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Thüringen: Seit einem Jahr ist Philipp Adlung Direktor der Meininger Museen – und plant Großes. Bildrechte: imago images/ari

InterviewWarum ein Deutsches Theatermuseum nach Meiningen gehört

Stand: 10. Januar 2023, 13:50 Uhr

Deutschland braucht ein Theatermuseum und zwar im thüringischen Meiningen, davon ist der neue Direktor der Meininger Museen, Philipp Adlung, überzeugt. Als Ursprung der deutschen Theaterkultur sei Thüringen und Meiningens Schloss Elisabethenburg dafür der ideale Ort.

MDR KULTUR: Im kleinen Meiningen denkt man groß und plant ein Deutsches Theatermuseum. Der Ort in Südthüringen ist eine absolute Theaterstadt. Bisher erinnert ein kleines Museum in Meiningen schon an diese Geschichte. Philipp Adlung, seit einem Jahr Direktor der Meininger Museen meint, das geht größer. Was genau schwebt Ihnen denn vor? Wie könnte dieses Deutsche Theatermuseum aussehen in ein paar Jahren?

Philipp Adlung: Es sind zwei Aspekte, die uns in diese Richtung bringen: Zum einen hat Deutschland aufgrund seiner Vielstaaterei historisch die wohl größte Theater- und Orchesterdichte weltweit. Die hat es unlängst sogar auf die nationale Liste für das immaterielle Unesco-Welterbe geschafft. Das andere ist, dass Theater eine flüchtige Kunst ist: der Moment der Faszination, der Aufführung, der Vorhang senkt sich – und diese Faszination kann schnell verfliegen. Hier kommt ein Museum ins Spiel. Ein Museum ist in der Lage, diese Faszination lebendig zu halten, Geschichte und Geschichten zu erzählen, aber vielleicht auch Perspektiven von Theaterkunst für die Zukunft aufzuzeigen. Das wäre genau die Herausforderung, die ein Theatermuseum leisten könnte und müsste. Ich bin wirklich der Meinung, dass in Meiningen da eine große Chance bestehen könnte für die Stadt selbst, aber auch für ganz Deutschland.

Wenn Sie es Deutsches Theatermuseum nennen, dann liegt die Vermutung nahe, dass es da nicht nur um die Meininger Theatergeschichte gehen soll. Mit welchen Häusern, die es bisher gibt, vergleichen sie sich?

Es gibt ja sogar ein Deutsches Theatermuseum in München, was im Wesentlichen aber eine Studiensammlung ist und nur ganz temporär überhaupt geöffnet ist, mit wechselnden Ausstellungen – also von einer permanenten Präsentation, kann man gar nicht reden. Danach natürlich die theaterwissenschaftlichen Sammlungen in Köln und dazu wir in Meiningen. Das sind die drei Bewahrer der Deutschen Theaterkunst und -kultur. Ich würde sehr schnell den Kontakt suchen wollen zu diesen beiden Einrichtungen. Denn es geht in der Tat um mehr als die regionale Theaterkunst, sondern um ein nationales Vorhaben.

Und welche Objekte aus ihrer Sammlung bisher würden sie dann in ihrem zukünftigen Theatermuseum sehen wollen? Und um welche Art von Objekten müsste es dann noch wachsen, um dem gerecht zu werden?

Auf jeden Fall würden wir aus unserem Fundus die Theatergeschichte ab etwa 1840 darstellen können, die ja von Meiningen ihren Ausgang nahm. Wir haben historische Theaterkulissen und Kostüme in ganz großer Anzahl. Wir sind eines der wenigen Häuser, das noch aus dem späten 19. Jahrhundert sehr viel Bühnendekoration hat und ganze Theaterbühnen selbst präsentieren könnte. Wir müssten natürlich den süddeutschen und den westdeutschen Theateraspekt einbeziehen, die norddeutsche Theaterkultur. Ich bin aber sehr sicher, dass wir da sehr schnell gute Gesprächspartner finden können. Überall, wo man in Theatern nachfragt: "Habt ihr noch zu welchen Inszenierungen noch irgendwelche Dinge", stößt man auf offene Ohren.

In Thüringen ist das Schloss Elisabethenburg die Wiege der deutschen Theaterkultur und damit der perfekte Ort für ein Deutsches Theatermuseum, findet der Meininger Museumsdirektor Philipp Adlung. Bildrechte: IMAGO / Steve Bauerschmidt

In München sitzt das Museum in einem Galerietrakt im Hofgarten. Wo könnte denn in Meiningen das neue Museum angesiedelt sein?

Der Ursprung der Meininger und damit die auch der Deutschen Theaterkultur ist nicht in dem berühmten Theatergebäude in der Bernhardstraße in Meiningen, sondern genau genommen im Schloss Elisabethenburg. In diesem Schloss sind die Ursprünge der Theaterleidenschaft der Herzöge zu finden, die selbst dort auf der Bühne standen, wo früh deutschsprachige Oper gemacht wurde. Dort hätten wir einen echten Nukleus für die Meininger und damit auch Deutsche Theatergeschichte.

Auf wen hoffen Sie denn da als Besucher? Das Meininger Publikum, das es jetzt schon gibt oder braucht das Haus dann mehr Besucher, um ein Erfolg zu werden? Und woraus sollte die Attraktivität kommen, die dann vielleicht bundesweite Ausstrahlung hat?

In Thüringen informiert das bisherige Theatermuseum in Meiningen über regionale Theatergeschichte. Bildrechte: imago images/H. Tschanz-Hofmann

Wir erleben ja jetzt schon, dass unser Museum und das Theater weitgehend von Auswärtigen besucht werden. Meiningen ist ein klassischer Sehnsuchtsort, wo Menschen gerne hinkommen, die sich für ein bestimmtes Thema – hier gerade eben Musik und Theater – interessieren. Der Anteil der Touristen ist jetzt schon sehr hoch. Meiningen hat einen schillernden Klang für Leute, die davon wissen. Ich finde aber, dass gerade in die sogenannte Provinz auch solche nationalen Einrichtungen einfach deshalb gehören, weil die Theater- und Orchesterlandschaft in Deutschland immer dezentral gewesen ist. Hier wurde in jedem kleinen Herzogtum Theater gespielt und Musik aufgeführt. Das ist ganz anders als in England oder Frankreich mit der Zentralisierung. Deshalb tun wir alle gut daran, dass so eine Einrichtung dann auch nicht etwa, wie sonst so häufig, in Hamburg, Berlin oder in München ihren Platz dauerhaft hat, sondern dass sie dann wirklich in der Provinz stattfindet, wo Theater in allerhöchster Güte gespielt wurde und gespielt wird.

Was sagt denn der Rest der Stadt zu ihrer Idee, zum Beispiel der Theaterintendant Jens Neundorff von Enzberg?

Es sind alle sehr angetan und begeistert von der Idee, weil sie im Grunde die inhaltliche Klammer für die kulturelle Ausrichtung dieser Stadt bilden kann. Es ist die Geschichte, die uns diese Argumente gibt, aber auch die Zukunft, die ganz klar für Meiningen im Theaterbereich und im Museumsbereich liegt. Wenn wir hier größer denken als bisher, haben wir große Chancen, die wir unbedingt nutzen sollten.

Das Gespräch führte Ellen Schweda für MDR KULTUR.
Redaktionelle Bearbeitung: Hanna Romanowsky

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 10. Januar 2023 | 06:15 Uhr