Mehrere Menschen sitzen auf einer Bühne.
Wird Erfurt wieder ein Schauspiel bekommen, diese und andere Fragen wurden bei dem Podiumsgespräch diskutiert. Bildrechte: Dirk Urban, Stadtverwaltung Erfurt

Kulturpolitik Podiumsdiskussion in Erfurt: Wie sieht die Zukunft des Theaters aus?

02. Juni 2023, 15:30 Uhr

Seit 20 Jahren ist Guy Montavon Generalintendant am Theater Erfurt. 2027 wird er seinen Hut nehmen. Die Stadt diskutiert derzeit, wie es danach weitergehen soll. In einem bewusst breit angelegten "Transformationsprozess" sollen Kulturschaffende und Bürgerinnen und Bürger ihre Wünsche und Vorstellungen einbringen. Etwa zur möglichen Wiedereinführung des Schauspiels. Bei einer Podiumsdiskussion mit Experten, Erfurts Oberbürgermeister und Thüringens Kulturminister wurden Wünsche besprochen.

Eigentlich sollte es bei der Podiumsdiskussion in Erfurt am Donnerstagabend um das große Ganze gehen: Um die künftige Theaterstruktur in ganz Thüringen, verbunden vor allem mit der Frage, wie diese künftig finanziert werden könne. Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff war deswegen zu Gast im Festsaal des Erfurter Rathauses und gab einen kurzen Einblick in die derzeit laufenden Verhandlungen zwischen Freistaat und Kommunen.

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Bildrechte: Dirk Urban, Stadtverwaltung Erfurt

Keine Schließungen in Thüringen geplant

Strukturveränderungen seien bei diesen Verhandlungen absolut kein Thema, so Hoff. Es werde weder über die Schließung ganzer Häuser, noch über die Abwicklung einzelner Sparten geredet. Weil die Theater in Thüringen aber mit erheblichen Mehrkosten zu kämpfen hätten, wolle die Landesregierung alles dafür tun, im kommenden Haushalt mehr Geld für die Häuser bereit zu stellen. Das war es dann aber auch schon mit dem Blick auf den Freistaat.

Ein Mann mit grauen Haaren und Bart spricht in ein Mikrofon und gestikuliert.
Auch Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff nahm an der Debatte teil. Bildrechte: Dirk Urban, Stadtverwaltung Erfurt

Vertreterinnen oder Vertreter aus anderen Regionen wie Südthüringen waren nicht vor Ort, weswegen sich die von Transformationsberater Marc Grandmontagne moderierte Runde schnell auf die Situation in Erfurt fokussierte. Klar: denn dort gibt es wahrlich einige Baustellen.

Kultur

Drei Männer und eine Frau sitzen an einem Tisch und diskutieren.
Im Podium: Guy Montavon, Generalintendant des Theaters Erfurt (v.l.n.r), Andreas Bausewein, Oberbürgermeister der Stadt Erfurt, Anica Happich, Schauspielerin und Kulturaktivistin und Bodo Ramelow, Ministerpräsident Thüringens und Gründungsmitglied der Gesellschaft der Theaterfreunde Erfurt Bildrechte: MDR / Antje Kirsten

Veränderungen in Erfurt

Schon seit einigen Monaten befindet sich die Stadt Erfurt im vom Kulturbeigeordneten Tobias Knoblich initiierten "Transformationsprozess": In Diskussionsrunden können Kulturschaffende, aber auch Bürgerinnen und Bürger ihre Vorstellungen und Wünsche von einem rundum erneuerten Theater kund tun. Was soll künftig auf dem Spielplan stehen – nach wie vor hauptsächlich Musiktheater oder auch Schauspiel? Und wie sollte das Theater geführt werden: mit einem Generalintendanten als Alleinentscheider an der Spitze oder sollten neue Mitbestimmungsmodelle erprobt werden?

Vier Menschen sitzen auf einer Bühne, im Hintergrund eine Leinwandauf der ein Mann per Video zu sehen ist.
Diskutierten in Erfurt über die Zukunft des Theaters: Andreas Bausewein, Anna Volkland, Benjamin-Immanuel Hoff und Andreas Bausewein (v.l.n.r) und auf der Videoleinwand Jürgen Weintz Bildrechte: Dirk Urban, Stadtverwaltung Erfurt

Wie wird ein Theater zum Stadttheater?

Es ging also um Zukunftsvisionen. Podiumsteilnehmerin Anna Volkland, Dramaturgin und Mitarbeiterin an der Universität der Künste in Berlin, attestierte dem Theater Erfurt, sich bislang zu wenig gegenüber der Stadtgesellschaft zu öffnen.

Die Frage ist für mich immer – kann ich am Spielplan erkennen, in welcher Stadt dieses Theater steht, weil es mit der Auswahl der Stücke Bezug auf hiesige Themen nimmt?

Anna Volkland, Dramaturgin

Eine Frau spricht in ein Mikro und gestikluiert
Anna Volkland hat u.a. Dramaturgie an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" studiert. Bildrechte: Dirk Urban, Stadtverwaltung Erfurt

In Erfurt könne Volkland keinen Bezug zum kommunalen Umfeld erkennen. Hier bestehe Nachholbedarf. Sie spricht sich daher für eine Wiedereinführung des Schauspiels in Erfurt aus und begründet: "Hier kann man flexibler auf aktuelle Themen reagieren, als mit jahrhundertealten Musiktheaterstücken."

Theater in München und Basel als Vorbild

Theaterwissenschaftler Jürgen Weintz von der Hochschule Niederrhein brachte Ideen für eine Neustrukturierung des Theaters in Erfurt ein. Es gebe mittlerweile verschiedene Beispiele, bei denen es gelungen sei, mehr Mitbestimmung am Theater zu erreichen. Etwa an den Münchner Kammerspielen, wo es einmal in der Woche eine erweiterte Leitungsrunde gebe. Diese sei explizit nicht als Verkündigungs- und Abnickrunde gedacht, sondern als Ort für gemeinsame Entscheidungen.

Am Theater Basel gebe es ein fünfköpfiges Leitungsteam, das wiederum entscheide, welche Fragen von einer noch größeren Runde diskutiert werden müssten.

Insgesamt ist wichtig, dass man in Erfurt so früh wie möglich auf mehr Mitbestimmung setzt – wenn man sich denn dafür entscheidet.

Jürgen Weintz, Theaterwissenschaftler

Es sollten bereits in der Findungskommission für die neue Leitung Vertreterinnen und Vertreter aus der Belegschaft des Hauses Mitspracherecht haben, so Weintz, "das ist bislang in der Theaterlandschaft leider alles andere als üblich".

Menschen im Publikum schauen auf die diskutierenden Personen auf der Bühne.
Das interessierte Publikum lauschte der Veranstaltung gespannt. Bildrechte: Dirk Urban, Stadtverwaltung Erfurt

Und die Finanzierbarkeit?

Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein hielt sich bei dieser Diskussion mit konkreten Forderungen oder Ansagen zurück. Er hoffe auf ein höheres finanzielles Engagement des Landes beim Theater Erfurt, so Bausewein in Richtung des Kulturministers. Ob die Stadt ihrerseits bereit sei, für das Theater ab 2027 mehr Geld auszugeben, ließ der Oberbürgermeister offen.

Schon jetzt fließt der weitaus größte Teil des städtischen Kulturetats in das Haus. Weswegen der Transformationsprozess auch nicht nur mit Wohlwollen begleitet wird: Wieso sollen wir über Monate von einem neuen Theater träumen, wenn am Ende gar nicht das Geld dafür da ist? – solche Einwände tauchen immer wieder auf. Entkräftet werden konnten sie bislang nicht.

Ein Mann mit Brille und Anzug spricht in ein Mikro.
Marc Grandmontagne hat die Veranstaltung moderiert. Bildrechte: Dirk Urban, Stadtverwaltung Erfurt

Redaktionelle Bearbeitung: op, tsa

Kultur erleben in Thüringen

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 02. Juni 2023 | 13:10 Uhr