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"Romeo und Julia" am DNT Weimar versetzt das berühmte Stück in ein ganz neues Setting. Bildrechte: Candy Welz

VorberichtAußergewöhnliche Oper: DNT Weimar versetzt Romeo und Julia in einen Bürgerkrieg

05. Juni 2023, 12:05 Uhr

Am DNT Weimar kommt eine außgewöhnliche Oper zur Aufführung: Vincenzo Bellinis "I Capuleti e i Montecchi". Das Stück des sizilianischen Meisterkomponisten erzählt von Romeo und Julia – die Handlung verläuft aber anders, als in Shakespeares berühmter Vorlage. Romeo ist hier ein Warlord, der mitten in einem Bürgerkrieg Julia entführen möchte. Für die ungewöhnliche Inszenierung, in der das Liebespaar von zwei Frauen gespielt wird, hat das Deutsche Nationaltheater Weimar ein Star-Trio engagiert. Ein Vorbericht.

von Marlene Drexler, MDR KULTUR

Ein Balkon in Verona, zwei verfeindete Familien und ein tragisches Ende. Romeo und Julia sind eines der berühmtesten Liebespaare der Weltliteratur. Die Geschichte, wie William Shakespeare sie geschrieben hat, ist aber nicht die einzige. Zweihundert Jahre nach Shakespeare hat der italienische Komponist Vincenzo Bellini den Mythos "Romeo und Julia" als Oper mit dem Titel "I Capuleti e i Montecchi" vertont. 1830 in Venedig uraufgeführt beruht die Handlung auf einem Libretto von Felice Romani.

Star-Trio inszeniert "Romeo und Julia" in Weimar

Für Bellini war "I Capuleti e i Montecchi" ein Schnellschuss – er sprang kurzfristig für einen anderen Komponisten ein, der abgesagt hatte. Um diese bis heute nicht ganz so populäre Oper des italienischen Meisterkomponisten auf die Bühne zu bringen, hat das Deutsche Nationaltheater Weimar ein Star-Trio engagiert: Jossi Wieler, ehemaliger Intendant der Stuttgarter Staatsoper und Sergio Morabito, Chefdramaturg an der Wiener Staatsoper in Regie und Dramaturgie. Und Anna Viebrock, gefeierte Ausstatterin, die eine langjährige künstlerische Partnerschaft mit Christoph Marthaler verbindet, als Bühnenbildnerin.

Komponist Bellini sprang für "I Capuleti e i Montecchi" erst sehr kurzfristig ein. Bildrechte: Candy Welz

Oper über eine unmögliche Liebe im Bürgerkrieg

Für Produktionsdramaturg Sergio Morabito ist der Konflikt zwischen Romeo und Julia in Bellinis Oper noch schärfer, die Liebe noch unmöglicher, als in Shakespeares Version: "Man muss wissen, dass Romeo kein verliebter Jüngling ist, sondern ein Warlord, der Juliettas Bruder getötet hat". Die Handlung von "I Capuletti e i Montecchi" ist in einen Bürgerkrieg eingebettet. Morabito erkennt Züge antiker Tragödie: "Denken wir an Antigone, die um ihren Bruder begraben zu können in den Tod geht - solche Dimensionen haben die Charaktere hier."

Typisch für Bellini, Meisterkomponist der romantischen Oper italienischer Prägung, sind die langen, lyrischen fast hypnotischen Melodiebögen. Das Auftragswerk für das Teatro La Fenice in Venedig ist außerdem vor allem eine musikdramatische Verdichtung. Denn, das von Bellini kurzfristig angenommene Projekt fällt mit zwei Stunden deutlich kürzer aus, als seine populärsten Opern "La sonnambula" oder "Norma".

Romeo wird von einer Frau gesungen

Mindestens für den Opernlaien ist überraschend: Romeo ist für eine Mezzosopranistin komponiert. Zu Bellinis Zeiten nannte man das eine "Hosenrolle": Eine männliche Figur, die von einer Frau gesungen wird.

In der Neuinszenierung am DNT Weimar tritt Romeo nicht als verliebter Jüngling auf, sondern als Warlord. Bildrechte: Candy Welz

Für Regisseur Jossi Wieler ist es Ausdruck dessen, dass Genderfragen auf der Opernbühne schon vor Jahrhunderten recht liberal behandelt wurden: "Das war eigentlich nie ein Thema. Es ging um die Stimme und die Qualität der Stimme." Hinzu komme, dass durch diese Art der Besetzung eine gewisse Künstlichkeit vermittelt werde. Neben der schauspielerischen Darbietung an sich, entstehe so noch eine weitere Ebene. Ein Vorgang, der für ihn ein ganz wesentliches Element in der Kunst ist.

Romeo wird in "I Capuletti e i Montecchi" von einer Frau gespielt - der Darstellerin und Sängerin Sayaka Shigeshima. Bildrechte: Candy Welz

Eingespieltes Team inszeniert in Weimar

Der heute 71-jährige Jossi Wieler gehört zu einem der renommiertesten Theater- und Opernregisseure der letzten Jahrzehnte. Seine Inszenierungen wurden vielfach ausgezeichnet. Charakteristisch für seine Arbeitspraxis sind unter anderem die über Jahre gewachsenen Arbeitsbeziehungen. Mit Dramaturg Sergio Morabito und der Bühnenbildnerin Anna Viebrock hat Wieler schon 23 Abende auf die Bühne gebracht. Warum arbeiten die drei immer wieder zusammen? Jossi Wielers Antwort: "Warum nicht!".

Für das Stück konnte das DNT ein echtes Star-Trio hinter den Kulissen gewinnen: Jossi Wieler, Sergio Morabito und Anna Viebrock. Bildrechte: Candy Welz

Er schätze das künstlerische Arbeiten auf Augenhöhe. Gerade die Theaterwelt sei davon geprägt, dass einer, nämlich der Regisseur, das Sagen hat. "Und das haben wir schon ganz lange anders für uns definiert", so Wieler.

Bühnenbildnerin Anna Viebrock schätzt an dem Miteinander das Akribische, den intensiven Willen Text und Partitur zur durchdringen: "Mir gefällt die intensive Vorbereitung. Wir treffen uns sehr oft und hören immer wieder die Musik". Erst nach dieser theoretischen und emotionalen Auseinandersetzung mit dem Stoff, fertige sie das erste Bühnenbild-Modell.

Das Bühnenbild den Zuschauern Raum für eigene Assoziationen geben. Bildrechte: Candy Welz

Bühnenbild am DNT Weimar setzt Assoziationen frei

Bei der Weimarer Produktion von "I Capuleti e i Montecchi" besteht das Bühnenbild aus einem Gebäude, dass durch die Drehbühne von unterschiedlichen Seiten bespielt werden kann. Eine Hauswand fehlt. Vielleicht ist sie vom Bürgerkrieg zerbombt? Eine unsichtbare Projektionsfläche. Anna Viebrocks Bühnenbild gibt dem Zuschauer Raum für eigene Assoziationen. Grundsätzlich gefalle ihr der Stilbruch. In diesem Fall sei es die nackte Bühnenhinterwand, die durch das Fehlen einer Hausfassade sichtbar und Teil der Inszenierung wird.

Das Trio Viebrock, Wieler und Morabito setzt mit der Produktion auch die eigene Bellini-Tradition fort. Für die drei ist es die mittlerweile vierte Oper des italienischen Meisterkomponisten, die sie gemeinsam auf die Bühne bringen.

Angaben zum Stück

"I Capuleti e i Montecchi - Romeo und Julia"
Oper von Vincenzo Bellini
Libretto von Felice Romani
In italienischer Sprache mit deutschen Untertiteln

Musikalische Leitung: Dominik Beykirch 
Inszenierung: Jossi Wieler / Sergio Morabito 
Bühne: Anna Viebrock 
Co-Bühne: Anna Scheffel-Brotánková 
Kostüme: Dorothee Curio 
Video: Ilya Shagalov 
Dramaturgie: Sergio Morabito 
Choreinstudierung: Jens Petereit 

Besetzung:
Oleksandr Pushniak (Capellio), Sayaka Shigeshima (Romeo), Ylva Sofia Stenberg (Giulietta), Taejun Sun (Tebaldo), Uwe Schenker-Primus (Lorenzo), Staatskapelle Weimar

Termine:
3. Juni, 19:30 Uhr (Premiere)
9. Juni, 19:30 Uhr
22. Juni, 19:30 Uhr
9. Juli, 18 Uhr
15. September, 19:30 Uhr (Wiederaufnahme)
1. Oktober, 16 Uhr
29. Oktober, 18 Uhr
16. November, 19:30 Uhr
26. Dezember, 18 Uhr
20. Januar, 19:30 Uhr

Redaktionelle Bearbeitung: Valentina Prljic

Theater und Oper in Weimar und Thüringen

Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 03. Juni 2023 | 13:15 Uhr