16. bis 24. SeptemberDresden: Festival in Hellerau zeigt die gesellschaftliche Dimension von Tanz
Das Europäische Zentrum der Künste in Hellerau startet mit dem Festival "Come Together" in die Saison. Internationale Choreografinnen präsentieren ihre aktuellen Produktionen und widmen sich dabei Themen, die essenziell für unser Zusammenleben sind: Gemeinschaft, Fürsorge und Empathie. Ein Festival-Highlight ist die schottische Künstlerin Claire Cunningham, die auf Krücken jenseits aller Konventionen tanzt und eigene Erfahrungen von Behinderung thematisiert.
Neue Wege der künstlerischen Zusammenarbeit und der Begegnung mit dem Publikum will das Festival "Come Together" ausloten. Dafür wurden Choreografinnen, unter anderem aus Schottland, Ungarn und der Türkei eingeladen, die sich in ihrer künstlerischen Forschung, wie auch in ihren Stücken speziell mit den Themen Gemeinschaft, Fürsorge und Empathie auseinandersetzen, darunter die gefeierte Künstlerin Claire Cunningham und Yasmeen Godder aus Israel.
"Wir hatten das Gefühl, nach diesen zwei Corona-Jahren - und wir befinden uns ja im Krieg in Europa, dass das Nachdenken darüber, wie man zusammen leben kann, wie man Empathie zeigen kann, dass das ein sehr spannendes Thema für uns alle ist, nicht nur für Choreografinnen", so Andre Schallenberg, Programmleiter für Theater und Tanz am Europäischen Zentrum der Künste Hellerau.
Tänzerin auf Krücken am Festspielhaus Hellerau
Von sich selbst spricht Claire Cunningham als einem disabled artist, als einer Künstlerin mit einer körperlichen Behinderung. Wenn man sie jedoch auf der Bühne erlebt, hat man eher den Eindruck, dass die beiden Krücken, an denen sie seit frühester Jugend geht, völlig Zweck entfremdet und lediglich Requisiten in ihren beeindruckenden Choreografien sind.
Claire Cunningham, die 2021 mit dem Deutschen Tanzpreis ausgezeichnet wurde, ist eine der international renommiertesten Performerinnen mit Behinderung. Damit ist sie für viele ein Identifikationsfigur, was Ende der 1990er, Anfang der 2000er Jahre so gut wie nicht existierte, als sie begann, ihre eigene Körperlichkeit neu zu entdecken und eine für sie charakteristische Bewegungssprache zu entwickeln – jenseits traditioneller Vorstellungen, sei es beim klassischen Ballett oder beim zeitgenössischen Tanz, die sie als elitär und ausschließend ablehnt.
Eine Choreografie der Fürsorge bei Dresdner Festival
Was die schottische Künstlerin anstrebt, ist eine Choreografie der Fürsorge. Dieses Konzept, so erläutert Claire Cunningham, sei der Versuch, auf die Bedürfnisse aller Beteiligten eingehen - während der Proben, bei den Aufführungen - und auch darauf, wie das Publikum die Inszenierung erlebt.
In ihrem Tanzdialog "The Way You Look (at me) Tonight", den Claire Cunningham zusammen mit Jess Curits beim Festival "Come Together" in Hellerau präsentiert, findet man genau diese Überlegungen wieder. Und so wird für einen Teil des Publikums, der sich mitten hinein in die Inszenierung platziert hat, der Abend zu einer sensorischen Reise, wenn die beiden um sie herumtanzen, sprechen und performen.
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Tanzen und Nähe wie vor der Corona-Pandemie
In drei miteinander verwobenen Stücken setzt sich die israelische Choreografin Yasmeen Godder mit Empathie auseinandergesetzt – mit dem empathischen Umgang innerhalb ihrer Tanzcompany, mit sich selbst, aber auch mit Parkinsonpatienten, mit Migrantinnen und Senioren. In engem Austausch mit ihnen beispielsweise entstand der zweite Teil. Doch er kam wegen Corona nie zur Premiere, da dieser Part für Berührungen, Atmen und Nähe zwischen Fremden konzipiert war.
Es entstand eine zweite Version. Yasmeem Godder erläutert, dass bei "Practicing Empathy #2by2" die Performance jetzt in einem Quadrat von zwei mal zwei Metern stattfinde, mit einem Publikum von zwei Personen und mit zwei Tänzerinnen, die nonverbal aufeinander reagierten. So wird das Stück jetzt auch in Dresden zu erleben sein und wer sich auf diese Nähe einlässt, hat die Möglichkeit, in eine gemeinsame empathische Erfahrung einzutauchen.
Mehr InformationenFestival "Come Together"
vom 16. bis 24. September 2022
HELLERAU - Europäisches Zentrum der Künste
Karl-Liebknecht-Str. 56
01109 Dresden
"The Way You Look (at me) Tonight"
Claire Cunningham & Jess Curtis
Aufführungen am 16. und 17. September, jeweils um 20 Uhr
"Practicing Empathy"
Yasmeen Godder
Aufführungen am 20. und 21. September, jeweils um 17:30, 18:15, 19 und 20 Uhr
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 16. September 2022 | 08:10 Uhr