"Welcome to Paradise Lost" Oper beim Kunstfest Weimar: Wie umgehen mit den täglich neuen Katastrophenmeldungen?
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Die Oper "Welcome to Paradise Lost" ist ein Kompositionsauftrag vom Kunstfest Weimar. Und sie ist brandaktuell, stellt sie doch die Frage, wie wir mit den Katastrophenmeldungen zu Klima, Dürre oder Müllmassen umgehen sollen. Inspiriert wurde sie unter anderem von einer 800 Jahre alten Sufi-Erzählung und dem Verhalten von Vögeln.
Beim Kunstfest Weimar feiert die Oper "Welcome to Paradise Lost" große Uraufführung. Komponiert hat sie Jörn Arnecke, Professor für Musiktheorie an der Musikhochschule "Franz Liszt", das Libretto stammt von Falk Richter, Regie führt Andrea Moses. Die Oper ist brandaktuell nach diesem Sommer, der von Dürre und Fisch-Sterben gezeichnet ist.
Inspiriert von Sufi-Erzählung
Richter fragt in seinem Text, wie wir mit den täglichen Meldungen zur Klimakatastrophe umgehen, mit Dürre, Überflutungen, Müllmassen. Es habe ihn interessiert, wie er als Theaterschaffender, als Autor darauf reagieren kann, so Richter, ob es vielleicht einen Weg gäbe, über eine Musiktheateraufführung die Leute auch emotional zu erreichen oder einen Weg zu finden, dass spürbar wird, dass hier Handeln geboten ist.
Hilfe auf diesem Weg hat Richter in einer 800 Jahre alten Sufi-Erzählung gefunden. In Farid ud-Din Attars "Die Konferenz der Vögel" macht sich ein Vogelschwarm auf den Weg, um einen König zu suchen. Am Ende der Reise steht die Erkenntnis, sie selbst sind dieser König. Nur sie selbst sind verantwortlich für ihr Handeln.
Ein jugendlicher Vogelschwarm auf der Bühne
In Richters heutiger Version schwärmen die Vögel aus, um die Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass einiges auf der Erde im Argen liegt. Die Vögel werden in der Inszenierung von Weimars Operndirektorin Moses jedoch nicht von professionellen Sängerinnen und Sängern gespielt sondern von Jugendlichen.
Sie begründet "Wir haben ein Casting gemacht, und haben Jugendliche von 15 bis 27 gecastet. Und die bewegen sich miteinander wirklich wie ein hochintelligenter Vogelschwarm über die Bühne. Und das ist wirklich faszinierend, diese Gleichwertigkeit, wie sich das übertragen hat in der Arbeit. Auch auf die Jugendlichen, die da mit großer Überlebensenergie spielen."
Richter fällt in die Begeisterung ein und ergänzt "Das hat so eine Schönheit, aber auch eine politische Richtung, die mich interessiert. Also das Kollektiv. Das nicht hierarchisch angeleitete Kollektiv, was es irgendwie schafft, so zu kommunizieren, dass sie eben vorankommen und als Gruppe existieren können."
Auch das Publikum muss sich bewegen
Vorankommen ist ein gutes Stichwort, denn Regisseurin Moses setzt bei diesem Gedankenstrom auch auf physische Bewegung. Das Publikum folgt den Spielenden und dem 14-köpfigen Orchester durch die zwei Säle des E-Werks nach draußen, dann wieder zurück. Die Jugendlichen werben im Chor für eine bessere Welt, weisen immer wieder auf die fragile Situation hin, in der sich die Erde befindet.
Komponist Arnecke bemerkt "Wir werden auch ein ganz besonderes Instrument mit in der Inszenierung dabei haben, das ich mir als Verkörperung dieser Zerbrechlichkeit vorgestellt habe. Nämlich ein Gläserspiel – ein Verrophon – das im Schlussteil des Stückes eine ganz besondere Farbe reinbringen wird."
Der Komponist und die Vögel
Für Arnecke stand beim Komponieren ebenfalls der Vogelschwarm im Fokus, beziehungsweise die vielen einzelnen Stimmen, die zur Gesamterscheinung werden. Er beschreibt "Ich hab mir Aufnahmen von Vögeln genommen. Habe die transkribiert. Aber der Verarbeitungsprozess setzt natürlich trotzdem ein, indem die in andere Regionen des musikalischen Habitus, des Tonumfangs gesetzt werden. Indem auch Instrumentalfarben geändert werden. Da kommen dann natürlich auch Verfremdungen rein. Aber das Grundmaterial war wirklich direkt gewonnen aus Vogelaufnahmen."
Und auch persische Motti hat Arnecke in die Komposition mit einbezogen, hier wieder als Verweis auf die Sufi-Erzählung. Diese mystische Dichtung hat uns auch 800 Jahre nach ihrer Entstehung einiges zu sagen.
Das Stück
Welcome to Paradise Lost
Musiktheater von Jörn Arnecke und Falk Richter
nach "Die Konferenz der Vögel" von Farid ud-Din Attar
Uraufführung
Koproduktion mit dem Kunstfest Weimar
Alter ab 12 Jahren
Musikalische Leitung: Andreas Wolf
Regie: Andrea Moses
Bühne & Kostüme: Christian Wiehle
Choreografie: Veronika Heisig
Aufführungen:
Sa 3. September, 20 Uhr (Premiere)
Sa 10. September, 20 Uhr
So 18. September, 18 Uhr
Aufführungsort:
e-werk weimar (Maschinensaal)
Am Kirschberg 4
99423 Weimar
Redaktionelle Bearbeitung: op
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 03. September 2022 | 07:45 Uhr