Reaktionen Nach Aufhebung der Hausverbote am Schauspiel Leipzig: Schauspielerinnen reagieren mit Klarstellung
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Nachdem die Verträge der Ensemblemitglieder Julia Preuß und Katharina Schmidt nicht verlängert wurden und sie ein Treffen von Mitarbeitenden ohne Theater-Leitung organisieren wollten, durften die beiden Schauspielerinnen das Schauspiel Leipzig nicht mehr betreten – bis jetzt. Denn am Donnerstag hat das Theater die Hausverbote mit sofortiger Wirkung zurückgenommen. In einer Klarstellung reagierten die beiden Schauspielerinnen auf die Entscheidung des Schauspiel Leipzig.

Das Schauspiel Leipzig nimmt die Hausverbote für Julia Preuß und Katharina Schmidt zurück. Das gab das Theater in einer Pressemitteilung am Donnerstag bekannt. Die Entscheidung gelte mit sofortiger Wirkung. Beide Ensemblemitglieder hätten demnach die Möglichkeit, ihre bereits erarbeiteten Rollen weiter zu spielen.
"Ich hoffe, dass wir mit diesem Schritt und in weiteren, bereits für die kommenden Tage und Wochen angekündigten Gesprächen in unterschiedlichen Formaten, aufeinander zugehen und in einen konstruktiven Dialog treten werden", erklärte Enrico Lübbe laut Mitteilung. Seine Aufgabe als Intendant sei es, für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine produktive und angenehme Arbeitsatmosphäre am Schauspiel Leipzig zu schaffen.
Laut Pressemitteilung hatten Theaterleitung und Personalrat den beiden Schauspielerinnen ihre Bereitschaft zu Gesprächen angeboten. Die Gespräche mit dem Ziel, die Hausverbote aufzuheben, hätten Donnerstag stattfinden sollen. Sie seien von den Schauspielerinnen aber aus unterschiedlichen Gründen abgesagt worden, heißt es. Vorherige Angebote der Theaterleitung, ausgewählte Vorstellungen am Haus weiterzuspielen, seien nicht angenommen worden.
Julia Preuß und Katharina Schmidt reagieren mit Klarstellung
Inzwischen haben die betroffenen Schauspielerinnen Julia Preuß und Katharina Schmidt mit einer Klarstellung reagiert. Diese Klarstellung vom 22.12.2022 liegt MDR KULTUR vor. Darin äußern Preuß und Schmidt Freude über die Rücknahme des Hausverbots. Zugleich stellen sie klar, dass es sich bei den "Angeboten der Theaterleitung" um "Abwicklungsverträge" gehandelt habe. Mit der Unterschrift unter diese Verträge hätten sie unwiderruflich in die Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse eingewilligt.
Die Darstellung der Schauspielleitung, sie hätten Gespräche mit dem Ziel die Hausverbote aufzuheben, abgesagt, sehen die Schauspielerinnen als "lückenhaft" an. Sie ergänzen, dass Gespräche u.a. krankheitsbedingt abgesagt wurden. Zudem hätten sie die Rücknahme des Hausverbots und der Freistellung als Grundlage gemeinsamer Gespräche vorausgesetzt.
Die Klarstellung im Wortlauf
Wir, die vom Hausverbot und der Freistellung betroffenen Schauspielerinnen des Schauspiels Leipzig Julia Preuß und Katharina Schmidt, freuen uns darüber, dass die Leitung des Schauspiels Leipzig gemäß Mitteilung des KBB vom heutigen Tag das gegen uns verhängte Hausverbot und die uns gegenüber ausgesprochene Freistellung für die laufende Spielzeit 2022/2023 zurückgenommen hat. Hierfür haben wir uns seit Anordnung dieser Maßnahmen eingesetzt.
Wir möchten bezüglich der vom Schauspiel Leipzig verfassten Mitteilung zur sofortigen Rücknahme des Hausverbots vom 22.12.2022, jedoch noch einige Anmerkungen machen. Wir betonen ausdrücklich, dass wir hiermit lediglich auf die vom Schauspiel Leipzig veröffentlichte Mitteilung vom 22.12.2022 reagieren und nicht von uns aus aktiv die Öffentlichkeit suchen. Durch das einseitige Pressestatement befürchten wir allerdings die nachhaltige Schädigung unseres Rufes, weswegen wir zur Reaktion gezwungen sind und um Klarstellung bitten:
In der Mitteilung heißt es:
"Seit dem 7. Dezember hatten Julia Preuß und Katharina Schmidt Angebote der Theaterleitung vorliegen, ausgewählte Vorstellungen am Haus weiterzuspielen. Beide haben diese Angebote bisher nicht angenommen."
Hierzu stellen wir klar:
Dieses "Angebot" wurde uns in Form eines Abwicklungsvertrags unterbreitet. Die Aufhebung des Hausverbots hätte mit Abschluss des Abwicklungsvertrages auf Proben- und Vorstellungszeiten beschränkt werden sollen. Der uns vorgelegte Abwicklungsvertrag enthielt die Verpflichtung, die uns gegenüber ausgesprochenen Nichtverlängerungen zu akzeptieren und auf Rechtsmittel hiergegen zu verzichten. Mit der Unterschrift unter diesen Vertrag hätten wir unwiderruflich in die Beendigung unserer Arbeitsverhältnisse eingewilligt. Das wollten wir nicht, weshalb wir das "Angebot" abgelehnt haben.
In der Mitteilung heißt es weiter:
"Zuletzt hatten Theaterleitung und Personalrat des Schauspiel Leipzig den Schauspielerinnen Julia Preuß und Katharina Schmidt ihre Bereitschaft zu Gesprächen mit dem Ziel angeboten, die Hausverbote aufzuheben. Diese Gespräche sollten am heutigen Donnerstag stattfinden, wurden von den Schauspielerinnen aber aus unterschiedlichen Gründen abgesagt."
Auch hier sehen wir den Vorgang lückenhaft dargestellt und möchten hierzu ergänzen:
Katharina Schmidt hat die Gesprächseinladung u.a. krankheitsbedingt abgesagt. Wir beide haben der Theaterleitung klar gemacht, dass wir weitere Einladungen zu Gesprächen erst wieder annehmen möchten, wenn das Hausverbot und die Freistellung zurückgenommen werden. Zur Rücknahme des Hausverbots und der Freistellung haben wir keinen dringenden Gesprächsbedarf gesehen, weil die Rücknahme nach unserer Auffassung auch ohne ein erneutes Gespräch möglich war, wie dies schlussendlich ja auch geschehen ist.
Nach mehreren Wochen der erfolglosen Versuche, Herr Lübbe und die Betriebsleitung des Schauspiel Leipzig außergerichtlich dazu zu bewegen, die "Widerrufliche Freistellung" mit Hausverbot zurückzuziehen, erfolgte am Morgen des 20.12.2022 die Ladung vors Arbeitsgericht Leipzig um Ende Dezember per Eilverfahren einen Erlass der "widerruflichen Freistellung" zu erstreiten.
Die Bereitschaft zu einem Gespräch hat uns Herr Lübbe am Abend des 20.12.2022 per Mail angeboten.
Enrico Lübbe: "Als Intendant ist es meine Aufgabe, für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine produktive und angenehme Arbeitsatmosphäre am Schauspiel Leipzig zu schaffen. Ich hoffe, dass wir mit diesem Schritt und in weiteren, bereits für die kommenden Tage und Wochen angekündigten Gesprächen in unterschiedlichen Formaten, aufeinander zugehen und in einen konstruktiven Dialog treten werden."
Wir, als Mitarbeiterinnen am Schauspiel Leipzig begrüßen die Gesprächsbereitschaft des Intendanten und bieten ausdrücklich an, an den in den "kommenden Tagen und Wochen angekündigten Gesprächen in unterschiedlichen Formaten" teilzunehmen. Denn auch wir sehnen uns nach einem "konstruktiven Dialog" in einer nicht nur angenehmen, sondern vor allem angst- und druckfreien Atmosphäre, in der ein ehrlicher und kritischer Austausch erlaubt und erwünscht ist und der vor allem, keine Konsequenzen für unsere Kolleg*innen zu bedeuten hat.
Desweitern wünschen wir uns von Herrn Lübbe und der Betriebsleitung des Schauspiel Leipzig eine öffentliche Entschuldigung.
Dies kann ein weiterer Schritt zu einer "produktiven und angenehmen Arbeitsatmosphäre" sein. Eine Entschuldigung, die zeigt, dass die sofortige Rücknahme der Hausverbote keine rein taktische Entscheidung ist, sondern ein ehrliches Einsehen der gemachten Fehler beinhaltet.
Julia Preuß & Katharina Schmidt
Nach Angaben von Preuß und Schmidt erfolgte die Rücknahme der Hausverbote an dem Tag, an dem es am Morgen eine Ladung vors Arbeitsgericht Leipzig gegeben habe. Weiter heißt es, Julia Preuß und Katharina Schmidt wünschen sich von Enrico Lübbe und der Betriebsleitung des Schauspiels eine öffentliche Entschuldigung als weiteren Schritt zu einer "produktiven und angenehmen Arbeitsatmosphäre". Solch eine Entschuldigung wäre für die beiden Schauspielerinnen ein Zeichen, dass die Rücknahme der Hausverbote keine "rein taktische Entscheidung" sei, heißt es in der Klarstellung. Sie befürworten den in der Pressemitteilung des Schauspiels angekündigten "konstruktiven Dialog" und kündigen an, sich daran zu beteiligen.
Eklat um Hausverbote am Schauspiel Leipzig
Die Hausverbote für Julia Preuß und Katharina Schmidt waren mit Wirkung zum 18. November ausgesprochen worden. Bekannt wurden die Maßnahmen und die Nichtverlängerung der Verträge der beiden Darstellerinnen erst Anfang Dezember durch einen Bericht des Leipziger Stadtmagazins "Kreuzer". Daraufhin hatte das Ensemble des Schauspiels Leipzig ein Statement veröffentlicht, in dem es die Rücknahme beider Entscheidungen forderte. Zuletzt ist Claudia Bauer aus Solidarität mit den beiden Schauspielerinnen als Hausregisseurin am Schauspiel Leipzig zurückgetreten.
Schauspielerin Sandra Hüller erleichtert über Hausverbots-Rücknahme
Die Hausverbote hatten bundesweit für Aufsehen gesorgt. Genauso wie nun deren Rücknahme: Die in Leipzig lebende Schauspielerin Sandra Hüller ("Toni Erdmann") und der Intendant des Schauspielhauses Bochum, Johan Simons, äußerten sich in einer gemeinsamen Erklärung erleichtert: "Wir sind froh, in Zeiten zu leben, in denen solche Vorgänge nicht mehr hinter verschlossenen Türen bleiben", heißt es darin. Die Hausverbote seien unverhältnismäßig gewesen. Deshalb begrüße man deren Rücknahme. "Es ist wichtig, dass wir als Theater unsere Strukturen selbstkritisch hinterfragen und dass wir miteinander für ein respektvolles Arbeitsklima sorgen. Darauf sollte sich das Publikum auch verlassen können, damit die Kunst im Zentrum stehen kann", so Hüller und Simons weiter. Sie äußerten sich vor Proben zu einer Koproduktion mit dem Schauspiel Leipzig. Das Stück "Der Würgeengel – Psalmen und Popsongs" hat am 3. März Premiere in Bochum und eine Woche später in Leipzig.
Quelle: Schauspiel Leipzig/Julia Preuß und Katharina Schmidt/MDR KULTUR. Redaktionelle Bearbeitung: Valentina Prljic, Hendrik Kirchhof, Hanna Romanowsky
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kulturnachrichten | 22. Dezember 2022 | 12:30 Uhr