Corona und Krieg Steffen Mensching: So haben die Krisen das Theater verändert

Vor drei Jahren wurde der Welt der Ausnahmezustand erklärt: Das Coronavirus löste eine weltweite Pandemie aus. Auch das Theater Rudolstadt hat gleich reagiert: Vorstellungen und Proben wurden abgesagt. Mit einigen Schwierigkeiten ist das Theater inzwischen wieder im Regelbetrieb. Doch die Gesellschaft hat sich verändert. Und auch der Krieg wirkt sich aus. Das erzählt Steffen Mensching, Intendant des Theaters Rudolstadt.

Drei Personen auf der Bühne: Ein mit einer Corona-Gesichtsmaske, einer mit Helden-Umhang, einer im Fußballer-Outfit.
Mit "Ellenbogen Ellenbogen" hat das Theater Rudolstadt schnell thematisiert. Bildrechte: Anke Neugebauer

MDR KULTUR: Sie gehörten zum Team "Vorsicht", auch im Interesse des Publikums. Für Sie immer noch das richtige Team?

Steffen Mensching: Wie heißt das andere Team, was da mit uns gespielt hat? Das wäre dann vielleicht das Team "Leichtsinn" oder das Team "Risiko". Da habe ich mich beim Team "Vorsicht" besser gefühlt. Das war einfach praktikabel. Wir haben unsere Zuschauer geschützt. Wir haben versucht, unsere Belegschaft zu schützen und irgendwie halbwegs betriebsfähig zu bleiben.

Steffen Mensching 8 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Wir hatten auch Kontakt mit den Kliniken in unserer Region und wir wussten die sind am Limit. Wir haben mitgeholfen mit einfachen Arbeiten. Wir haben auch versucht, das Gesundheitswesen nicht zu überlasten. Insofern war das nicht nur eine egoistische Entscheidung für unsere Leute sondern für das gesamte System.

Wie blicken Sie heute auf diese Zeit zurück?

Man kann natürlich vieles, was damals an Maßnahmen durchgeführt wurde, skeptisch sehen oder anzweifeln, ob das in dieser Härte notwendig war. Keiner wusste damals, wohin die Reise wirklich geht, welche Entwicklung zu erwarten sind, wie man die ganze Sache stoppt oder in den Griff kriegt. Im Nachgang ist es einfach, sich bessere Wege vorzustellen. Im Großen und Ganzen war es für unsere Region und für unseren Betrieb die richtige Maßnahme, zu stoppen, Proben abzubrechen und Vorstellungen abzusagen. Wir waren als Kulturschaffende, die subventioniert sind, auch in einer privilegierten Situation.

Ich sehe die Zeit nicht nur negativ. Ich weiß auch, wie sehr Leute sich geholfen haben, welche solidarischen Mechanismen da wieder aufgetaucht sind, mit welcher Bereitschaft man Kollegen, die krank wurden, mit Lebensmitteln versorgt hat, wie man in den Kliniken gearbeitet hat. Die Gesellschaft hat damals vielleicht auch begriffen, dass es doch einen starken öffentlichen Sektor braucht – im Gesundheitswesen, im Bildungswesen und so weiter. Das sind Erfahrungen, aus denen hätte man sehr viel mehr Potenzial schöpfen können nach Corona.

Blich auf das Rudolstädter Theatergebäude.
Während des Lockdowns wurde auch das Ensemble in Kurzarbeit geschickt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die Pandemie ist vorbei. Dafür ist nun Krieg in der Ukraine und die Energiekosten steigen. Auch das Publikumsinteresse ist noch lange nicht dort wieder angekommen, wo es einmal war. Wie sieht das bei Ihnen aus?

In der vergangenen Saison hat es sich schwierig angelassen wie in allen Theatern. Doch inzwischen höre ich Positives vom Besucherservice. Zurzeit ist es weniger eine Folge der Pandemie, was die Leute bremst, als die gesamtgesellschaftliche Situation beziehungsweise der Krieg. Das lähmt.

Wir haben als Gesellschaft zurzeit schwere Nöte, Perspektiven aufzuzeigen, wohin die Reise geht. Ängste und Bedrohung überwiegen. Da ist man nicht so sehr bereit, in den Diskurs zu gehen, mit anderen nachzudenken, wie man Gesellschaft besser machen kann. Aber auch es ist wieder ein Bedürfnis da, dass die Leute etwas miteinander erleben wollen, beieinander sein wollen, sich zueinander verhalten wollen.

Ein mann in einem weißen Schutzanzug und Mütze steht auf einer Bühne.
Mit "Der Tatortreiniger" will das Theater Rudolstadt zeigen, wie Dialog gelingen kann. Bildrechte: Anke Neugebauer

Mit welchen Stoffen beglücken Sie denn dann das Publikum, was wieder ein Gemeinschaftserlebnis haben möchte, im Theater?

Eine Erfahrung von Corona ist auch, dass sich die Gesellschaft stark polarisiert hat: die einen und die anderen, die verschieden auf diese Situation geblickt haben und andere Lösungsmöglichkeiten gesucht haben, die sie vielleicht nicht durchsetzen können. Mit dem Krieg ist es nun wieder ähnlich. Theater hat die Funktion, dort vermittelnde Gespräche im Gang zu halten. Das scheint mir zurzeit eine zentrale Aufgabe für die Kultur insgesamt in unserem Land zu sein: Kommunikation, die abzubrechen droht, aufrechtzuerhalten.

Das Gespräch führte Moderator Thomas Bille für MDR KULTUR. Das Gespräch wurde gekürzt und redaktionell bearbeitet.
Redaktion: Thilo Sauer

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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 10. März 2023 | 08:10 Uhr