"opera – a future game"Oper als Videospiel-Essay: Experiment in Sachsen
Ursprünglich war die Uraufführung des Musiktheaters "opera, opera, opera! revenants and revolutions" von Ole Hübner und Thomas Köck bei der Münchener Biennale 2020 geplant. Doch Corona hat das verhindert. Stattdessen produzierte die Oper Halle mit MDR KLASSIK und dem BR filmische Fragmente. Das war die Inspiration für eine Oper als eine Art Videospiel, das in Dresden präsentiert wurde und nun auch in Leipzig ausprobiert werden kann.
Eine dystopische Szenerie: Das Meer hat Teile an Land überspült, im Wasser Schwärme von toten Fischen, verlassene Tanker, einige umgekippt. Wendet man den Blick, erscheint eine wüste Landschaft, in der sich Autowracks und nicht auszumachende Trümmerteile auftürmen. Inmitten dieser Kulisse findet man sich wieder, während man im bequemen Gaming-Sessel vor drei großen Bildschirmen sitzt und sich mit dem Controller allmählich vorantastet.
Erst schemenhaft, dann immer deutlicher erscheint ein zerfallenes Gebäude, ein Opernhaus, wie sich herausstellen wird. Der Weg führt in einen Zuschauerraum, wo auf der Bühne eine Sängerin in opuletem Kleid eine Arie vorträgt. Fragment einer Oper von Ole Hübner, die im Frühjahr 2020 an der Oper Halle entwickelt wurde und bei der Münchner Biennale uraufgeführt werden sollte.
Video-Produktion in Halle
"Das Bühnenbild war gebaut, der Chor hatte 70 Proben gemacht – wir standen einfach parat", erinnert sich der Regisseur Michael von zur Mühlen an den Moment, als der erste Corona-Lockdown auch das kulturelle Leben lahm legte. "Da ist eine riesige Vorarbeit schon geleistet worden. Wir hatten dann die Möglichkeit, mit den Solistinnen im Kostüm und bei voller Ausstattung im leerstehenden Corona-Theater zu drehen."
Durch eben diese Aufnahmen, die damals als Zusammenarbeit der Oper Halle mit MDR KLASSIK und dem Bayerischen Rundfunk entstanden sind, steuert man in der Arbeit "opera – a future game". Einen digitalen Videospielessay nennt Michael von zur Mühlen das von ihm entwickelte Experiment aus klassischer Operninszenierung und Gamedesign.
Diese Bezeichnung hat der Regisseur bewusst gewählt: "Wenn man sagt, das ist ein Videospiel, dann gibt es irgendwas zu erfüllen oder zu erreichen. Das ist da alles nicht der Fall", so von zur Mühlen. "Deshalb entsprach dieses Videospiel-Essay dem viel eher, weil es mit bestimmten Elementen von Videogames umgeht, aber es ist eben kein richtiges Videogame. Die Dramaturgie ist sehr lose und ein Essay kann sich das erlauben, das man nicht so stringent sein muss."
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Nach der Katastrophe
Erzählt wird, wie ein Cyborg auf einen Chor der letzten Menschen trifft und sie gemeinsam nach Erinnerungen suchen, wie es zur Katastrophe kam, woher sie selbst kommen und wohin sie gehen. In der Gaming-Version trifft man sie inmitten einer digitalen Kopie des Bühnenbilds, hinzu kommen die Videosequenzen mit den Solistinnen und Solisten.
Man begegnet auch Thomas Köck, der das Libretto geschrieben hat – allerdings als Avatar. "Man spaziert wirklich durch die Bühnenräume hindurch, die eine ganz eigene Welt entfalten zwischen Desolation, Verfall, Wiederauferstehung", erklärt der Dramatiker die Situation. "Der Text, der dann hinzukam für diesen Hybrid, ist nochmal so eine Stimme, die dich begleitet, wenn du dich durch diese Welt bewegst." Zum Auftakt von "opera – a future game" in Hellerau wird Thomas Köck in einer Performance seine Texte live lesen, während das Publikum im Festspielhaus live auf großer Leinwand mitverfolgen, wie sich die jeweiligen Spieler durch den Videospiel-Essay bewegen. Es hat im Saal das volle Klangerlebnis, wenn währenddessen die Arien erklingen.
Oper und Zukunft in Dresden
Für Videospiel-Ungeübte ist es nicht so einfach, sich in dieser virtuellen Welt zu bewegen und den Controller unter Kontrolle zu bringen. Dem passionierten Gamer wiederum fehlt möglicherweise die Herausforderung, das nächste Level zu erreichen.
Dennoch sieht Regisseur Michael von zur Mühle in seinem interaktiven Musiktheater Potential für die Zukunft: "Gerade auch im Kontext von neuerer Musik finde ich das interessant, weil das andere Möglichkeiten eröffnet, die Dinge überhaupt zugänglich zu machen. Wenn sonst eine Oper uraufgeführt wird, läuft sie acht- oder neunmal und dann ist die weg. Dass die eine Zweitaufführung erfährt, ist relativ selten."
Eine Download-Version für zu Hause wird es allerdings nicht geben. "opera – a future game" soll ein Ereignis bleiben, das man an dafür bestimmten Kunstorten erleben kann – eben wie eine echte Oper.
Weitere Informationen"opera – a future game"
Ein post(operatischer)-apokalytischer Videospiel-Essay mit Musik
Gamedesign, Regie und Animation: Michael v. zur Mühlen
Raum und Ausstattung: Martin Miotk
Musik: Ole Hübner
Text: Thomas Köck
Kamera und Schnitt: Stefan Bischoff
Sounddesign: Martin Recker und Paul Hauptmeier
Adresse:
ZiMMT e.V.
Torgauer Straße 80
04318 Leipzig
Termine 2023:
01. Juni, 18 bis 21 Uhr
02. Juni, 18.30 bis 21 Uhr
03. Juni, 13 bis 19 Uhr
04. Juni, 13 bis 19 Uhr
07. Juni, 18.30 bis 21 Uhr
08. Juni, 18.30 bis 21 Uhr
09. Juni, 18.30 bis 21 Uhr
10. Juni, 13 bis 19 Uhr
11. Juni, 13 bis 19 Uhr
Redaktion: Thilo Sauer
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 24. März 2023 | 12:10 Uhr