
"Der Diener zweier Herren" Sommertheater in Weimar: Discokugel, Bällebad und großer Spaß
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19. Juni 2023, 11:58 Uhr
Das Deutsche Nationaltheater Weimar (DNT) hat sich als Sommertheater-Inszenierung dieses Jahr für den Komödien-Klassiker "Der Diener zweier Herren" von Carlo Goldoni entschieden. Am Freitag, 16. Juni, fand die Premiere statt. Zu sehen ist ein ganz anderer, ein gewollt alberner Abend auf der Open-Air-Bühne am E-Werk, meint unser Kritiker. Und das sei gut so.
Es regnet in Weimar. Ausgerechnet am Premieren-Abend! Als ein Mann im Kostüm sein Megaphon erhebt, fürchten viele, der Abend könne ins Wasser fallen. Stattdessen sagt er, insbesondere nach dem Regen sei es wichtig, seinen Sonnenschutz zu erneuern. Er sei der Bademeister, und wer einverstanden sei, dürfe sich danach die Sonnencreme direkt von ihm auftragen lassen.
Dieser Bademeister ist keine Figur aus Goldonis Komödie – er ist als genialer Stimmungsaufheller dazuerfunden. Er macht gute Laune, er cremt ein, er bringt einem Zuschauer, der nur im T-Shirt da ist, einen Mantel. Der Abend ist gerettet, bevor er richtig begonnen hat. Dem großartigen Fabian Hagen sei Dank. Der Regen spielt danach keine große Rolle mehr und gibt irgendwann auf.
"Der Diener zweier Herren": ein Stück der Verwechslungen
Goldonis Komödie "Der Diener zweier Herren" ist ein Stück der Verwechslungen, voll komischer Wendungen. Truffaldino, der zwei Herren dient, ist naiv, aber bauernschlau. Einer der Herren ist eine verkleidete Dame – es geht also auch um Geschlechter-Tausch. Und es geht um gleich drei Liebespaare, die sich zu finden haben.
Das Stück spielt in Venedig, das schreit förmlich nach lauer Sommernacht und bietet Raum für eine fantasievolle Bühne und historische Kostüme. All das gibt es in Weimar. Auf der Bühne ist die berühmte Rialto-Brücke nachgebaut, links und rechts zwei Treppen, in der Mitte ein großes Bällebad, das an den Trevibrunnen in Rom erinnert.
In Weimar berlinert der Diener
Formal ist in dieser Inszenierung alles darauf ausgelegt, dass gelacht wird, was ziemlich gut aufgeht. Alles ist sehr grell und sehr bunt, die Kostüme überzeichnen die Figuren. Perücken, Schminke, Ausstattung – alles ist bewusst übertrieben. Auffällige Sonnenbrillen, Schwimmflossen, Spielzeug-Fische im Bällebad, und über allem kreist eine Discokugel.
Es wird gequietscht und gekreischt, gerannt und gestürzt, es wird lustvoll in das Bällebad gesprungen, es wird in Slow Motion gespielt – alle auf der Bühne geben richtig Gas, toben sich aus. Truffaldino berlinert, der Wirt Brighella spricht ein breites Rheinisch. Alles zielt auf Komik, vieles ist albern, aber eben so albern, so "drüber", dass es als ironisch wahrgenommen werden soll.
Weimarer Inszenierung spielt in einer bunten Kunstwelt
Im Gegensatz zur Dresdner Inszenierung, die eine ganz eigene Fassung des Stückes entworfen hat, die es ins Heute geholt hat und mit wahnsinnig vielen Anspielungen auf Dresden und die Politik versehen hat, belässt Regisseurin Swaantje Lena Kleff die gesamte Handlung in einer bunten Kunstwelt. Die lässt sich am ehesten mit "Camp" beschreiben – künstlich, überpointiert, übertrieben. Gerne kitschig und schrill und immer irgendwie ironisch.
An der Oberfläche wirkt das erstmal wie ein ziemlich dünnes Brett, in manchen Szenen so albern, dass man glaubt, das sei gar nicht für Erwachsene, sondern für Vorschulkinder gedacht. Das kommt gut an, ist sehr unterhaltsam, und das ist auch gut so. Aber wer im Theater gerne einen doppelten Boden hat, eine tiefere Bedeutung, der muss in dieser Inszenierung sehr wohlwollend suchen.
Ein Sommertheater mit starken Frauen
Tut man es, kann man zum Beispiel die starken Frauen entdecken, das bietet das Stück bereits im Original an, aber es wird in Weimar besonders betont. Beatrice etwa ist eine starke Frau, die – als Mann verkleidet – um ihren Geliebten Florindo kämpft.
Oder Smeraldina, eine Zofe, die lange ganz naiv wirkt, die Truffaldino umgarnt – aber als der sie einmal verrät, lässt sie ihn demonstrativ sausen und erhält Szenenapplaus dafür.
Auf der anderen Seite steht Pantalone, der seine Tochter Clarice im Grunde meistbietend verschachern will. Der wird zusätzlich dadurch charakterisiert, dass er den halben Abend frauenfeindliche Witze erzählt. Und zwar ausgerechnet der als Mann verkleideten Beatrice – "unter Männern", sozusagen. Beim Lachen über diese Witze bemerkt man unweigerlich, wie schmal der Grat ist zu Herabwürdigung oder Diskriminierung. Das ist raffiniert gemacht, weil überhaupt nicht belehrend.
Klatschen wie beim Pop-Konzert
Der Abend ist handwerklich und schauspielerisch überwältigend. Er ist auch musikalisch: Ludwig Peter Müller spielt den ganzen Abend live Musik und dreimal werden große Hits zum Thema Liebe gesungen: "I wanna know what love is" von Foreigner, "It must have been love" von Roxette und am Ende, als Finale, "Together we fly" von DJ Bobo.
Da wird aufgestanden und mitgeklatscht wie beim Pop-Konzert. Das ist bei weitem nicht so prägend wie in Dresden, aber das sind sehr wirkungsvolle Momente. Und wer es mag, darf zusätzlich ein paar Zitate aus Filmen und auch Opern erkennen.
Mein Fazit: in Dresden steckten mehr Tiefgang und stärkere Bezüge ins Heute hinter dem Klamauk. Aber langweilen wird sich auch in Weimar niemand. Zweieinhalb Stunden, eine Pause – trotz des Regens ein unterhaltsamer Sommerabend. Gar nicht auszudenken, wie das bei Sonne sein wird.
Aufführungstermine:
Freitag, 16.06.2023, 19.00 Uhr (Premiere)
Samstag, 17.06.2023, 19.00 Uhr
Dienstag, 20.06.2023, 19.00 Uhr
Mittwoch, 21.06.2023, 19.00 Uhr
Freitag, 23.06.2023, 19.00 Uhr
Samstag, 24.06.2023, 19.00 Uhr
Sonntag, 25.06.2023, 19.00 Uhr
Mittwoch, 28.06.2023, 19.00 Uhr
Donnerstag, 29.06.2023, 19.00 Uhr
Samstag, 01.07.2023, 19.00 Uhr
Sonntag, 02.07.2023, 19.00 Uhr
Dienstag, 04.07.2023, 19.00 Uhr
Mittwoch, 05.07.2023, 19.00 Uhr
Donnerstag, 06.07.2023, 19.00 Uhr
Freitag, 07.07.2023, 19.00 Uhr
Samstag, 08.07.2023, 19.00 Uhr
Mittwoch, 12.07.2023, 19.00 Uhr
Donnerstag, 13.07.2023, 19.00 Uhr
Freitag, 14.07.2023, 19.00 Uhr (Zum letzten Mal)
Die Inszenierung
"Der Diener zweier Herren"
Komödie von Carlo Goldoni
Open-Air am E-Werk Weimar
Am Kirschberg 4
99423 Weimar
Regie: Swaantje Lena Kleff
Live-Musik: Ludwig Peter Müller
Besetzung:
Isabel Tetzner – Beatrice Rasponi, reist als Federigo Rasponi
Martin Esser – Florindo Aretusi, ihr Amant
Janus Torp – Truffaldino, Diener der Beatrice und des Florindo
Nahuel Häfliger – Pantalone de‘ Bisognosi
Annelie Korn – Clarice de‘ Bisognosi, seine Tochter
Johanna Geißler – Dottoressa Lombardi, Silvios Mutter
Calvin-Noel Auer – Silvio Lombardi, ihr Sohn
Bastian Heidenreich – Brighella, ein Wirt
Nora Quest – Smeraldina, eine Zofe
Fabian Hagen – Der Bademeister
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 17. Juni 2023 | 13:10 Uhr