Beispiel Leipzig und Chemnitz Freiheit und Unsicherheit: Streit um Verträge am Theater
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Wer am Theater arbeitet, hat ungewöhnliche Dienstzeiten und verdient meist nicht viel Geld. Technische Angestellte oder Orchester-Mitglieder kämpfen deswegen immer für gute Tarif-Verträge. Doch Solistinnen und Solisten hatten bisher einen schlechten Stand. Nach Eklats in Naumburg und Leipzig kam neue Bewegung in die Debatte: Die Mindestgagen wurden erhöht. Ein ebenso großes Problem für junge Künstlerinnen in Sachsen sind aber auch die befristeten Verträge, wie ein Beispiel zeigt.

Louise Debatin ist im vierten Jahr ihrer Schauspielausbildung an der Kunsthochschule in Zürich. Zurzeit steht sie in Chemnitz auf der Bühne als Teil des dortigen Schauspielstudios. Eine wichtige Erfahrung – nicht nur, weil sie zum ersten Mal mit einem großen Ensemble arbeitet, sondern auch, weil sie ein Jahr lang erlebt, was eine Festanstellung am Theater bedeutet: lange Arbeitszeiten, wenig Privatleben und häufiges Umziehen.
Denn die bei Schauspielerinnen und Schauspielern begehrten Verträge an einer Bühne sind grundsätzlich zeitlich begrenzt. In der Regel gelten sie nur für ein Jahr. "Nichtverlängerung", heißt das im Fachjargon. Sie soll der künstlerischen Leitung eines Hauses die Möglichkeit geben, sich von Ensemble-Mitgliedern relativ problemlos zu trennen. Und zwar auch dann, wenn die Gründe eher subjektiv, also künstlerisch, begründet sind. Louise Debatin ist gerne am Theater, aber die negativen Seiten des Berufs lasten auf ihr. Eigentlich wünscht sie sich mehr Sicherheit.
Streit am Schauspiel Leipzig
Damit ist sie nicht allein. Am Schauspiel Leipzig kam es im vergangenen Jahr zum Eklat: Zwei Schauspielerinnen, die vom Intendanten nicht verlängert wurden, protestierten gegen die Entscheidung. Teile des Ensembles solidarisierten sich, vorübergehend kam es zu Hausverboten. Noch ist keine Lösung gefunden, der Streit um die Verträge landet möglicherweise vor Gericht.
Gut so, sagt Lisa Jopt, die junge Chefin der Bühnengewerkschaft GDBA. Eine Erhöhung der Mindestgage von 2.000 auf 2.715 Euro hat sie bereits durchgesetzt, nun will sie auch die Zeitverträge ändern. Denn die, so Jopt, laden zum Machtmissbrauch durch die Intendanten ein: Eine Nichtverlängerung künstlerisch zu begründen, sei so gut wie unmöglich und werde daher kaum hinterfragt. Unliebsame Ensemblemitglieder kann man so schnell loswerden.
Für die Künstlerinnen und Künstler würde das bedeuten, dass sie in ständiger Angst lebten. Ein System, das einfach nicht mehr zeitgemäß sei. Dem widerspricht Marion Schmitz vom Bühnenverein: Kunst lebe von Veränderung, die zeitlich begrenzten Verträge seien bereits ein Kompromiss.
Was künstlerische Freiheit bedeutet – in Leipzig und Chemnitz
Die Sängerin Lisa Janke war zehn Jahre an der Oper Leipzig engagiert. Im Sommer kam ein neuer Intendant und ließ ihren Vertrag auslaufen. Tatsächlich ist das ein ganz normaler Vorgang: Eine neue künstlerische Leitung will eben auch neue künstlerische Impulse setzen – mit neuen Leuten. Wer das Pech hat, nicht schon länger als 15 Jahre ohne Vertragsunterbrechungen am Haus zu sein, muss damit rechnen, seinen Arbeitsplatz zu verlieren.
Für Lisa Janke war es ein emotionaler Schock – obwohl sie damit gerechnet hatte. Auch sie fände es gut, wenn künstlerisch Beschäftigte bessere Perspektiven hätten. "Ich bin die Künstlerin, die ich sein will, wenn ich Sicherheit habe", sagt sie. Janke ist wegen ihrer Familie in Leipzig geblieben und arbeitet inzwischen freiberuflich. Auch Louise Debatin überlegt, ob sie sich wirklich an ein Haus binden will. Die Sorge, dass sie nach einigen Jahren nicht mehr gewollt ist, sei einfach zu groß.
Redaktionelle Bearbeitung: Thilo Sauer
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 16. Februar 2023 | 22:10 Uhr