Besprechung Blutige Tragödie: Shakespeares "Antonius und Kleopatra" in Leipzig

Mit William Shakespeares "Antonius und Kleopatra" legt die ehemalige Hausregisseurin Claudia Bauer ihre letzte Arbeit in Leipzig vor. Die Tragödie um Krieg, Macht und Sex inszeniert sie in grobem Kolonialstil – und mit viel Kunstblut. Auch wenn Teresa Schergaut und Patrick Isermeyer, die das berühmte antike Paar verkörpern, vor allem in stillen Momenten schauspielerisch überzeugten, haben die 90 Minuten Hochdruck-Theater unseren Kritiker am Ende nicht überzeugt.

Zwei Personen in einer Badewanne voller Kunstblut.
Shakespeares Klassiker "Antonius und Cleopatra" ist vorläufig die letzte Arbeit von Claudia Bauer am Schauspiel Leipzig. Bildrechte: Rolf Arnold

Man soll ja nie "nie" sagen, aber vorerst hat sich das Kapitel Claudia Bauer am Leipziger Schauspiel erledigt. Die ehemalige Hausregisseurin Claudia Bauer legt mit "Antonius und Kleopatra" ihre letzte Arbeit in Leipzig vor. Aus Protest gegen den Leitungsstil von Intendant Enrico Lübbe im Zusammenhang mit der Kündigung und dem erteilten Hausverbot für zwei, im Ensemble sehr beliebte Schauspielerinnen, hat sie diesen Job bekanntlich freiwillig aufgegeben. Was schade ist, denn in den vergangenen Jahren war sie eine sehr prägende Regisseurin, die mit ihren Arbeiten auch für die überregionale Reputation des Theaters gesorgt hat. Zwei der vier Einladungen, die sie zum Berliner Theatertreffen bekommen hat, betrafen Leipziger Inszenierungen.

Bauer verabschiedet sich mit Shakespeare vom Schauspiel Leipzig

Zum Abschied gibt es Shakespeares "Antonius und Kleopatra" in einer personell radikal eingedampften Version. Sind im Besetzungszettel des Originals über 30 Rollen aufgelistet, stehen bei Claudia Bauer nur zwei Personen auf der Bühne: Teresa Schergaut und Patrick Isermeyer.

Auf einem Palast im Gartenhäuschen-Format werden die Gesichter zweier Menschen projiziert.
Die Kulisse für "Antonius und Kleopatra" in Leipzig ist ein Palast im Gartenhäuschen-Format. Bildrechte: Rolf Arnold

In weißen Frotteebademänteln geben die vor einem Palast im Gartenhäuschen-Format erst mal eine Art Absichtserklärung in Sachen politischer Korrektheit ab. Dass sie mit dem, was sie jetzt gleich spielen keinerlei Form von Aneignung ausüben wollen. Ihren Partner als Mensch und mit seinem Geschlecht anerkennen, natürlich auch in seiner Religion und dass man sich, wenn es zur Darstellung von Geschlechtsverkehr oder Petting-Situationen kommt, unbedingt an die vorgegebene Choreographie halten wird. Der junge Mann hat sich extra noch – mit negativem Ergebnis – auf Geschlechtskrankheiten untersuchen lassen. Seine Bühnenpartnerin bedankt sich höflich und im Publikum gibt es die ersten Lacher.

Krieg, Gewalt, Drogen – eine 90-minütige Tour de Force

Aber der Ernst der Lage am Theater ist vielleicht schon ein anderer. Stöbert man auf der Webseite des Schauspiels Leipzig, kann man dort einen Link zu "sensiblen Inhalten des Stücks" finden und lesen: "In 'Antonius und Kleopatra. Eine Shakespeare-Installation im Kolonialstil' werden Krieg, Waffengewalt, sexualisierte Gewalt, Drogenmissbrauch und Suizid thematisiert. In der Inszenierung kommt Kunstblut zum Einsatz und es fallen Schüsse."

Zwischen zwei Personen mit römischem Helm sitzt eine Puppe, die an Marilyn Monroe erinnert.
Das Shakespeare-Stück handelt von der Liebesbeziehung zwischen der ägyptischen Königin Kleopatra und dem römischen General Marcus Antonius. Bildrechte: Rolf Arnold

Wer sich vor drastischen Darstellungen solcher Dinge fürchtet oder gar ekelt, der sollte sich das Ganze lieber nicht anschauen. Denn auch wenn der Einstieg ins eigentliche Spiel ein schön sensibler gegenseitiger Entkleidungsakt – ganz ohne nackte Haut – ist, sind die Beiden sehr schnell drin in der Hau-Drauf-Ästhetik, der sich Claudia Bauer hier verschrieben hat. Nach ihrer gut 90-minütigen Tour de Force brauchen sie eine ausgiebige Dusche. Die Kostüme kann man größtenteils nur noch wegschmeißen und das Bühnenbild muss vor der nächsten Vorstellung am besten von einem Tatortreiniger aufgearbeitet werden.

Shakespeare-Tragödie in Leipzig überzeugt nicht

Was will das Tohuwabohu erzählen? Zum einen erfahren wir ein bisschen historischen Hintergrund, das bildet. Es werden Parallelen zwischen heutiger und vergangener blutiger Kriegssinnlosigkeit aufgezeichnet und die Rolle der Frau in mächtiger Spitzenfunktion hinterleuchtet.

Ohne diesen Mummenschanz aus vollen Rohren hätte es ein richtig schöner Abschiedsabend von Claudia Bauer werden können.

Wolfgang Schilling, MDR KULTUR-Theaterkritiker

Der Kolonialstil wird mehr oder weniger vom Zeitgeist diktiert. Benin-Bronzen sind keine zu sehen, aber der am Ende obsiegende römische Kaiser Octavian trägt Kolonialhelm und soll mit seinem schwarz-weiß-rotem Ordenskreuz an der Brust wohl ein bisschen deutschnational ausschauen. Man sieht's und denkt sich seinen Teil über 90 Minuten Hochdruck-Theater, das, zumindest mich, im Herzen kalt lässt. Was schade ist, weil die Beiden auf der Bühne gut spielen können. Was sie vor allem in den wenigen leisen Momenten, die ihnen vergönnt sind, unter Beweis stellen. Ohne diesen Mummenschanz aus vollen Rohren hätte es ein richtig schöner Abschiedsabend von Claudia Bauer werden können.

Angaben zum Stück

Antonius und Kleopatra
Eine Shakespeare-Installation im Kolonialstil
Ein Projekt von Claudia Bauer, Patrick Isermeyer und Teresa Schergaut
Deutsch von Frank Günther

Diskothek des Schauspiel Leipzig
Eingang Bosestraße/Ecke Dittrichring
04109 Leipzig

Nächster Termin:
23. April, 20 Uhr

(Red. Bearbeitung: Valentina Prljic)

Theater in Leipzig und Umgebung

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 17. April 2023 | 08:40 Uhr