Nach RomanvorlageDie Poetik des Körpers: Ballett "Lydia" wird in Magdeburg uraufgeführt
Am Theater Magdeburg feiert am Samstag eine besondere Inszenierung Premiere: Das Ballett "Lydia" des Choreografen Philippe Kratz ist vom gleichnamigen Roman der Magdeburger Vormärz-Autorin Louise Aston inspiriert. Dieser erzählt die Geschichte einer unkonventionellen Frau und Vordenkerin eines neuen Frauenbildes. Mit der Inszenierung versucht Kratz, die im Roman verhandelten Themen um Macht und Kraft mit Mitteln des Tanztheaters auf die Bühne zu bringen.
Allein das Sujet dieser Ballett-Uraufführung – der Roman "Lydia" – ist ein echter Coup. Denn die Autorin Louise Aston ist eine grandiose Wiederentdeckung. 1814 bei Halberstadt geboren, wird sie mit 17 Jahren gegen ihren Willen nach Magdeburg verheiratet. Sie provoziert durch einen extravaganten Lebensstil – wird zur Vordenkerin eines neuen Frauenbildes und schreibt Romane und Gedichte. Und die waren letztlich der Ausgangspunkt für den in Leverkusen geborenen Gastchoreografen Philippe Kratz, wie er selbst erzählt.
"Meine Mutter hat mir als Kind immer Gedichte vorgelesen, und ich weiß, wir hatten eine Audiokassette von Lutz Görners, ein Kölner Rezitator, die hat er zusammen mit Katja Ebstein erstellt. Die hieß 'Lyrikerinnen' und da gab es ein Gedicht von Louise Aston", so Philippe Kratz. Er habe die Kassette rauf und runter gehört und als es dann darum ging, ein Thema für die Kreation in Magdeburg zu finden, sei ihm Louise Aston wieder eingefallen.
Roman über Feminismus und Intrigen
Der Roman heißt "Lydia", wurde zur Zeit des Vormärz', also genau vor 175 Jahren, in Magdeburg veröffentlicht und schildert das Grundgefühl einer Frau, die zu modern für ihre Zeit denkt und nicht in die sie umgebende Gesellschaft passt. Letztlich ginge es um Feminismus und Intrigen, sagt der 38-jährige Choreograf, wobei er sich mehr für die dahinter verborgenen Machtstrukturen interessiere.
"Es ging mehr um Macht und Kraft und auch um den Anschein von Sachen, also wie sich jemand gibt, das wäre dann auf den Roman bezogen und wie sich der Raum darstellt, eigentlich unerschließbar, das wäre dann unsere Umwälzung auf den Bühnenraum", erklärt er. Heißt, Kratz setzt das Thema nicht erzählerisch wie in einem Handlungsballett um, sondern sucht den Spannungsbogen durch die Bewegungen im Raum. Sichtlich beeinflusst durch tanztheatrale Elemente, sowie von Modern und Street Dance, geht es in seiner Choreografie weniger um ein Narrativ, als um Dynamik und sich dadurch ergebende Kräfteverhältnisse.
Poetik des Körpers steht bei Kratz im Mittelpunkt
"Es geht darum: Wie kann ich mich mit dem Körper ausdrücken? Das heißt, wie weich kann ich mich bewegen, wie hart kann ich mich bewegen? Es geht viel um abstoßen und anziehen. Wie weit kann eine Bewegung sein, wie eng, wie sensibel kann ich sein, meinem Körper gegenüber?", erläutert Kratz.
In meiner Tanzsprache ist mir das Wichtigste, die Poetik des Körpers in den Vordergrund zu stellen.
Philippe Kratz, Choreograf
Inspiriert von der italienischen Kompagnie Aterballetto, in der er über Jahre getanzt und auch choreografiert hat, setzt Kratz auf Improvisation und eine starke Zusammenarbeit mit dem Ensemble. Dafür nimmt er sich bei den Proben viel Zeit mit den Tänzern, die eher klassisch ausgebildet wurden, wählt aber auch eine außergewöhnliche Musikkombination. Sie hätten zwei Musikarten ausgewählt, die sich extrem stark gegenüberstehen, einmal die Musik von Lucrecia Dalt, experimentelle elektronische Musik, und dem gegenüber die 60. Sinfonie von Haydn, mit Auszügen, die in der zweiten Hälfte des Stückes überarbeitet mit dem Stück von Anna Clyne, einer britischen Komponistin wieder anzutreffen sind. "Das Stück heißt Sound and Fury und ist echt eine Kraftmaschine", so Kratz.
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Minimalistisches Bühnenbild
Gerade die schnellen Rhythmuswechsel dieser eigenwilligen Musik unterstützen die Kontraste, mit denen Kratz gerne arbeitet und die auch in Bühne und Kostümen Ausdruck finden.
Es geht um expressive Bewegung. Das heißt also um den ganzen Range, den der Körper hat, etwas stark oder schwach oder lieb oder eben aggressiv darzustellen.
Philippe Kratz, Choreograf
"Ich glaube, man trifft diese Härte, vielleicht ein bisschen in den Kostümen und im Bühnenbild wieder, die sind sehr minimalistisch, mit starken Farben und in der Härte auch der Gruppenformation vielleicht, und wie sie den Raum beherrschen."
So erkennt man schon in den Proben: Es ist der Versuch, Tanz nicht nur in seiner Ästhetik auf der Bühne zu zeigen, sondern neue Wege des Ausdrucks zu suchen. Was bereits gelang. In der Choreografen-Szene gilt Philippe Kratz bereits als Hoffnungsträger, er wurde 2020 als Choreograf des Jahres ausgezeichnet. Unlängst hatten seine Stücke in der bayrischen Staatsoper und der Mailänder Skala Premiere. Nun eine Uraufführung in Magdeburg.
Weitere Informationen:"Lydia"Tanzstück von Philippe Kratz, Musik von Joseph Haydn u. a. wird gemeinsam mit "Le Sacre du Printemps" (Ballett von Edward Clug) aufgeführt.
Opernhaus
Universitätsplatz 9
39104 Magdeburg
Aufführungen:
Samstag, 11. Februar, 19:30 Uhr, Opernhaus (Premiere)
Sonntag, 19. Februar, 16 Uhr, Opernhaus
Samstag, 25. Februar, 19:30 Uhr, Opernhaus
Sonntag, 5. März, 18 Uhr, Opernhaus
Freitag, 31. März, 19:30 Uhr, Opernhaus
Freitag, 7. April, 19:30 Uhr, Opernhaus
Sonntag, 30.April, 18 Uhr, Opernhaus
Samstag, 20. Mai, 19:30 Uhr, Opernhaus
Choreografie: Philippe Kratz
Bühne: Giulia Munari
Kostüme: Costanza Maramotti
Lichtdesign: Giulia Maria Carlotta Pastore
Dramaturgie: Sarah Ströbele
Redaktionelle Bearbeitung: Lilly Günthner
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 11. Februar 2023 | 07:40 Uhr