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Die steigenden Kosten sind für das Mittelsächsische Thater in Freiberg kaum zu bewältigen. Bildrechte: IMAGO / Sylvio Dittrich

Prekäre FinanzenInflation und gestiegene Tarife: Theater Freiberg-Döbeln fehlen drei Millionen Euro

31. Mai 2023, 07:34 Uhr

Auch das Mittelsächsische Theater Freiberg-Döbeln hat – wie viele Theaterhäuser in Deutschland – mit steigenden Personal- und Sachkosten zu kämpfen. Dabei sind die Einnahmen besser als noch vor der Corona-Pandemie. Das Theater konnte sich zunächst noch mit Rücklagen helfen, doch nun fordert die Leitung eine neu ausgerichtete Förderpolitik vom Land Sachsen.

von Michael Bartsch, MDR KULTUR

Wenn das Mittelsächsische Theater gegenwärtig mit wachsender Sorge auf seine Kostenbelastung schaut, hat das nichts mehr mit Folgen der Corona-Kultur-Lockdowns zu tun. Im Gegenteil: Intendant Sergio Raonic Lukovic schwärmt geradezu von der aktuellen Zuschauerresonanz, die die Zeiten vor der Pandemie übertrifft. "Für das wachsende Interesse sprechen die Kooperationsvereinbarungen mit Schulen, sprechen 800 neue Abonnements im 'Jungen Theater'", freut er sich besonders über den Publikumsnachwuchs.

Finanzen: Einnahmen decken nicht die Ausgaben

Die verbesserten Eigeneinnahmen aber decken im günstigsten Fall auch nur ein Fünftel der Ausgaben. Die enormen Kostenaufwüchse können sie trotz guter Wirtschaftsführung nicht ausgleichen.

Geschäftsführer Hans-Peter Ickrath berichtet sogar von einer kleinen Rücklage infolge eingesparter Produktionskosten während der Corona-Zwangsschließungen. Nur dank dieser Reserve schlägt man in Freiberg nicht sofort Alarm, wie es Intendant Daniel Morgenroth vom Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau schon im April tat. Falls nicht bald Zuschusserhöhungen zugesagt werden, drohe an der Neiße noch in diesem Jahr die Insolvenz.

Gestiegene Kosten in Freiberg und Döbeln

Die auf viele Theater zurollende Welle neuerlicher Kostenbelastungen hat überall die gleichen Ursachen. Zunächst hatten sich vor einem Jahr Bühnenverein und Gewerkschaften auf die überfällige Anhebung der Mindest- und Einstiegsgagen an öffentlichen Bühnen verständigt. Dann begannen im Vorjahr der Energiekostenanstieg und die kriegsbedingte Inflation zu drücken. Im April dieses Jahres kam der Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst noch obendrauf.

Allein der vereinbarte Inflationsausgleich von 3.000 Euro kostet das Mittelsächsische Theater eine halbe Million Euro mehr, rechnet Geschäftsführer Hans-Peter Ickrath vor. Kostete das Mittelsächsische Theater 2019 noch insgesamt 11,3 Millionen Euro, wird der Etat bis 2025 auf mehr als 14 Millionen ansteigen müssen. "Ohne Zuschusserhöhungen geht es natürlich nicht", folgert er.

Kulturpakt in Sachsen reicht nicht mehr

Zuschussgeber des Mittelsächsischen Theaters sind die beiden Städte Freiberg und Döbeln, der Landkreis Mittelsachsen, der Kulturraum und der Freistaat Sachsen. An sie ergeht Ickraths Aufruf, "denn der Kostenaufwuchs ist niemals mit Einsparungen oder Eintrittspreiserhöhungen aufzufangen".

Eine sächsische Besonderheit ist der so genannte Kulturpakt. 2018 hatten sich Land und Kommunen zu einer Flächentarifangleichung für Kulturraumtheater und -orchester verpflichtet. 13 Millionen Euro kostete dieser Ausweg aus den über 20 Jahre geltenden Haustarifen damals.

Im aktuellen Landeshaushalt hat der Freistaat zwar seine Kulturpaktmittel aufgestockt. "Aber die bisherige Dotierung reicht nicht aus", stellt Geschäftsführer Ickrath fest. Also wird auch in Mittelsachsen schon wieder über eine Rückkehr zum Haustarif nachgedacht.

Warum nicht mehr Staatstheater in Sachsen?

Probleme, die die beiden Dresdner Staatstheater (Staatsschauspiel und Semperoper) nicht kennen. Ein wenig Neid auf deren stetig wachsende und nie infrage gestellte Ausstattung schwingt bei Intendant Lukovic schon mit. "Es gibt auch Theater, bei denen man fragen muss, worin der Unterschied zwischen einer Landesbühne und einem Kreis- oder Stadtteater noch besteht", gibt er zu bedenken.

Theater-Intendant Sergio Raonic Lukovic fordert eine andere Zuschuss-Politik für Sachsen. Bildrechte: Stefan Leitner/Mittelsächsisches Theater

In Bayern seien in den vergangenen zwei, drei Jahren die Theater in Augsburg, Nürnberg und Regensburg zu Staatstheatern hochgestuft wurden. "Der Einsatz von Markus Söder war schon sehr interessant", will der Intendant auch in Sachsen eine Debatte anstoßen.

Im Landkreis und bei den städtischen Gesellschaftern wird bereits anerkannt, dass das Theater bei neun Spielstätten quasi wie ein mittelsächsisches Landestheater agiert. Freibergs Oberbürgermeister Sven Krüger lobt das schon 1789 gegründete Theater. "Das Theater ist ein Schatz in unserer Stadt. Gutes Theater aber haben wir nur, wenn auch die Mitarbeiter gut bezahlt werden. Für mich wäre ein Haustarif nur das letzte aller Mittel", stellt der OB eine Zuschusserhöhung durch den Stadtrat in Aussicht.

Intendant Lukovic lobt wiederum das Verhältnis zur Stadtverwaltung und spricht von einem "hervorragenden Klima". "Ein Abbau der Qualität kommt für unsere Gesellschafter nicht infrage!"

Zuversicht, aber neue Finanzierungsdebatte

In Mittelsachsen ist also noch vorsichtiger Optimismus hinsichtlich einer Zuschusserhöhung zu spüren. Aber auch der Freistaat dürfe nicht ganz aus der Verantwortung entlassen werden, heißt es. Und so könnte ein halbes Jahr nach der Verabschiedung des sächsischen Doppelhaushaltes 23/24 erneut eine Diskussion um die Landeskulturausgaben beginnen.

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 31. Mai 2023 | 07:10 Uhr