Regie-Debüt Wiederaufnahme: "La Bohème" von Maler Markus Lüpertz in Meiningen

Neo Rauch in Bayreuth oder Georg Baselitz in München: Bei der Kritik kam es in den vergangenen Jahren nicht unbedingt gut an, wenn bildende Künstler sich am Genre Musiktheater versuchten. Das hat das Staatstheater Meiningen aber nicht davon abgehalten, es auf die Spitze zu treiben – Malerstar Markus Lüpertz hat beim Opernklassiker "La Bohème" 2021 nicht nur Bühnenbild und Kostüme entworfen, sondern auch die Regie übernommen. Nun wird die Inszenierung mit neuen Terminen wieder aufgenommen.

Markus Lüpertz sitz alleine, mit einem Gehstock in der Hand, in den Zuschauerrängen, neben ihm ein Plan
Bildrechte: Marie Liebig

Markus Lüpertz hat sich in seinem über 80-jährigen Leben künstlerisch durchaus ausgetobt. Er hat Gedichte geschrieben, Kirchenfenster gestaltet und sich mit seinen neo-expressionistischen Bildern in die oberste Riege zeitgenössischer deutscher Künstler gemalt. Doch ein Lebenstraum blieb ihm lange verwehrt: das Inszenieren einer eigenen Oper. Das hat sich im Dezember 2021 geändert, als er in Meiningen mit "La Bohème" die große Bühne bekam: "Ich bin kein Bühnenbildner, ich bin kein Regisseur. Ich bin ein Bildermaler. Und von dieser Idee des Bildermalens gehe ich aus. Ich versuche, mit diesem Apparat Oper ein Bild zu malen!", so Lüpertz vor der Premiere.

Ein Bühnenbild ganz anders als "Tatort"

"La Bohème" als klingendes Bild auf der Bühne – durchaus passend für einen Maler, der sich selbst schon des Öfteren als Bohemien bezeichnet hat. Und der, so wie ja auch die Protagonisten in Puccinis Oper, als junger Mann in den 50er-Jahren Not hatte, sich von seiner Kunst zu ernähren.

 Markus Lüpertz bei der Probe, er trägt einen Hut und einen Mantel und schaut freundlich in die Kamera
Markus Lüpertz bei einer Probe in Meiningen. Bildrechte: Marie Liebig

Für Lüpertz spielte das bei der Auswahl des Werks aber keine Rolle, er wehrt sich gegen jedwede Form von realen Bezügen. Alles, was auf der Bühne zu sehen sei, sei von ihm erfunden, betont er. Und grenzt sich vom modernen Regietheater ab: "Das Ganze ist mehr einem Kasperletheater ähnlich als der heutigen Bühne. Ich mag es einfach nicht, wenn Inszenierungen immer aussehen wie der Tatort im Fernsehen. Das geht mir auf den Wecker."

Und so singen Lüpertz' Protagonistinnen und Protagonisten nach vorne, zum Publikum hin. Im Stehen. "Ich will nicht, dass sie gehen wie man geht, dass sie singen, wie sie singen", so der Maler, "Ich will, dass sie ein ganz bestimmtes Ritual einhalten." Es solle ein bestimmter Reigen getanzt werden, der bei den großen Arien vorne an der Bühne ende: "Damit sie wirklich die Musik feiern können. Dass die Farben, die sie darstellen, singen."

Requisiten und Kostüme aus dem eigenen Pinsel

Ein Bild von verschiedenen Kostümen, die auf einer Stange hängen
Verschiedene Kostüme auf einer Kleiderstange. Bildrechte: Marie Liebig

Lange vor der Premiere Mitte Dezember 2021 war Lüpertz in Meiningen, von früh bis spät leitete er die Proben und arbeitete im Malsaal, denn auch Bühnenbild und Kostüme stammen von ihm. Die Gewänder sind schlicht und sackartig, sie wurden von ihm bemalt. Und auch die Requisiten sind nicht etwa dreidimensionale Gegenstände, sondern durchweg gemalt. Ein Wagen ist nicht schlicht ein Wagen, sondern ein Pappaufsteller, auf den ein Wagen aufgemalt wurde.
Ein Konzept, das laut Theaterintendant Jens Neundorff von Enzberg aufgeht: "Ich bin immer wieder beeindruckt, mit welcher Kreativität, aber auch Schnelligkeit Lüpertz in der Lage ist, Dinge visuell sichtbar zu machen!“

Der Unterschied zu Neo Rauch

Den Intendanten und den Maler verbindet eine langjährige Freundschaft, sie haben bereits in Bonn und Regensburg zusammen gearbeitet. Neundorff von Enzberg traute Lüpertz zu, dass er die Herausforderung Regie meistern wird.

Markus Lüpertz und Jens Neundorff von Enzberg sitzen gemeinsam in den Zuschauerplätzen und betrachten die Bühne
Markus Lüpertz und Jens Neundorff von Enzberg Bildrechte: Marie Liebig

Dennoch betonte er, dass "La Bohème" kein Freifahrtschein sei. Lüpertz arbeite mit einem erfahrenen Co-Regisseur zusammen, der seine Vorstellungen in konkrete Handlungsanweisungen für die Bühne übersetze. Nach anfänglichen Schwierigkeiten habe man sehr produktiv zusammengearbeitet. Neundorff von Enzberg zeigte sich zuversichtlich, dass dieses Opernexperiment besser ausgeht als diejenigen von Neo Rauch oder Georg Baselitz: "Ich glaube, im Unterschied zu den beiden anderen Künstlern bleibt Lüpertz auf eine sehr spezielle Art und Weise seinen Möglichkeiten treu und versucht gar nicht, etwas zu imitieren, was er vielleicht nicht aus dem Handwerk heraus kann."

Mehr zur Inszenierung Staatstheater Meiningen
Bernhardstr. 5, 98617 Meiningen

Die Premiere war am 10. Dezember 2021.

Wiederaufnahme-Termine:
Dienstag, 20. Dezember 2022, 19:30 Uhr
Sonntag, 25. Dezember 2022, 18 Uhr
Sonntag, 5. Februar 2023, 15 Uhr
Donnerstag, 9. Februar 2023, 19:30 Uhr
Montag, 10. April 2023, 15 Uhr

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 27. November 2021 | 08:45 Uhr

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