Premiere"Re-member" am Puppentheater Magdeburg: Fadenspiel über das Verbundensein
Der Titel des Stücks "Re-member" ist ein Wortspiel – aus den englischen Worten für erinnern und Mitglied. Die Inszenierung am Theater Magdeburg handelt davon, dass wir uns daran erinnern sollen, dass wir nur ein Teil eines komplexen Systems sind. Das Stück feierte am 12. April Premiere und konnte mit dem Preisgeld des Theaterpreises des Bundes, der 2019 nach Magdeburg ging, realisiert werden. Das Puppentheater hat zudem mit dem Théâtre de l’Entrouvert in Frankreich zusammengearbeitet.
Es sind die Fäden, die das Stück zusammenhalten: Da hängen Puppen an Fäden und Spielkreuze an Schnüren. Fäden laufen über Umlenkrollen, werden gespannt zwischen oben und unten, zwischen Mensch und Material. Das Magdeburger Puppentheater orientiert sich in dieser Inszenierung an der Idee des Fadenspiels, erklärt Dramaturgin Petra Szemacha:
"Man kennt es vielleicht noch aus der Kinderzeit, wo man diese Fäden zwischen zwei Händen hat, ein paar Bewegungen macht und dann ergibt sich ein anderes Muster. Das Gegenüber nimmt die Fäden ab und spielt weiter, bis man nicht mehr weiterkommt. Das ist ein Spiel und eine Form von Kommunikation."
Magdeburger Stück untersucht Verbindung von Mensch und Tier
Das Fadenspiel ist also eine Metapher für Kommunikation und über das Verbundensein. Denn darum geht es: eine Spurensuche zur Vernetzung von Mensch und Natur; unsere Sehnsucht, sich miteinander in Verbindung zu setzen und auch die Anstrengung, miteinander verbunden zu bleiben.
Diese Ideen sind angelehnt an den Ideen von Donna Haraway, die sich in mehreren Büchern mit der Beziehung zwischen Menschen und Tieren beschäftigte. "Das Spannende im Puppenspiel ist, dass genau solche Sachen dort permanent untersucht werden", erzählt Szemacha. "Es entstehen permanent Verbindungen."
Diese Verbindung zwischen Mensch und Umwelt wollte man untersuchen und sichtbar machen. Das Stück basiert daher nicht auf einer Textvorlage, sondern wurde in einem Workshop gemeinsam mit dem Ensemble entwickelt. Die Puppenspielerinnen und -spieler selbst sollten ihre ganz eigene Verbindung zur Welt des Lebenden und Nichtlebenden hinterfragen. Schließlich sind sie es, die den Figuren oder Objekten auf der Bühne Leben einhauchen.
Marionetten und Naturmaterialien auf der Bühne
Dafür habe man sich zwischen zwei grundsätzlichen Gruppen von Materialien entschieden: "Das eine sind Marionetten. Und zwar keine neugebauten Marionetten, sondern Marionetten aus unserer Figurenspielsammlung der Villa P.", sagt Szemacha. "Daraus wurden zwölf ausgewählt, die auch animiert und als Objekt eine Rolle spielen werden. Und die mit den Puppenspielerinnen und -spielern sowie gleichermaßen mit Naturmaterialien eine Verbindung eingehen. Das sind Naturmaterialien, die während des Workshops – vor mehr als zwei Jahren – gefunden wurden, zum Beispiel Birkenstämme, Moos oder Äste."
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Eigens komponierte Musik und Licht-Raum-Kunst
Tatsächlich liegen diese Birkenstämme zu Beginn noch reglos auf der Bühne – aber eben nicht leblos. Denn alsbald beginnen sie zu pendeln, zu schwingen, zu tanzen …
"Wer bewegt wen oder was?", fragt die Dramaturgin. "Sind es die Puppenspielerinnen, die das Material bewegen? Oder ist es vielleicht die Birke, die sich anlehnt an denjenigen und einen Tanz evoziert, der dann zu sehen ist?" Unterstützt wird dieser Tanz durch die speziell komponierte Musik von Pascal Charrier im Zusammenspiel mit dem Licht-Raum-Künstler Joachim Fleischer.
Magdeburger Inszenierung weckt Stimmungen
Er sorgt letztlich auch dafür, dass man die teils kleinsten Puppenköpfe auch von Ferne erkennen kann: "Hier ist es so, dass sich die Stimmung innerhalb der Produktion wandelt und dann wirklich jede Puppe einen Spot kriegt und sich die Qualität völlig ändert", beschreibt Fleischer seine Arbeit. "Das ist vielleicht auch überraschend, weil sich die Lichtqualität zu einer ganz anderen Stimmung wandelt. Da ändert sich auch die Farbqualität, gar nicht als Farbe im eigentlichen Sinne, sondern weißes Licht, das wärmer und kälter ist."
So wird am Puppentheater Magdeburg eben keine Handlung erzählt. Stattdessen geht es darum, Stimmungen und Assoziationen zu wecken. Im Zusammenspiel von Mensch und Material, Licht und Ton entstehen immer neue Bilder - teils irritierend, teils poetisch oder wunderbar absurd - wenn eben zum Beispiel ein Chor von Bäumen mit Menschen tanzt.
Weitere Informationen"Re-member"
von Élise Vigneron, Julika Mayer und Ensemble des Puppentheaters Magdeburg für Menschen ab 16 Jahren
Konzept, Regie und Kostüme: Élise Vigneron und Julika Mayer
Raum und Licht: Joachim Fleischer
Komposition und Sound Ensemble Shan
Mit: Luisa Grüning, Annina Mosimann, Freda Winter, Leonhard Schubert, Kaspar Weith
Adresse:
Puppentheater Magdeburg
Warschauer Straße 25
39104 Magdeburg
Termine:
22. September, 20 Uhr
23. September, 20 Uhr
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 12. April 2023 | 06:10 Uhr