Theaterpremiere Schauspiel Leipzig überzeugt mit satirischem Kult-Werk "Meister und Margarita"
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Die Leipziger Regisseurin Claudia Bauer wurde mit ihrem letzten Stück "Süßer Vogel Jugend" gerade zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Jetzt holt sie Michail Bulgakows satirisches Kult-Werk "Meister und Margarita" ins Heute. Bei der Premiere am 8. März hat das Stück einen verdienten Sieg eingefahren, findet MDR KULTUR-Theaterkritiker Wolfgang Schilling.

Jahrelang war Michail Bulgakows Roman "Meister und Margarita", der die Überwachung in der Sowjetunion um 1930 kritisiert, verboten. Trotzdem – oder gerade deswegen – wurde der Text von der Leserschaft gefeiert. Die Erzählung lässt sich auch als satirische Faust-Interpretation lesen: Protagonist Voland ist der Teufel höchstpersönlich und bringt das Moskauer Stadtleben der 30er-Jahre durcheinander. Der titelgebende Meister tritt erst später auf: Ein Schriftsteller, der an einem Roman über Pontius Pilatus arbeitet. Titelheldin Margarita ist dessen Geliebte. Der Roman des Meisters über Pontius Pilatus (verantwortlich für die Verurteilung des Jesus von Nazaret) ist ein zweiter Handlungsstrang.
Man könnte es als Meister und Margarita reloaded bezeichnen.
An dieser Textgrundlage orientiert sich die Inszenierung von Regisseurin Claudia Bauer am Schauspiel Leipzig. Bauer wurde erst kürzlich mit ihrem letzten Stück "Süßer Vogel Jugend" zum Berliner Theatertreffen eingeladen. In einem Zeitungsinterview hatte sie Bulgakows Stoff als "Bibel des Ostens" bezeichnet. Ihre Umsetzung "könnte man als Meister und Margarita reloaded bezeichnen", meint MDR KULTUR-Theaterkritiker Wolfgang Schilling: "Claudia Bauer ist bekannt als eine bildgewaltige Regisseurin, die sich ihre jeweiligen Stoffe auf eine sehr spezielle Weise aneignet und dabei gern auf Maskerade setzt, Mummenschanz und grelle Bilder – ohne allerdings dabei den Urstoff aus dem Auge zu verlieren." So tauchen die bekannten Personen auf, die Handlungsorte Moskau und Jerusalem ebenso wie die parallelen Erzählstränge um Meister und Margarita neben Pontius Pilatus. Thematisch bewegt sich die Erzählung aber eher im Hier und Heute; die Stalinzeit der 30er-Jahre interessiert Bauer kaum.
Intelligenter Theaterspaß
Das Bühnenbild spiegelt den Publikumssaal. Zum Anfang blicken die Schauspielerinnen und Schauspieler von ihren gespiegelten Plätzen zum tatsächlichen Publikum und überreichen Beschimpfungen: "Das Stück driftet aus dieser 'Theater auf dem Theater Situation', in der auch die Kritiker-und Insider-Gilde in der Reihe Neun ihr Fett abkriegt, fast unbemerkt ab zu Bulgakow," so Theaterkritiker Schilling.
Wenn 1.000 Leute einen Monat lang etwas behaupten, sind es Fake-News. Wenn eine Milliarde es 2.000 Jahre tut, nennt es sich Religion.
Der Teufel wird in der Inszenierung "Woland" genannt (im Unterschied zum "Voland" bei Bulgakow) und ist ein intelligenter Dandy, gespielt von Dirk Lange. Rappend äußert er sich zum Zustand unserer Welt: "Wenn 1.000 Leute einen Monat lang etwas behaupten, sind es Fake-News. Wenn eine Milliarde es 2.000 Jahre tut, nennt es sich Religion."
Livemusik mit einem Hauch von Punk-Revue
Musikalisch wird der Abend von der schrillen, Volksbühnen-versierten Entertainerin Christin Nichols am Bass und dem Hamburger Paul Pötsch mit E-Gitarre und allerlei elektronischen Sounds gestaltet. "Sie verleihen dem Abend einen untergründigen Drive und letztlich auch einen Hauch von Punk-Revue", erzählt MDR KULTUR-Theaterkritiker Wolfgang Schilling begeistert. Immer wieder ertönt das Lied "I'm a creator, I'm a destroyer", das den teuflischen Woland charakterisiert.
Am Ende fehlt etwas
Ausschließlich beeindruckt bleibt Theaterkritiker Schilling aber nicht: "Der Abend hat seine Betriebstemperatur. Das macht Spaß. Aber nach zwei Dritteln beginnt der Motor nach meinem Empfinden zu stottern und das ganze verliert an Fahrt." In dem zweieinhalbstündigen Stück ist viel Handlung unterzubringen: Die zentrale Liebesgeschichte zwischen dem titelgebenden Meister und seiner Margarita beispielsweise.
Daneben noch die Geschichte um Pontius Pilatus und Jesus' Kreuzigung. "Das ist laut und bunt und grell, aber nicht mehr von der Hinter- und Untergründigkeit, die einen bis dahin gefesselt hat. Beim Fußball würde man von einem verdienten Sieg sprechen. Bei dem zum Ende hin leider nicht mehr so furios gezaubert, sondern auf Ergebnissicherung gespielt wurde. Aber auch so holt man drei Punkte", beurteilt Theaterkritiker Schilling das Stück nach der Premiere.
Beim Fußball würde man von einem verdienten Sieg sprechen.
Mehr Infos zum Bühnenstück "Meister und Margarita"
Nach dem Roman von Michail Bulgakow
Regie: Claudia Bauer
Bühne: Andreas Auerbach
Kostüme: Vanessa Rust
Live-Musik: Christin Nichols (Prada Meinhoff), Paul Pötsch (Trümmer)
Dramaturgie: Matthias Döpke
Licht: Veit-Rüdiger Griess.
Besetzung:
Julia Preuß, Thomas Braungardt, Julius Forster, Wenzel Banneyer, Tilo Krügel, Dirk Lange, Anna Keil, Roman Kanonik, Christin Nichols, Paul Pötsch, Bewegungschor Meister und Margarita
Die nächsten Aufführungstermine:
28. April, 19.30 Uhr
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 09. März 2020 | 08:40 Uhr