Zwei Personen blasen Kondome wie Luftballons auf.
"Bromance" am Landestheater Eisenach erzählt von zwei 16-jährigen Jungs aus der Provinz. Bildrechte: Christina Iberl

Theater "Bromance" in Eisenach: Ein Stück übers Coming-out in der Provinz

21. April 2023, 20:43 Uhr

"Bromance" am Landestheater Eisenach erzählt die Geschichte von zwei machohaften Teenager-Freunden in der Provinz. Doch als der eine sein Coming-out als Schwuler erlebt, stellt das die Freundschaft auf die Probe. Ein Stück über Queerness, Diversität und Geschlechter-Stereotype, das eine spannende Sicht auf diese Themen bietet – aber leider etwas zu klischeehaft geraten ist, findet unsere Kritikerin.

Abnabelung von den Eltern, verbotene Sachen machen. Die erste Liebe, der erste Liebeskummer. Das große Hadern mit sich und der Welt. Die Jugend ist geprägt von intensiven Gefühlen und Erfahrungen. Die Identität ist währenddessen ein fragiles Konstrukt, das Selbstbewusstsein sehr von außen abhängig: Finden mich die anderen cool? Wer zusätzlich aus der Reihe tanzt, weil er in irgendeiner Form nicht der scheinbaren Norm entspricht, hat es noch schwieriger.

Mit diesem Thema beschäftigt sich "Bromance" am Landestheater Eisenach, eine Produktion des Jungen Schauspiels. Das Theater zeigt das Stück des niederländischen Regisseurs und Theaterautors Joachim Robbrecht als deutschsprachige Erstaufführung.

"Bromance" erzählt von 16-jährigen Jungs in der Provinz

"Bromance" erzählt die Geschichte von zwei besten Freunden: Bo und Tim, 16 Jahre alt, die irgendwo in der Provinz leben. Die Kumpels wollen sich lieber früher als später in die Abenteuer des Lebens stürzen und die Welt erobern. Bisher besteht ihre Realität aber vor allem aus Plattenbauten, Energydrinks und Langeweile. In den Gesprächen geht es vor allem um Mädchen und Sex, zu dem es natürlich nie kommt. Je machomäßiger die Sprüche, desto besser. Beleidigt wird mit "Du Schwuchtel".

 Zwei Personen sind kurz davor, sich zu küssen.
In der Eisenacher Inszenierung werden die Jungs von Frauen gespielt. Bildrechte: Christina Iberl

Eine Freundschaft wird auf die Probe gestellt

Dann taucht ein neuer Junge im Ort auf: Jonas, der aus Berlin kommt und anders ist. Er spricht nicht nur übers Kiffen, sondern kifft tatsächlich. Außerdem geht er sprayen. Und das Wichtigste: Er braucht keine Mädels-Geschichten, um sich zu profilieren und cool zu sein. Tim und Bo sind beeindruckt – aber auf unterschiedliche Weise. Bo ist verunsichert, fühlt sich zu noch mehr Macho-Gehabe provoziert, Tim wird nachdenklich und fühlt sich immer mehr zu Jonas hingezogen. Es entwickelt sich eine Liebesgeschichte. Bo hat das Gefühl, es tun sich Fronten ihm gegenüber auf.

Eisenacher Inszenierung stellt Entwicklung der Figur Bo in den Mittelpunkt

Eifersucht, Zerwürfnis und später Versöhnung – die Handlung ist vorhersehbar. Die Szenen wirken teilweise etwas konstruiert. Gefühle und Konflikte entstehen vor allem durch den Text, weniger im Spiel. Auch das lässt die Charaktere streckenweise recht klischeehaft wirken, den gesamten Abend etwas lehrbuchhaft.

Spannend ist dagegen, dass nicht Tim, der sein Coming-out erlebt, mit seiner Geschichte in den Mittelpunkt rückt, sondern Bo. Die am wenigsten souveräne Figur lässt den Zuschauer am meisten an ihren Gefühlen, der inneren Zerrissenheit partizipieren. Denn: Zum einen hat Bo gelernt, dass "Du Schwuchtel" eine Beleidigung ist. Zum anderen will er seinen besten Freund Tim nicht verlieren und spürt: Tims Homosexualität verändert nichts an der Freundschaft.

Person mit Cappy auf einer Bühne, im Hintergrund wird ein Bild mit Garagen und Platten an die Wand projiziert.
"Bromance" in Eisenach ist die deutsche Erstaufführung des Stücks von Joachim Robbrecht. Bildrechte: Christina Iberl

Jungs werden von Frauen gespielt

Das Stück nimmt ganz offensichtlich Bezug auf politische Diskussionen: hinterfragt Geschlechter-Stereotypen, bricht die heteronormative Geschlechterordnung auf. Der Regisseur Klaus Köhler hat dazu entschieden, die drei Figuren mit Schauspielerinnen zu besetzen. Möglicherweise ein Versuch, die Geschlechterkategorien ganz aufzulösen.

Eine weitere Deutungsebene, die dem Abend aber eher im Weg steht. Wenn die Schauspielerinnen sich betont breitbeinig hinsetzen und betont lässig in den Schritt fassen, wirkt das etwas überzogen und lenkt vom Inhalt ab.

Drei Personen hocken nebeneinander und reden, im Hintergrund ist ein Wohnhaus zu sehen.
"Bromance" hinterfragt die heteronormative Geschlechterordnung. Bildrechte: Christina Iberl

Dennoch ist es eine gute Stückwahl des Eisenacher Landestheaters. "Bromance" in Eisenach zu zeigen, ist etwas anderes, als sich in Berlin oder Hamburg dafür zu entscheiden. Die politischen Verhältnisse in Thüringen sind bekannt – Queersein wird von einem nicht unerheblichen Teil der Gesellschaft mindestens kritisch gesehen. Die Jugend direkt zu adressieren, um für mehr Toleranz zu werben und die einfache Botschaft: lass jeden lieben, wen er will – ist ganz sicher noch nicht abgenutzt.

Informationen zum Stück

"Bromance"
Junges Schauspiel des Landestheaters Eisenach
Von Joachim Robbrecht

Besetzung:
Lisa Störr (Tim), Friederike Fink (Bo), Lenn Ghandour (Jonas)

Regie und Bühne:
Klaus Köhler

Premiere war am 20. April 2023

Weitere Termine:
Dienstag, 25. April 2023, 10 Uhr, Großes Haus
Mittwoch, 31. Mai 2023, 10 Uhr, Großes Haus

Eine Person sprayt an eine Wand, u.a. ist ein Anarchie-Symbol zu sehen.
"Bromance" nimmt Bezug auf aktuelle politische Diskussionen. Bildrechte: Christina Iberl

Redaktionelle Bearbeitung: Hendrik Kirchhof

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 21. April 2023 | 13:10 Uhr