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Unser Kritiker sieht in "Buddenbrooks" am DNT Weimar "Regie-Theater, das seinen Schauspielerinnen und Schauspielern den Teppich ausrollt, auf dem sie glänzen dürfen." Bildrechte: Candy Welz

EmpfehlungDNT Weimar bittet mit Thomas Manns "Buddenbrooks" zum Totentanz

30. April 2023, 09:56 Uhr

Das Deutsche Nationaltheater Weimar (DNT) bringt Thomas Manns Roman "Buddenbrooks – Verfall einer Familie" als Totentanz auf die Bühne. Die Theaterfassung von Beate Seidel und Christian Weise punktet mit Zombie-Maske, Kamera, Einsatz von Orchester sowie Opernchor. Und natürlich mit den schauspielerischen Leistungen um die Buddenbrook-Geschwister Tony, Christian und Thomas, gespielt von Rosa Falkenhagen, Aram Tafreshian und Krunoslav Šebrek. Eine Empfehlung von unserem begeisterten Kritiker.

von Wolfgang Schilling, MDR KULTUR

Mit den "Buddenbrooks" hat sich Thomas Mann seinerzeit Weltruhm und den Nobelpreis gesichert. Das ist lange her und Weimar als Klassikerstadt ein guter Ort, um den alten Stoff auf die Bühne zu bringen. Als Regisseur hat man sich den 1978 in Eisleben geborenen Christian Weise ausgesucht. Der gerade am Berliner Gorki Theater für seine Lesart von Shakespeares "King Lear" als "Queen Lear" mit Corinna Harfouch in der Titelrolle von der Kritik so richtig Dresche bezogen hat.

Regie-Theater, das den Teppich ausrollt

Ich war nicht in der Hauptstadt, aber habe seine aktuelle Arbeit in Weimar gesehen. Und die ist Theater auf der Höhe der Zeit. Regie-Theater, das seinen Schauspielerinnen und Schauspielern den Teppich ausrollt, auf dem sie glänzen dürfen. Theater, das einer Vorlage den Respekt erweist, den sie verdient. Und es gleichzeitig so präsentiert, dass es jeden im Publikum in seinen Bann zieht: den belesenen Bildungsbürger, diejenigen, die den Stoff aus dem Fernsehen kennen. Und auch die jungen Leute im Publikum, die sich die Lektüre von 500 Romanseiten ersparen wollen. Nach einem kurzweiligen drei Stunden-Ritt durch den Klassiker wissen im Prinzip auch sie, was im Buch steht. Christian Weise und seiner Dramaturgin Beate Seidel ist das mit ihrer Theaterfassung gelungen.

Ein Kunststück in drei Teilen

Zu Beginn ist der Vorhang zu und der Orchestergraben offen und durch einen Steg zweigeteilt. Links ist er leer, rechts für ein kleines Orchester präpariert. Dann schlüpft eine skurrile Gestalt durch den Vorhang. Will nur mal schnell "Hallo" sagen, das Publikum begrüßen. Stellt sich selbst als Christian vor, einer der beiden Buddenbrook-Söhne. Der mit den mehr künstlerischen als kaufmännischen Ambitionen.

Aram Tafreshian legt als Buddenbrook-Sohn Christian ein grandioses Solo hin. Bildrechte: Candy Welz

Aus diesem kurzem "Hallo" macht der glänzend aufgelegte Aram Tafreshian ein 40-minütiges grandioses Solo, indem das Publikum schon mal alles über die Buddenbrook'sche Familiengeschichte erfährt. Teil eins des Abends, der nahtlos in Teil zwei übergeht.

Großes Kino auf der Theaterbühne

Die Musikerinnen und Musiker kommen und spielen. Der Vorhang öffnet sich und wir schauen auf eine bühnenhohe und -breite Leinwand. Für einen neuen Buddenbrook-Film. In knallbunten Bildern, Kostümen und am expressionistischen Stummfilm orientiert, wird jetzt die Geschichte der Schwester Tony Buddenbrook (Rosa Falkenhagen) erzählt. Äußerlich eine einzigartige Harlekinade. Inhaltlich die sensible und kluge Geschichte dieser starken und am Ende überlebenden Frau.

Die Geschichte der Schwester Tony Buddenbrook (Rosa Falkenhagen) wird wie bei einer Stummfilm-Darbietung mit Film und Musikbegleitung inszeniert. Bildrechte: Candy Welz

Wo die Kamera Sinn macht

Alles ist als Film zu sehen. Aber nicht vorproduziert, sondern hinter der Leinwand live gespielt, gefilmt und vorne schnittlos gesendet. So macht die Kamera auf dem Theater Sinn. Hier erobern sich die Schauspielenden dieses Medium mit ihren Mitteln in ihrem ureigenen Herrschaftsgebiet.

Großartiges Weimarer Ensemble

Großartig sind dabei Sebastian Kowski als Vater Buddenbrook und Dascha Trautwein als Mutter. Das ist die halbe Stunde in der Rosa Falkenhagen als starke Frau glänzen kann. Und Nahuel Häfliger seinen Bendix Grünlich als Wiedergänger von Rumpelstilzchen und Jud Süß durch die Szene tänzeln lässt.

Requiem und Totentanz

Der dritte Teil gehört Krunoslav Šebrek, der Thomas Buddenbrook gibt. Den Mann, der an der Zeit und seinem kranken Zahn zugrunde gehen wird. In einem Totentanz mit Orchester und Opernchor. Die von Jens Dohle komponierte Musik wechselt jetzt ins Requiem. Das klingt nach Kurt Weill und zeitgenössischer Moderne.

Der Verfall der Familie Buddenbrook wird auf der DNT-Bühne zum Totentanz. Bildrechte: Candy Welz


Alle bis auf Thomas Buddenbrook sind schon als Zombies geschminkt, der Verfall der Familie nicht mehr aufzuhalten. "Everything ist not going to be alright" steht in Leuchtschrift über diesem Totentanz: "Alles wird nicht gut".

Auf nach Weimar!

Das mag auf die Geschichte gemünzt sein. Für das, was Christian Weise, die Bühnenbildnerin Nina Peller, die Frau für die Kostüme, Lane Schäfer, das Live-Kamera-Team und das in allen Rollen großartige Weimarer Ensemble hier leisten, gilt das nicht. Das war großartiges Theater auf der Höhe der Zeit. Unbedingt hingehen!

Der dritte Teil des Totentanzes gehört Krunoslav Šebrek als Thomas Buddenbrook. Von der Leistung des Weimarer Ensembles zeigt sich unser Kritiker begeistert. Bildrechte: Candy Welz

Weitere Informationen"Buddenbrooks – Verfall einer Familie"
Theaterfassung des Romans von Thomas Mann
Regisseur: Christian Weise
Dramaturgin: Beate Seidel

Tony Buddenbrook: Rosa Falkenhagen
Christian Buddenbrook : Aram Tafreshian
Thomas Buddenbrook: Krunoslav Šebrek
Außerdem: Sebastian Kowski, Dascha Trautwein, Tahera Hashemi, Nahuel Häfliger, Philipp Otto, Fabian Hagen, Jens Dohle, Laurie Gibson

Termine
21. Januar 2024, 18 Uhr
7. März 2024, 19:30 Uhr
20. März 2024, 19:30 Uhr
8. Mai 2024, 19:30 Uhr

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 25. April 2022 | 12:10 Uhr