahr vor dem ganz großen Fest. Das wurde dann bereits mit Frühlingsbeginn, quasi mit den Osterglocken 1949, eingeläutet: Die "Weltjugendwoche" im DNT eröffnet der erste Vorsitzende der FDJ, Erich Honecker. Er spricht von Goethe als dem "größten Genius", den es zu ehren gilt, als "mutigen Streiter für einen kämpferischen Humanismus" für "Würde und Entfaltung des Menschen und die Einordnung des Einzelnen in die Gemeinschaft".

Dazu, so Honecker, habe der Zentralrat der FDJ gerade erst Beschlüsse gefasst, deren Durchführung dazu beitragen werde, "die deutsche Jugend mit dem Leben des großen deutschen Dichters und Denkers vertraut zu machen." War der 200. Goethe-Geburtstag mithin die Geburtsstunde für den "Osterspaziergang" und Fausts "letzte Worte", die in der Schule fortan auswendig gelernt werden mussten? Auch symbolisch: Honecker bedankt sich in dieser Rede auch bei der Besatzungsmacht, denn die Sowjetarmee hatte geholfen beim Wiederaufbau dieses so symbolträchtigen Gebäudes der deutschen Geschichte – das nun eben auch in fremden Händen lag.

1990 dann, die Mauer war gefallen, eine neue Verfassung im Entstehen, tagte im Deutschen Nationaltheater der Thüringer Landtag, um sich neu – nun wieder demokratisch - zu konstituieren. Und so wurde das DNT wieder zu einem Symbol der Demokratie - gleichzeitig erinnert es bis heute an die wechselvolle Geschichte Deutschlands sowie an zwei seiner größten Dichter: Goethe und Schiller.

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR Spezial | 28. August 2018 | 18:05 Uhr