Neue Termine Meininger Staatstheater zeigt feministische Interpretation von "Kabale und Liebe"

Das Meininger Staatstheater zeigt Schillers leidenschaftliches Jugendwerk "Kabale und Liebe", das er 1784 auf der Flucht vor dem Herzog aus Württemberg im thüringischen Bauerbauch schrieb. Für die Produktion hat das Theater die junge Regisseurin Julia Prechsl aus Bayern engagiert, die in ihrem Portfolio schon den ein oder anderen Klassiker hat. Entstanden ist eine feministische Produktion, in der Frauen sich Handlungsspielräume erkämpfen, die so im Original eigentlich nicht eingeplant waren. Zu sehen bis März 2023.

Mehrere Personen stehen auf der Bühne, an den Seiten hängen lachsfarbene Vorhänge, Tücher in der selben Farbe liegen auf dem Boden.
Das Meininger Staatstheater zeigt Schillers "Kabale und Liebe" aus feministischer Perspektive. Bildrechte: Christina Iberl

Die unmögliche Liebe zwischen dem Präsidentensohn Ferdinand von Walter und der Stadtmusikantentochter Louise Miller aus Friedrich Schillers "Kabale und Liebe" wurde schon zig Male erzählt. Könnte es deshalb langweilig sein sich dem Stoff aufs Neue anzunehmen? Oder erzeugt die Tatsache möglicherweise besonderen Druck, originell zu sein?

Für Regisseurin Julia Prechsl trifft nichts von beidem zu. "Gerade, dass das Stück schon so oft gespielt wurde, schafft für mich eine künstlerische Freiheit", so die 30-Jährige. "Wenn die Handlung bekannt und damit recht schnell zu erzählen ist, kann ich mich darauf konzentrieren, meinen eigenen ästhetischen Zugang zu entwickeln".

Theater-Klassiker als Erweckungsmoment

Julia Prechsl, geboren im bayrischen Landshut, hat bis 2017 an der Theaterakademie August Everding in München Regie für Schauspiel und Musiktheater studiert. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als freie Theater-Regisseurin. Prechsl bemühte sich um abwechslungsreiche Spielzeiten. Wenn möglich ist ein klassischer Stoff, eine Adaption von Film oder Roman und ein Gegenwartstext dabei, sagt sie. Dennoch hätten die alten Klassiker für sie eine besondere Bedeutung: "Sie haben in der Schulzeit meine Faszination für das Medium Theater erweckt". Bis heute interessiere sie die Spannung, die beim Aufeinandertreffen alter Texte mit der Gegenwart entsteht.

ein Paar liegt sich gegenüber und schaut sich an, beide lächeln
Ferdinand (Jan Wenglarz) und Luise (Pauline Gloger) werden auch in dieser Inszenierung nicht ihr Happy End bekommen. Bildrechte: Christina Iberl

In den vergangenen fünf Jahren hat Julia Prechsl an verschiedenen Theaterhäusern gastiert, darunter am Staatstheater in Nürnberg und den Theatern in Regensburg und Münster. Inszeniert hat sie unter anderem Shakespeares "Was ihr wollt", Hebbels "Nibelungen" oder Schillers Erstlingswerk "Die Räuber". Über das Theater Münster ist der Kontakt zu Frank Behnke, der heute in Meiningen Schauspieldirektor ist, entstanden. Aus dem Meininger Theater heißt es, Julia Prechsl sei ganz gezielt als Regisseurin für die "Kabale und Liebe"-Produktion in Meiningen angeworben worden, um eine junge, weibliche Perspektive auf den Stoff sichtbar zu machen.

Bei Meiningen entstanden

Entstanden ist "Kabale und Liebe" kurioserweise in dem kleinen Dorf Bauerbach ganz in der Nähe von Meiningen. Der damals 23-jährige Schiller schrieb das Werk auf seiner Flucht vor dem Württembergischen Herzog Carl Eugen. Schiller, damals Militärarzt, hatte sich mehrfach unerlaubt vom Dienst entfernt. Der Herzog drohte ihm mit Festungshaft. Zudem war ihm ein Schreibverbot auferlegt worden, weil er zuvor mit "Die Räuber" für politischen Zwist gesorgt hatte. Rund ein halbes Jahr lebte Schiller daraufhin incognito in Bauerbach auf dem Gutshof einer befreundeten Familie unter dem Decknamen Dr. Ritter.

Ein Mann ist zu sehen, er trägt eine weiße altertümliche Perrücke und Kostüm, um ihn herum scheint alles dunkel zu sein, in der Hand hält er eine Art Lampe.
Die Kostüme und das Bühnenbild stammen von Anna Brandstätter. Bildrechte: Christina Iberl

Ganz "Sturm und Drang" epochentypisch malt der junge Schiller in "Kabale und Liebe" die Gefühlswelten seiner Figuren von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt. Das bürgerliche Trauerspiel rechnet mit der spätabsolutistischen Ständegesellschaft ab. Für Regisseurin Julia Prechsl hat das sinnbildlichen Charakter. Auch wenn die Gesellschaft heute weit durchlässiger sei als damals, reproduziere sie sich immer noch entlang verschiedener Unterdrückungsmechanismen, so die Regisseurin. "Die bestehende gläserne Decke zwingt Menschen auch heute noch dazu, zu bleiben, wo sie sind".

Feministisches Theater in Meiningen

In Prechsls Inszenierung in Meiningen liegt der Fokus auf dem Lebenskampf der jungen Frauen. Louise Miller auf der einen -, Konkurrentin Lady Milford, die Ferdinand eigentlich heiraten soll, auf der anderen Seite. Louise ihrerseits erkennt früh, dass das System nur Ferdinand eine zweite Chance geben würde. Sie, als Frau, hat durch die nicht standesgemäße Liebesbeziehung weit mehr zu verlieren, nämlich für immer als "Hure" gesellschaftlich geächtet zu werden.

Eine Frau steht lächelnd mittig auf der Bühne, ihr Kostüm ist in rot gehalten, im Hintergrund sieht man an der Decke einen Kronleuchter, die Szene erscheint in rotem Licht.
Lady Milford, gespielt von Larissa Aimée Breidbach, ist Luises scheinbare Gegenspielerin. Bildrechte: Christina Iberl

Ferdinand fehlt dieses Verständnis. Das macht ihr Liebesglück von vornherein brüchig. Auch Lady Milford, die scheinbare Widersacherin - die der Präsident von Walter benutzen will, um seine Macht abzusichern - erkämpft sich Handlungsspielräume, die in dem patriarchalen System so eigentlich nicht vorgesehen sind. Für Regisseurin Julia Prechsl sind es in "Kabale und Liebe" daher die Frauen, die die Geschichte schreiben: "Sie sind immer wieder der Motor, der bewirkt, dass sich etwas verändert." Dennoch bleibt die Katastrophe, wie es das bürgerliche Trauerspiel so will, in Schillers "Kabale und Liebe" nicht abwendbar.


Mehr Informationen zur Aufführung "Kabale und Liebe"
Drama in fünf Akten von Friedrich Schiller am Staatstheater Meiningen

Regie: Julia Prechsl
Ausstattung: Anna Brandstätter
Mitarbeit Bühne: Valentin Baumeister
Musik: Fiete Wachholtz
Mit: Stefan Willi Wang, Jan Wenglarz. Larissa Aimée Breidbach, Gunnar Blume, Anja Lenßen, Pauline Gloger, Miriam Haltmeier und Yannick Fischer

Neue Termine:
17.09.2022 I 19:30 Uhr I Großes Haus

30.10.2022 I 18 Uhr I Großes Haus

09.12.2022 I 19:30 Uhr I Großes Haus

05.01.2023 I 19:30 Uhr I Großes Haus

07.03.2023 I 10 Uhr I Großes Haus

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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 25. März 2022 | 12:10 Uhr

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