farbwerk e.V.Theater, Musik, Tanz: Wie in Dresden inklusive Kultur gelebt wird
Der farbwerk e.V. Dresden entwickelt erfolgreich inklusive Kulturangebote für Menschen mit und ohne Behinderung. Dafür wurde er mit dem Förderkulturpreis 2022 der Stadt Dresden ausgezeichnet. Ein Probenbesuch bei der neu gegründeten farbwerk-Band.
Aus dem Kellergeschoss des farbwerk e.V. tönt jeden Montagnachmittag ein wilder, rockiger Sound über den Hof. Seit März gibt es die inklusive farbwerk-Band auf dem Zentralwerkgelände in Dresden, dem Sitz des farbwerk e.V. "Ich bin bunt" oder "Wo ist die Liebe?" heißen die Songs der Band. "Sei wie du bist" ist ein Lieblingslied der meisten Bandmitglieder.
Inklusiver Krautrock im Farbwerk
Insgesamt zwölf Frauen und Männer proben an diesem Montagabend mit den Berufsmusikern Andi Valandi und Frank Dresig, die in der Band nicht gerne den Ton angeben. Wichtigste Voraussetzung für die Bandaufnahme war, den Rhythmus zu halten. Frank Dresig: "Das ist nicht einfach. Aber das wichtigste hier ist die Freude an der Musik."
Bandarbeit mit Behinderten, die Lernschwächen haben, Autisten sind, an Epilepsie oder dem Down-Syndrom leiden – wie geht das? Frank Dresig zieht einen Vergleich "Wir nennen uns ja Rockband und wir improvisieren auf den Rhythmus. Wir brauchen eben Zeit, um im Stück erstmal anzukommen. Aber so funktioniert auch Krautrock: endlose Sessions machen und Spaß haben."
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Durim ist ein eindrucksvoller Tänzer, der im Tandem mit einem Profi schon eigene Tanzstücke entwickelt hat. Schlagzeug spielt er auch. Einige Bandmitglieder sind Naturtalente, trotz Behinderung. Und es gibt passionierte Hobbymusiker wie Birger, der sagt, dass er ein autistischer Mensch sei und in seiner Kindheit Klavier und später Keyboard gelernt habe.
Es ist für mich Entspannung vom Alltag und es macht sehr viel Spaß.
Der autistische Musiker Birger über die Mitwirkung in der Band
Petra spielte zehn Jahre in der Theatergruppe vom farbwerk e.V. Mit dem Bürgerbühnen-"Club der Andersbegabten" im Kleinen Haus Dresden stand sie oft auf der Bühne. Jetzt dichtet sie gern. Sie sagt: "Ich texte, wenn ich Zeit habe, beim Abwaschen oder wenn ich mit der Straßenbahn fahre." Ihr Song "Wo ist die Liebe?" ist auf diese Weise entstanden. "Das war eigentlich bloß ein Spruch. Und jetzt ist daraus ein Lied geworden. Da freue ich mich.", so Petra.
Theater mit Profis und Menschen mit Behinderung auf Augenhöhe
"Das ist der komplette Wahnsinn, was wir hier auf die Beine gestellt haben", sagt Theaterfrau Jaqueline Hamann, die künstlerische Leiterin des farbwerk e.V. 2006 hat sie das Werkstattatelier farbwerk mitgegründet. Seitdem entwickelt sie im viel zu kleinen Team Formate wie die Theatergruppe oder künstlerische Tandem-Projekte in denen – eins zu eins – Profikünstler und Menschen mit Behinderung zusammenkommen.
28 Spielerinnen und Spieler gehörten zur Theatergruppe, die seit zwei Jahren pausiert und nun wieder starten soll. Jetzt kamen die Rockband und ein inklusives Orchester neu dazu.
"Wir brauchen dringend Verstärkung, auch für unseren Vorstand", sagt Hamann, die dankbar ist für die Förderung durch die Stadt, den Freistaat oder die Kulturstiftung Sachsen – und trotzdem viele Projekte nur mit viel ehrenamtlichem Einsatz, oder Selbstausbeutung, stemmen kann. Oder auch nicht.
Ein inklusives festes Ensemble wäre ihre Vision, das lässt sich ohne institutionelle Förderung des Freistaates aber nicht realisieren.
VeranstaltungstippSpielLust – inklusives Musikfest im Zentralwerk
8. und 9. Oktober 2022
Zentralwerk Pieschen
Riesaer Str. 32 01127 Dresden
Redaktionelle Bearbeitung: op
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 07. Oktober 2022 | 16:10 Uhr