Sebastian Weber Dance CompanyLeipziger Dance Company macht Stepptanz zur Gesellschaftskritik
Mit ihrer aktuellen Produktion "Bats" kommentiert die Sebastian Weber Dance Company die jüngste Geschichte: Die Fledermaus fungiert als Symbolbild für die Verknotung von Mensch und Natur und steht für den Beginn der Corona-Pandemie durch einen Biss. Die Tänzerinnen und Tänzer zeigen, welche Konsequenzen ein einzelner Flügelschlag für alle anderen Lebewesen auf der Erde haben kann. Die Company aus Leipzig wurde 2019 für ihre Produktion "Cowboys" mit dem Sächsischen Tanzpreis ausgezeichnet.
Gemeinhin wird Stepptanz ja als zwar oft virtuoses, aber eben auch bloßes Showelement wahrgenommen. Als nostalgische Reminiszenz an die Zeiten der großen Jazz-Bigbands und breiten Showtreppen. Eine Wahrnehmung, die die in Leipzig ansässige Sebastian Weber Dance Company gehörig torpedieren dürfte. Ein internationales Ensemble mit Tänzerinnen und Tänzern aus sieben Ländern, das seit seiner Gründung 2017 in seiner so kontinuierlichen wie konzentrierten Arbeit Stepptanz nicht nur als hochenergetische, sondern auch zeitgenössische Ausdrucksform begreift und weiterentwickelt; das die klassisch-rhythmische Unmittelbarkeit des Stepp in ein modernes, artifizielles Tanztheater überführt und sich dabei immer wieder auch gesellschaftsrelevanten Themen widmet.
"Bats", zu deutsch: "Fledermäuse", heißt die neue Produktion mit der die Company jetzt nicht nur aus langer coronabedingter Isolation auf die Bühne zurückkehrt, sondern auch gleich noch ihre bisher aufwendigste Inszenierung präsentiert: Einen künstlerischen Hybrid aus Medienkunst und Tanz, der sich thematisch der oft fatalen Wechselbeziehung zwischen Natur und Zivilisation widmet; der Hybris des modernen Menschen wie seiner daraus resultierenden gefährlichen Anfälligkeit, die sich in Pandemiezeiten als im wörtlichen Sinne "virulent" offenbart.
Modernes Tanztheater
"Der Stepp", so Sebastian Weber, "ist ja nicht nur eine Technik. Der Stepp hat ja auch seine eigene Wahrheit." Anfang der 90er-Jahre begann Weber seine Karriere als Stepptänzer. Und das maßgeblich dort, wo man wohl wirklich einfach mal hinmuss, wenn man diese Kunstform lernen will: Nach New York. Meister des Jazz-Tap, wie Chuck Green oder James "Buster" Brown wurden hier zu Lehrern und Mentoren Webers, der sich ob seiner hochaufschießenden, schlaksigen Erscheinung selbst als eine Art "Anti-Tänzertyp" beschreibt. Und dem es gleichwohl gelang, diese körperlichen "Nachteile" in Vorteile zu verwandeln – und das heißt, etwas zu finden und zu kreieren, was dann auch im Tanz nicht allzu häufig ist: Einen eigenen, unverwechselbaren Stil.
Das Unverwechselbare wurde dann auch zu einem Markenzeichen der Sebastian Weber Dance Company. Und wenn, wie Weber sagt, der Stepp seine "eigene Wahrheit" hat, so offenbart sich in jeder Produktion dieser Company auch immer ein Gutteil Wahrheitssuche. Denn so unterschiedlich inhaltlich-thematisch die einzelnen Produktionen ausgerichtet sein mögen, zeugen sie formal zugleich von einer Stringenz, die jeweils aufs Neue auszuloten sucht, bis wohin man Stepptanz ausreizen kann, ohne seine Wurzeln zu negieren.
Hochenergetisch, an der Grenze zur Science Fiction
Es ist auch diese latente Suchbewegung, der sich dann jene stets aufs Neue dynamischen, auspowernden und doch auch atmosphärisch-stimmigen Inszenierungen verdanken, für die die Weber Dance Company nicht nur Publikums- und Kritikerzuspruch erntet, sondern auch mit Preisen dekoriert wurde, zuletzt mit dem Sächsischen Tanzpreis. Für Weber alles kein Grund sich auszuruhen: "Die Company ist in einer Transformation, ist an der Schwelle zu einem umfangreicheren, komplexeren Unternehmen." Das Ziel neben der Kunst als solcher: Allen Interessierten verstärkt Angebote für Workshops, Showing-Formate, Steppkurse zu unterbreiten; ein Erkunden und Nahbringen dessen zu ermöglichen, was Tanz im Allgemeinen und Stepp im Speziellen ist und vermag.
Etwa eingefahrene Wahrnehmungen ins Wanken zu bringen. Was dann auch "Bats" verspricht. Ein Stück zwischen Archaik und Science Fiction, eine Choreografie, die durch reale und virtuelle Räume tanzt. Körper-Power in einem Dschungel aus Kameras und Screens. Stepp trifft auf zeitgenössisches Tanztheater. Hochenergetisch und artifiziell.
Termine der BATS Dance Company
Premieren-Wochenende im "Lofft – Das Theater" am 10 und 11. März 2023
Adresse:
Spinnereistraße 7, Halle 7
Leipzig 04179
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | Kultur Kompakt | 15. Oktober 2021 | 10:30 Uhr