TheaterkritikEin wilder Ritt: Rainald Grebes "Baron Münchhausen" in Dresden
Der Kabarettist, Liedermacher und Regisseur Rainald Grebe steht in Dresden ausnahmsweise nicht auf, sondern hinter der Bühne: Er inszeniert den Klassiker "Baron Münchhausen" am Staatschauspiel. Für sein Stück greift er zu allen Mitteln des Theaters: ob Live-Musik, Puppentheater oder fliegenden Kanonenkugeln. Die in Szene gesetzten Abenteuer des historischen Barons begeistern unseren Kritiker – Grebes zeitgenössische Reflexionen dagegen weniger.
"Was nützt mir die schönste Wahrheit, wenn sie schlecht erzählt wird", sagt der Baron von Münchhausen einmal an diesem Abend. Der ein wilder Ritt, nicht nur auf Kanonenkugeln, sondern auch einer mit allen Mitteln des Theaters ist. Denn sein Erfinder, Rainald Grebe, greift tief in die Trickkiste und erinnert sich an die Wurzeln seiner künstlerischen Herkunft.
Schließlich ist der Mann nicht nur Spaßmacher am Klavier, sondern studierter und diplomierter Puppenspieler. Was dem Abend deutlich anzumerken ist, obwohl mit Tilla Kratochwil nur eine professionelle Puppenspielerin auf der Bühne steht. Aber der Rest des insgesamt zehnköpfigen Ensembles erweist sich als äußerst lernfähig und geht souverän mit Stabpuppen, Laterna-Magica-Momenten, Silhouetten-Theater und anderem, handgemachten Bühnenzauber um. Inklusive Livemusik und viel Gesang.
Überzeugendes Ensemble des Dresdner Staatsschauspiels
Insgesamt sind zehn Personen auf der Bühne zu erleben. Neben der schon erwähnten Puppen- und Menschenspielerin Tilla Kratochwil sind das die hauseigenen Kräfte Anna-Katharina Muck, Sven Hönig und Ahmad Mesgarha. Felix Bronkalla und Leonie Hämer sind noch Studenten der Leipziger Theaterhochschule und hier in ihren zwei praktischen Studienjahren unterwegs.
Mit von der Partie ist auch Klaus-Dieter Werner, der bekannte kleinwüchsige Mann im Rollstuhl, der schon in vielen Grebe-Inszenierungen in Dresden, aber auch in Leipzig mitgewirkt hat. Nicht zu vergessen die in allen Stilen überzeugende Band mit dem Schlagwerker Florian Lauer, den für die Saiten verantwortlichen Dietrich Zöllner und den Komponisten des Abends Jens-Karsten Stoll an den Tasten.
Rainald Grebe inszeniert Baron Münchhausen als Revue
Hier wird Revue gespielt. Nach einem schnell durchschaubaren dramaturgischen Prinzip: Zum einen werden einzelne Kapitel der berühmten Geschichten solistisch vorgelesen oder erzählt und dabei von einem der Mitspieler akustisch mit einem Instrumentarium aus Eimern, Kokosnüssen, Bürsten oder Telefonbüchern untermalt. Ernsthaftigkeit wird mit Witz unterwandert und im Anschluss noch einmal mit den Mittel des Puppentheaters nachgespielt.
Dann versorgen uns immer wieder zwei Mitglieder einer fiktiven Münchhausengesellschaft mit biografischen Fakten aus dem Leben des wahren Barons Münchhausen. Zum dritten versucht Grebe der einen oder anderen Wahrheit hinter den Lebenslügen unserer Zeit auf die Schliche zu kommen. Solchen im großen Ganzen der Gesellschaft oder denen im kleinsten Kreis zwischen Mann und Frau – Stichwort Beziehungslüge.
Mehr zu Theater in und bei Dresden
Mehr Tempo und Witz als tiefgründige Gedanken
Das Spiel läuft schnell auf Hochtouren. Wenn Ahmad Mesgahra auf einer Kanonenkugel aus dem Schnürboden herbeischwebt und in bester Musikantenstadl-Manier seinen Münchhausen Hit mit dem Refrain "Ja, das kann nur einer, sonst kann das keiner" singt, klatscht das Publikum begeistert im Takt. Das hat Tempo, Witz und Hintersinn für eine gute Stunde.
Der Abend dauert aber knapp zwei Stunden und kommt allmählich ins Schlingern. Weil er zum einen dramaturgisch durchschaubar wird und sich ein Riss auftut: Zwischen den originalen und fein in Szene gesetzten Texten aus den Abenteuern des echten Barons und dem, was Grebe sich als zeitgenössische Reflexionen selbst ausgedacht hat. Am ehesten noch auf Augenhöhe sind die fortgesetzten Lügen-Szenen einer Ehe, die immer wieder von Ahmad Mesgarha und Anna-Katharina Muck eingestreut werden, was aber vor allem der spielerischen Klasse der beiden geschuldet ist.
Kabarettist Grebe überzeugt als Regisseur
Wenn sich dann aber zwei Kanoniere mit Argumenten aus der Vorurteilen unserer zerrissenen heutigen Gesellschaft beballern, fliegen eher hohle Geschosse durch die Gegend. Und auch wenn eine junge IT-Kriegerin aus einer Putin'schen Troll-Fabrik ins Spiel kommt, löst das erkenntnistechnisch eher ein Schulterzucken als irgendein Aha-Erlebnis aus. Da hätte man schon etwas mehr ins Detail gehen müssen. Da schlägt Münchhausen Grebe klar nach Punkten. Als Regisseur weiß sich der allerdings zu behaupten, nicht zuletzt wegen seiner spielfreudigen Mannschaft.
Angaben zum Stück
"Baron Münchhausen"
von Rainald Grebe
Staatsschauspiel Dresden
Theaterstraße 2
01067 Dresden
Mit Felix Bronkalla, Leonie Hämer, Sven Hönig, Tilla Kratochwil, Ahmad Mesgarha, Anna-Katharina Muck, Klaus-Dieter Werner
Live-Musik von Florian Lauer, Jens-Karsten Stoll, Dietrich Zöllner.
Aufführungen:
Montag, 17. Oktober 19:30 Uhr
Montag, 24. Oktober 19:30 Uhr
Donnerstag, 3. November 19:30 Uhr
Sonntag, 20. November, 19 Uhr (Mit Audiodeskription)
Mehr Theater in Sachsen
Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 14. Oktober 2022 | 12:10 Uhr