Theaterkritik "Ab jetzt" am Staatsschauspiel Dresden: Sci-Fi-Komödie ohne Tempo
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Schon seit den 80er-Jahren überlegen die Menschen, ob und wie sie von Robotern und Computern übertrumpft werden könnten. Davon erzählt auch die Komödie "Ab jetzt" des britischen Erfolgsdramatikers Alan Ayckbourn. Das Stück, das einen Blick in die Zukunft wirft, wurde vom Staatsschauspiel Dresden wiederentdeckt und inszeniert. Leider konzentriert sich Regisseur Nicolai Sykosch zu sehr auf die gesellschaftlichen Fragen und vergisst dabei die Anforderungen an eine gute Komödie. Eine Theaterkritik.
Das ist schon ein Ding. Da wird am Staatsschauspiel Dresden eine Komödie von Alan Ayckbourn gespielt, in der der Altmeister der britischen Gegenwartsdramatik zu großer Form aufläuft und unten im Saal wird herzlich wenig gelacht. Was ist da passiert? Woran liegt's, dass man nur mäßig amüsiert nach Hause geht?
Am Autor kann es nicht liegen: Heute ist Ayckbourn 82 Jahre alt und hat im Lauf seines Lebens fast genauso viele Theaterstücke geschrieben. Komödien, deren Konstruktionsprinzip er perfekt beherrscht. Er ist der große Spiegelvorhalter im Sinne des allgemein Menschlichen. Ein genauer Beobachter dessen, was gerade passiert – im ganz normalen Leben, draußen vor der Theatertür. In seiner dystopisch angehauchten Komödie "Ab jetzt" hat er im Jahr 1987 einen Blick in die Zukunft geworfen. Damit hat er unsere digitale Zeit vorausgedacht und dabei Themen wie künstliche Intelligenz sowie das neue Verhältnis von Mensch und Maschine philosophisch hinterfragt.
Futuristisches Bühnenbild mit Retro-Flair
Bühnenbildner Stephan Prattes hat in den großen Guckkasten des Dresdner Staatsschauspiels eine angeranzte Puppenstube schräg hineingehängt, einen Wohnbunker mit High-Tech-Sicherheitstür wie aus einem frühen "Star Wars"-Film. Die Bunkerbude selbst ist den Tapeten und Heizkörpern nach zu schließen, allerdings seit Mitte der 60er-Jahre nicht mehr renoviert worden.
An den Wänden ein paar Designer-Sitzmöbel, mit denen man bei "Bares für Rares" richtig Geld kassieren würde. Im Zentrum ein flimmerndes Computer-, Bildschirm- und Kassettendeck-Getürm, das aussieht wie von Hightech-Rudis Resterampe. An der Decke ein riesiger Screen, der von bewegter Bildschirmtelefonie bis zur Wohnumfeld-Überwachung alles kann. Wir halten fest: ein mit viel Liebe zum absurden Detail gestalteter Hingucker und Spielraum.
Gesellschaftskritische Theater-Komödie – nun auch in Dresden zu sehen
Hier lebt Jerome, ein Komponist moderner Musik. Ihm sind Frau und Kind – und mit diesem auch die Muse – abhandengekommen. Er wohnt stattdessen zusammen mit einer Roboterfrau, ein nicht ganz ausgereifter Prototyp namens Gou 300. Gou steht für Gouvernante, eine künstliche Nanny also. Verzweifelt schraubt Jerome an dem Androiden herum, weil sie ihm helfen soll, das Sorge- oder zumindest das Umgangsrecht für seine Tochter wiederzubekommen. Darüber soll bei einem Vororttermin mit Mutter, Kind und einem Behördenvertreter entschieden werden.
Da die Roboterfrau für das Vorgaukeln einer gefestigten Beziehung aber nicht perfekt genug funktioniert, hat Jerome eine Schauspielerin engagiert. Deren Casting entwickelt sich von einer veritablen Katastrophe fast zu einer Beziehung, bis diese Zoe entdeckt, dass Jerome – zwecks späterer Verwendung für seine Kunst – alles aufzeichnet, was in seinem Heim passiert. Daraufhin verschwindet die neue Liebe entrüstet. Jerome programmiert den Gouvernanten-Roboter nach ihrem Vorbild um. Es kommt zum Show-Down mit Vater, Mutter, Kind, Roboterfrau und dem Mann vom Jugendamt.
Fazit: Zu viel Botschaft in Dresden
Doch was nach einem rasanten Stück klingt, nimmt wenig Fahrt auf. Nur Henriette Hölzl hat in ihrer Doppelrolle als Schauspielerin Zoe und Roboterfrau Gou 300 den Zucker dabei, der dieser Komödie gegeben werden muss. Sie zeigt exemplarisch, wie die Produktion ein Erfolg geworden wäre.
Doch Regisseur Nikolai Sykosch fehlt dazu offenbar der letzte Mut: Er hat zu sehr die humane Botschaft im Hinterkopf und vergisst die Mission der Verrücktheit. Schade, dass ihm Matthias Reichwald als Jerome bei dieser selbstverordneten Diät allzu brav folgt und als treibende Kraft ausfällt.
Damit wird man Alan Ayckbourn in Dresden nicht gerecht, der hier mit dem Verhältnis Mensch-Maschine philosophisch übermütig Ping-Pong spielt. Und so wie Nicolai Sykosch das in Szene setzt, fährt es einem nicht ins Zwerchfell, man reflektiert es eher mit Aha-Effekt. Wie im gutbildungsbürgerlichen Theater. Selten dürfte bei einem Bravourstück des erfolgreichsten britischen Komödienautors so wenig von Herzen gelacht worden sein wie hier.
Weitere Informationen
"Ab jetzt" von Alan Ayckbourn
Staatsschauspiel Dresden
Regie: Nicolai Sykosch
Bühne: Stephan Prattes
Kostüme: Irène Favre de Lucascaz
Mit: Matthias Reichwald, Henriette Hölzel, Fanny Staffa, Moritz Dürr, Kriemhild Hamann
Weitere Termine:
6. Februar, 19 Uhr
23. Februar, 19.30 Uhr
27. März, 19 Uhr
30. April, 19.30 Uhr
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. Januar 2022 | 09:40 Uhr