Musiktheater "Passion :Spiel" in Weimar: Musikalisches Speed-Dating und vier weitere Highlights

Operndirektorin Andrea Moses will in Weimar zeigen, wie aktuell, relevant und vielseitig Musiktheater sein kann. Dafür hat sie gemeinsam mit dem Dramaturgen Michael Höppner "Passion :Spiel" entwickelt. Das Festival findet vom 27. April bis zum 6. Mai 2023 statt, bereits zum zweiten Mal. Aufgeführt werden vor allem moderne und zeitgenössische Kompositionen, die Musiktheater in einem neuen Rahmen zeigen. So sind musikalische Game Shows und Parcours geplant. Wir stellen fünf Highlights vor.

Eine Person mit wirren Haaren spielt ein Saxophon. Im Hintergrund schein der Mond durch einen Baum.
Beim Weimarer Festival "Passion :Spiel" werden wie im Film "Ostravaganza" neue Formen der Musik erkundet. Bildrechte: Martin Miotk

Während im ersten Jahrgang von "Passion :Spiel" noch viele Klassiker des Neuen Musiktheaters von Komponisten wie Peter Maxwell Davies, John Cage oder Karlheinz Stockhausen gespielt wurden, will der zweite Jahrgang unter dem Motto "Pop & Spiele" auf jüngere und lebendigere Werke setzen. Der Grundgedanke bleibt dabei aber erhalten: die klassischen Formen von Musiktheater in Form von Oper, Operette und Musical zu erweitern. Dafür soll mit anderen Medien und Gesangstechniken gespielt und das Publikum anders eingebunden werden. 

Das Spielen soll im Jahr 2023 wörtlich genommen werden: Das Publikum ist noch mehr aufgefordert mitzuspielen im Sinne des Theaters, aber auch im Sinne von Sport und Gesellschaftsspiel. Nicht zuletzt verweist das diesjährige Motto "Pop & Spiele" auch auf einen selbstauferlegten Anspruch hin: Entgegen des Klischees, dass Neue Musik eher für Eingeweihte im Elfenbeintum ist, will das Festival populär sein und ein breites Publikum ansprechen. Dafür nutzen sie zum einen tatsächlich populäre Musik und zum anderen bekannte Themen. 

Sound der Einsamkeit: "Love & Diversity" 

Es ist oft die letzte Hoffnung und damit fast schon ein Ausdruck von Verzweiflung: Speed Dating. Menschen, die sich nicht kennen, treffen sich in einem Café oder ähnlichem und wechseln dort in schneller Folge Tische und Gesprächspartner*innen. Dieses Format nutzte Manos Tsangaris für sein Musiktheater "Love & Diversity". Wohl kaum ein Komponist setzt die Grundidee des Festivals um wie Tsangaris. Schon seit Jahren hinterfragt er in seinen Arbeiten die Rahmenbedingungen von Aufführungen und bindet Räume sowie Bewegungen in seinen Kompositionen mit ein. Deswegen ist er in diesem Jahr auch als Composer in residence gleich an mehreren Arbeiten beteiligt. 

In "Love & Diversity" wird ein kurzes Stück wiederholt gespielt. Dabei setzen sich die Besucher*innen aber immer wieder einer anderen Musiker*in gegenüber, die dann nur für diesen Menschen spielt. Sie verkörpern dabei unterschiedliche Typen, die mit Einsamkeit und Alleinsein kämpfen. Dabei spielen alle Tische gleichzeitig und man kann so jede Stimme einzeln erleben.  

Weitere Informationen "Love & Diversity"
Musikalisches Speed-Dating von Manos Tsangaris und Opera Lab Berlin 

Adresse: 
Maschinensaal des e-werk Weimar 
Am Kirschberg 4 
99423 Weimar 

Termin:
28. April, 19 Uhr 

Literarische Game Show: "Playing Animal Farm" 

Es gibt kaum eine berühmtere Fabel aus dem 20. Jahrhundert: Mit sprechenden Tieren auf einem Bauernhof erzählte George Orwell in "Animal Farm" vom Auf- und Untergang des russischen Kommunismus. Am Ende gipfelt die Revolution für gleiche Rechte im Pakt der Schweine (die führenden Revolutionäre) mit den Menschen (die Mächtigen). An dieser Stelle setzt die Show "Playing Animal Farm" an. 

Schauspieler mit Tiermasken posieren auf der Bühne auf einem künstlichen Grashügel.
In "Playing Animal Farm" muss das Publikum mehrere Herausforderungen bestehen. Bildrechte: Gabriel Ascanio Hecker

Das Publikum wird in der Show in verschiedene Gruppen aufgeteilt, die den Tieren in dem Buch entspricht. Als Teams müssen sie dann verschiedene Aufgaben lösen, ähnlich Shows wie "Schlag den Star", um die Ideen der Revolution wieder freischalten zu können. Dabei werden sie begleitet von der Musik des zeitgenössischen Komponisten Philipp Venables. Der Brite ist seit seiner Vertonung von Sarah Kanes‘ "Psychosis 4.48" äußerst gefragt. Auch weil er sich nicht einem bestimmten Stil verschreibt, sondern vor allem dem Inhalt folgt und alles an Musik nutzt, was denkbar ist. So hat er für diese Show Musik geschrieben, die an Tuschs und Hymnen angelehnt ist – und für besondere Energie im Publikum sorgen soll. 

Weitere Informationen "Playing Animal Farm" 
Rollenspiel zum Mitmachen von Anna Weber und Philipp Amelungsen
Mit einer Game Show Music von Philip Venables 

Adresse: 
Maschinensaal des e-werk Weimar 
Am Kirschberg 4 
99423 Weimar 

Termine: 
29. April, 18 Uhr 
30. April, 16 Uhr 

Das geheime Leben der Ost-Musik: "Ostravaganza" 

Im Jahr 2007 gründete die irische Komponistin Jennifer Walshe die Gruppe Grúpat, eine neunköpfiges Kunstkollektiv, das Musikstücke und grafische Kompositionen, Installationen und Skulpturen schuf. Wie sich jedoch bald herausstellte, waren alle Gruppen-Mitglieder Alter Egos von Walshe. Diese Geschichte war für Martin Miotk Inspiration für "Ostravaganza". 

Puppen aus dem DDR-Fernsehen sitzen in einem Stuhlkreis.
Die fiktive Dokumentation "Ostravaganza" erzählt eine absurde Geschichte über Neue Musik in der DDR. Bildrechte: Martin Miotk

Die Mockumentary (ein fiktiver Film im Stil einer Dokumentation) erzählt eine andere Geschichte der Musik in der DDR, die ja auch immer gewissen staatlichen Regularien unterlag. In "Ostravaganza" sind die Musikstars nämlich auch im Untergrund aktiv, wo sie ganz neue Musik schaffen, gewagtere Kompositionen. Vor der Filmvorführung in Weimar sind auch einige Mitglieder des Casts zu Gast, unter anderem die bekannte Comedienne Desirée Nick. 

Weitere Informationen "Ostravaganza"
Die geheime Avantgarde der DDR-Stars  
Film von Martin Miotk und Opera Lab Berlin 
Mit Star-Talk mit Désirée Nick, Giso Weißbach und Bob Schneider 

Adresse: 
Maschinensaal des e-werk Weimar 
Am Kirschberg 4 
99423 Weimar

Termin: 
29. April, 20.30 Uhr 

Junge Experimente: Werkstatt:Spiel 

Das Festival will auch dem Musiktheater von Morgen schon einen Platz einräumen. Das Festival hat mehrere Kompositionsstudierende eingeladen, neue musiktheatrale Werke zu schreiben. Die jungen Komponist*innen von verschiedenen deutschen Musikhochschulen haben sich dabei bereits vor einigen Wochen getroffen, um passende Konzepte zum Festival-Motto zu entwickeln. Danach haben sie allein weiter an ihren Werken gearbeitet. Nun treffen die neuen Stücke auf Musikstudierende der Weimarer Hochschule. Was am Ende dabei herauskommt, wird sich erst in der zweiten Festivalwoche zeigen. Es bleibt also spannend.

Weitere Informationen Showing der Musiktheaterwerkstatt 

Adresse: 
Kesselsaal des e-werk Weimar 
Am Kirschberg 4 
99423 Weimar 

Termin: 
4. Mai, 19 Uhr 

 

Arditti-Quartett bei einem Konzert. Die vier Musiker sitzen an ihren Instrumenten auf einer Bühne. 5 min
Bildrechte: Marcus Lieder
5 min

Die Dresdner Kompositionsstudentin Julia Waldeck hat ein neues Stück geschrieben. Jetzt wurde es vom Arditti-Quartett uraufgeführt, das sich mit der Interpretation von neuer Musik einen großen Namen gemacht hat.

MDR KLASSIK Mi 19.04.2023 07:10Uhr 04:36 min

https://www.mdr.de/mdr-klassik-radio/klassikthemen/dresdner-komponistin-julia-waldeck-urauffuehrung-naechste-generation-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Zeitlose Liebesgeschichte: "Abstract Pieces"

"Keine Musiktheaterinnovation ohne Orpheus und Eurydike", heißt es in der Ankündigung zu "Abstract Pieces" von Festivalleiter Michael Höppner und Composer in residence Manos Tsangaris. Gemeint ist damit Folgendes: "L’Orfeo“ von Claudio Monteverdi gilt als älteste überlieferte Oper der Geschichte (auch "Euridice" von Iacopo Peri griff auf den Mythos zurück). Das Werk "Orfeo ed Euridice" von Christoph Willibald Gluck setzte neue Maßstäbe für das Erzählen mit Musik. Auch "Orphée aux Enfers" von Jacques Offenbach ist ein wichtiges Werk für komisches Musiktheater.  

Die Bedeutung des Werks ergibt auch Sinn, denn immerhin geht es in dem Mythos um einen Menschen, der mit seinem Gesang göttliche Herzen erweicht, um seine Liebe vom Tod zu retten. Ohne sich anzublicken, müssen sich die beiden aus der Unterwelt kämpfen. Deswegen stehen die beiden Figuren in "Abstract Pieces" Rücken an Rücken auf der Bühne. Das Publikum erlebt die Geschichte gleich zweimal – einmal die Seite des Mannes Orpheus (plus männliche Instrumentalisten) und einmal die Seite der Frau Euridike (plus weibliche Instrumentalistinnen). 

Weitere Informationen  "Abstract Pieces"
Musiktheater von Manos Tsangaris und Michael Höppner 

Adresse: 
Maschinensaal des e-werk Weimar 
Am Kirschberg 4 
99423 Weimar 

Termin: 
5. Mai, 20 Uhr 
6. Mai, 20 Uhr

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. April 2023 | 09:40 Uhr