Bande '23Wie Kinder in Magdeburg die Stadt der Zukunft kreativ entwickeln
Bande '23 – so heißt ein Kinderferienprojekt am Mageburger Schauspielhaus: Dort treffen sich gerade rund 80 Kinder im Alter von 8 bis 18 Jahren und setzen sich in einer Kunstprojektwoche mit ihrer Stadt auseinander: recherchieren die Vergangenheit, betrachten die Gegenwart und gestalten die Zukunft. Dabei wird höchst kreativ gemalt, gebastelt, genäht oder getanzt.
Welch besondere Atmosphäre in den heren Hallen des Schauspielhauses: geschäftiges Treiben auf und hinter den Bühnen, spielerisch-launig und durchdrungen von Kinderstimmen.
"Unsere Stadt ist im Weltall", sagt etwa der neunjährige Felix und zeigt voller Stolz sein Werk. Seit Montag gehört er zur Bande '23 und lässt mit Schere, Kleber, Buntpapier und kleinen Lichtern immer neue Häuser aus Karton entstehen. Im Nebenraum sitzen die zehn- bis 12-Jährigen an der Nähmaschine. "Wir machen eine Stadt der Zukunft, und zwar nähen wir sie aus Stoff", sagt die zehnjährige Ida und erläutert ihre durchaus visionäre Vorstellungen:
Fliegende Autos hätte ich gerne. Und es wäre auch schön, wenn nicht mehr so viele Abgase verbraucht werden und nicht mehr so viel Kleidung weggeschmissen wird. Und ich finde es auch cool, wenn da so hohe Türme sind und dann führen Brücken halt von einem zum anderen Turm.
Ida, Teilnehmerin von Bande '23
Kinder forschen und experimentieren in Magdeburg
Gedanken, die die Kinder beim Nähen, aber auch bei Exkursionen entwickelt haben. Denn das ist die Idee, sagt Karola Marsch, als künstlerische Leiterin: Die jungen Menschen mit Illustratoren, Bühnenbildern oder Choreographen zusammenzubringen, um gemeinsam zu forschen.
"Sie gehen auf Recherche. Sie haben sich eine Ausgangsfrage gestellt, zum Beispiel: Wie wollen wir unsere Stadt gestalten in der Zukunft? Was von dem finden wir vor, wie sie ist? Und wie finden wir heraus, ob das schon reicht, ob das gut ist oder was sich verändern soll? Oder: Wenn ein neuer Stadtteil in Ottersleben auf dem Intel-Gelände entstehen soll – was denken wir darüber?"
Das Magdeburger Theater als Versuchsanstalt
So experimentieren die rund 80 Kinder in unterschiedlichen "Laboren": Da gibt es den "Asphalt Lab", oder "Sounds und Stimme" aber auch "Mein Gedächtnis der Stadt". Letztere bevölkern gerade die Hinterbühne – ein Bereich, in dem man sonst nie sein darf, weil dort die wechselnden Bühnenbilder stehen. Und so geht es hier auch um die Prozesse des Werdens und Wandelns, etwa bei Margret, die gerade versucht, Plattenbauten umzugestalten: "Wir hatten gerade das Thema Zoo und probieren die Tiere in das Plattenhaus einzubinden, so dass es auch von außen hübsch aussieht."
Entstehen hier große Leinwände, wird es im Nachbarsaal gerade lauter – dort gibt es Aufwärmspiele. Denn hier schafft man ein "Archiv verlorengegangener Bewegungen". Dabei gehen Michelle und ihre Mitstreiterinnen raus in die Stadt und tanzen an außergewöhnlichen Orten. Heute waren sie mit Yogamatte im Dom und gestern auf der Hubbrücke. Dort haben die Mädchen den Besitzer getroffen.
Er hat uns viel über seine Brücke erzählt und Bewegungen, die dort auch stattgefunden haben, als sie noch in Funktion war, also in Betrieb. Und danach haben wir uns die Brücke selber genauer angeschaut, die Schriftzüge, die jemand da draufgekritzelt hat, und haben dann abstrakte Bewegungen dargestellt: wie wir zum Beispiel die Schrift sind oder wie sie gemalt wird und vom Regen verwischt wird.
Michelle, Teilnehmerin von Bande '23
Kultur-Tipps für Magdeburg
Das Theater als Erfahrungsraum
Alles wird diskutiert, aufgeschrieben und am Ende auch vorgetanzt, denn das ist das Ziel: eine gemeinsame Präsentation – aber, sagt Clemens Leander vom Leitungsteam am Schauspielhaus, nicht im Sinne eines perfekten Auftritts. Es gehe darum, einen Arbeitsstand zu zeigen, nicht darum, die Kinder etwas vorführen zu lassen, was Erwachsene sich vorher ausgedacht hätten und sie jetzt die ganze Woche üben müssten, um das in Perfektion wiederzugeben. Vielmehr ginge es darum, "dass sie wirklich erleben, wie nähere ich mich künstlerisch einem Thema, wie ist Kunst eine Möglichkeit, meine Lebensrealität zu beschreiben und dafür ein Ausdruck zu finden. Sozusagen diesen Moment einzufangen oder diesen Prozess darzustellen – darum wird es am Samstag gehen."
Kreativität für die Zukunft
Waren die Kids am Beginn der Woche noch eher schüchern, sind sie nun eher aufgeregt, aber durchaus auch präsentationswütig. Vor allem aber fühlen sie sich ernst genommen, glaubt die künstlerische Leiterin Karola Marsch: "Wir merken, dass sie sich in was hineinbohren können, in ein Thema, das ihnen ja jetzt auch nicht besonders zugänglich ist, aber ihnen zeigt: 'Du kannst etwas selber herausbekommen. Und es gibt Mittel, wie du Dinge über die Welt erfahren kannst, zu denen du dich dann ins Verhältnis setzt und deine Meinung dazu künstlerisch formulierst', – sie merken: es ist gewünscht und gefragt, was ich denke und wie ich mich dazu verhalte."
Also, keine Ferienbeschäftigungstherapie sondern tatsächlich die selten gewordene Gelegenheit, sich auf eine Sache zu konzentrieren und gemeinsam kreativ zu werden. Da hätte man wohl selbst gern einmal mitgemacht. So aber hat man das gute Gefühl, in freudig erregte Gesichter zu schauen.
Weitere Informationen"Bande ’23 – Abriss. Aufbruch. Eine Stadt entsteht"
Eine Kunstprojektwoche zum Mitmachen vom Theater Magdeburg und der Kunststiftung Sachsen-Anhalt
Zum Abschluss werden die Ergebnisse im Schauspielhaus präsentiert.
Adresse:
Kammer 1
Otto-von-Guericke-Str. 64
39104 Magdeburg
Termine:
11. Februar, 16 Uhr
(Redaktionelle Bearbeitung: Tina Murzik-Kaufmann)
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 10. Februar 2023 | 16:10 Uhr