"Ladies Football Club" Staatstheater Meiningen zeigt die Verbindung von Frauenfußball und Freiheit

Mit dem Ersten Weltkrieg erlebte der Frauenfußball in England einen Aufschwung. Während die Männer an der Front waren, eroberten die Frauen die Stadien. Damals ein Tabubruch. Das Stück "Ladies Football Club" von Stefano Massini erzählt, dass Selbstentfaltung nur in Abwesenheit der Männer funktioniert – leider in vielen Teilen der Erde immer noch aktuell. Und so kommt es am Schluss sogar so weit, dass das Ende des Krieges statt ekstatische Freude, gemischte Gefühle bei den Spielerinnen hervorruft.

Spielszene "Ladies Football Club" am Staatstheater Meiningen
"Ladies Football Club" am Staatstheater Meiningen Bildrechte: Christina Iberl

England im Jahr 1917. Eine Fabrik, in der Frauen Kriegsmunition herstellen. Das ist der Schauplatz des Stücks "Ladies Football Club" des italienischen Autors Stefano Massini, das das Staatstheater Meiningen in deutschsprachiger Erstaufführung zeigt. Massini beruft sich in seinem Stück auf wahre Begebenheiten. Englischen Arbeiterinnen fällt eines Tages zufällig eine Bombenattrappe vor die Füße, rund wie ein Ball, die eigentlich für Übungszwecke gedacht ist. Und der erste Schuss lässt nicht lange auf sich warten. Aus einem Spaß in der Mittagspause wächst schnell sportlicher Ehrgeiz und die Frauen gründen ein Team, den "Ladies Football Club". Ein Akt, der in der damaligen Zeit eine große Provokation, wenn nicht gar einen Tabubruch darstellte.

Fußball als Symbol für Freiheit

Die elf Frauenfiguren, die an diesem Abend die Meininger Bühne ganz für sich haben, sind eigentlich keine Revoluzzerinnen. Sie wissen sehr wohl, in welch verkappter Trinität sie sich aufzuhalten haben: Tochter, Ehefrau, Mutter. Aber was, wenn diejenigen, die dieses System von oben durchsetzen, abwesend sind? Für die Frauen tut sich durch den Krieg ein Vakuum auf, das am Ende die bittere Wahrheit verkündet: Selbstentfaltung geht nur, wenn die Männer nicht da sind. Der Fußball wird zum Symbol ihrer Befreiung.

Gemeinschaftlicher Erfolg auf dem Rasen

Spielszene "Ladies Football Club" am Staatstheater Meiningen
Emma Suthe in "Ladies Foootball Club" Bildrechte: Christina Iberl

Stefano Massinis Stück ist in Prosa verfasst. Die deutsche Übersetzung kommt auf 200 Seiten, in der Meininger Fassung sind es noch etwa 90. Auch ist ungewöhnlich, dass die Figuren über sich selbst in dritter Person sprechen. Das schafft automatisch eine Distanz zu und vor allem zwischen den Figuren. Erzählerische Überleitungen lässt die Schweizer Regisseurin Simone Blattner die Schauspielerinnen im Chor sprechen. Ein stilistisches Mittel, das rein äußerlich noch am meisten Nähe zwischen den elf Frauen schafft, die ansonsten eher aneinander vorbei sprechen (müssen). Als Chor verbinden sie sich und verschmelzen zu einem Gehirn – finden zu jener Kunst, auf der sich auch ihr gemeinschaftlicher Erfolg auf dem Rasen begründet.

Spielszene "Ladies Football Club" am Staatstheater Meiningen
Frauenfußball als Politikum: "LAdies Football Club" am Staatstheater Meiningen Bildrechte: Christina Iberl

Zu wenig Dialog auf der Bühne

Doch Blattner hat den Abend vor allem frontal inszeniert. Abgesehen von wenigen szenischen Einschüben folgt in der ersten Hälfte quasi ein Mini-Monolog auf den anderen. Die anekdotischen Erzählstränge beziehen sich dabei in der Regel nicht direkt aufeinander. Wenn eine Spielerin spricht, werden alle anderen zu Statistinnen.

Spielszene "Ladies Football Club" am Staatstheater Meiningen
Pauline Gloger in einer Szene von "Ladies Fottball Club" Bildrechte: Christina Iberl

Leidtragende dieser Aneinanderreihung von Solonummern sind die Schauspielerinnen selbst, die, so scheint es, reflexhaft versuchen über Pegel und Tempo künstlich Druck im Kessel zu halten. Das sieht nicht nur anstrengend aus, sondern fühlt sich auch aus Zuschauerperspektive anstrengend an. Dennoch schaffen es einige der Spielerinnen immer wieder aufzutauchen und gute Momente zu kreieren.

Das Ende des Krieges bringt gemischte Gefühle

Dass der Text durchaus pointiert und witzig geschrieben ist, wird erst ab dem Ende des ersten Teils zunehmend deutlich. Auch, weil die Inszenierung dann fluffiger wird und Gesang- und Tanzszenen ein Ventil für aufgestaute Energien schaffen. In diesen Szenen wird dem Zuschauer fast der intimste Blick in die Seelen der Figuren gewährt. Nachdenklich wird es, als die zu Fußballerinnen gewordenen Arbeiterinnen auf dem Zenit ihres Erfolgs just während eines Spiels die Botschaft erreicht: Der Krieg ist aus. Eigentlich ein Grund zu ekstatischer Freude. Aber gleichzeitig auch: Spielabbruch. Und die Frauen ahnen Böses voraus. Ein wuchtiger Moment, der auch in der Meininger Inszenierung an die politische Dimension des Stücks erinnert.

Spielszene "Ladies Football Club" am Staatstheater Meiningen
Szene aus "Ladies Football Club" am Staatstheater Meinungen Bildrechte: Christina Iberl
Spielszene "Ladies Football Club" am Staatstheater Meiningen
Bildrechte: Christina Iberl

Informationen zum Stück "Ladies Football Club"
von Stefano Massini
Deutschsprachige Erstaufführung
Regie: Simone Blattner
Bühne: Martin Miotk
Kostüme: Sophie Peters
Musik: Christopher Brandt
Dramaturgie: Cornelius Benedikt Edlefsen
Mit: Patricija Katica Bronić, Noemi Clerc, Hanna Eichel, Evelyn Fuchs, Pauline Gloger, Miriam Haltmeier, Carmen Kirschner, Ulrike Knobloch, Anja Lenßen, Emma Suthe, Christine Zart

Nächste Vorstellungen:
09.10. 18:00 Uhr,
16.10.
22.10.
09.11.
10.11.
27.11.
10.12.
18.12.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 08. Oktober 2022 | 13:15 Uhr