Theaterkritik"Woyzeck" in Radebeul: eine ernste Geschichte, rasant inszeniert mit grotesken Mitteln
Wiedersehen macht Freude - frei nach diesem Motto findet Georg Büchners Klassiker "Woyzeck" immer wieder auf die Bühnen des deutschen Stadt- und Staatstheaters – oder einer Landesbühne wie der sächsischen in Radebeul. Dort kann man den Dauerbrenner jetzt auf der Studiobühne sehen und schon zur Premiere waren überproportional viele junge Menschen im Publikum. Kein Wunder, ist das alte Stück doch immer noch aktueller Lesestoff im gymnasialen Leistungskurs Deutsch. Und auf diese Zielgruppe hat Regisseur Peter Kube seine Inszenierung auch zugeschnitten. Gutes Stichwort.
Theater mit dem Büchner-Bastelbogen
Denn Kube hat sich den alten Text ein bisschen neu zurechtgelegt. Das passt und geht auf, weil das Stück von 1837 ja auch Fragment ist. Gerade mal 30 Seiten voller kurzer Szenen, die da in rasantem Tempo, fast wie in einem Film ablaufen. Die Sprache mal schnoddrig, mal überhöht, hochdeutsch wechselt mit fremdartigen Dialekt, klingt richtig modern. Und auch die Story könnte von heute sein: Junger, gestresster Vater tötet die ihm untreu gewordene Mutter seines Kindes im Affekt. Auch wenn Büchner noch nichts von Femizid wissen konnte - andre Zeiten, gleiche Sitten.
Mensch gewordenes Puppenspiel
Tom Böhm ist für Bühne und Kostüme verantwortlich und setzt, dem Regieansatz folgend, auf groteske Reduktion. Es gibt ein stufenhohes Spielpodest in der Mitte des Raumes. Dazu ein paar fahrbare Untersätze, aus denen Schilf wächst. Damit lassen sich schnell und unkompliziert immer neue Räume bauen. Gespielt wird ein bisschen wie im Grand Guignol, dem grotesken französischen Puppentheater. Alexander Wulke gibt einen aufgeblasenen Hauptmann. Der Doktor von Moritz Gabriel spielt wie ein aufgezogenes Spielzeug-Äffchen und der Tambourmajor von Grian Duesberg scheint beim Zirkus ausgeborgt. Den Vogel in Sachen Exzentrik schießt aber Michael Berndt-Cananá ab, der seinen Narren vom Rummelplatz bis hin zum musikalischen Volksverführer treibt. Das ist ein krudes Panoptikum, das man gerne anschaut. Man lacht viel, ohne den Ernst der Lage aus den Augen zu verlieren. Für den sind Woyzeck und Marie zuständig.
Lachen bis der Tod kommt
Johannes Korbbach gibt den Titelhelden. Er ist der verhetzte Typ, den es im Sprinter-Tempo durch die Szene treibt. Von der Kondition her kein Problem für den jungen Mann, dem aber auch die leisen Momente gelingen. Wenn er ins tiefe, mitunter allzu tiefe Nachdenken über sich und die Welt kommt und auf den von Eifersucht und Wahnsinn getragenen Gedanken, sein Liebstes im blutroten Mondschein umzubringen. Marie, ist eine von Maria Sommer gespielte Wandlerin zwischen Büchner-Zeit und heute. Eine mehr oder weniger alleinerziehende Mutter, der die Sorgen über den Kopf wachsen. Sorgen um das Kind, den ihr immer fremder werdenden Mann und die unstillbare Lebenslust, die da trotzdem in ihrem Herz schlägt. Dem Macho und Tambourmjor verfällst sie weniger, als dass sie ihn sich nimmt. Mit der bekannten tödlichen Konsequenz am nächtlichen See. Wo sie im Übrigen einen fast zärtlichen Tod in den Armen ihres Woyzeck stirbt. Nach 90 rasanten Minuten, die man nicht nur Teilnehmern am gymnasialen Leistungskurs Deutsch empfehlen kann.
Informationen:"Woyzeck"
Drama von Georg Büchner
Regie: Peter Kube
Ausstattung: Tom Böhm a.G.
Dramaturgie: Elisabeth Guzy
Regieassistenz: Jeannine Wanek
Marie: Maria Sommer
Margret / Mädchen / Käthe: Sophie Lüpfert a.G.
Woyzeck: Johannes Krobbach
Doktor: Moritz Gabriel
Hauptmann: Alexander Wulke
Tambourmajor: Grian Duesberg
Andres / Unteroffizier: Maximilian Bendl
Marktschreier / Narr / Handwerksbursche: Michael Berndt-Cananá
Nächste Termine:
1. November 2023, 18 Uhr im Theater Meißen
3. November 2023, 18 Uhr im Theater Radebeul
20. Januar 2024, 19.30 Uhr im Theater Radebeul
3. März 2024, 19.30 Uhr im Theater Radebeul
Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 12. November 2022 | 12:10 Uhr