Welttheatertag Wie geht es den Theatern in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen aktuell?
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Jährlich am 27. März wird mit dem Welttheatertag die Kraft des Theaters gefeiert. Für die ägyptische Schauspielerin Samiha Ayoub beispielsweise ist es "Licht der Kunst gegen Ignoranz und Extremismus". Umso schöner ist es, dass Theater 2023 nach den schweren Spielzeiten wegen Corona und trotz Energiekrise scheinbar wieder Aufwind haben. MDR KULTUR hat bei Häusern in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nachgefragt.

Das Publikum kommt zurück! Das ist die eigentliche Botschaft des Welttheatertags in diesem Jahr. Sie beruht auf einer stichprobenartigen Telefonrecherche an zehn (Stadt-)Theatern in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Zwei Dinge fallen zusätzlich auf: erstens, dass das Publikum sich oft erst an der Abendkasse und für ein bestimmtes Stück entscheidet; zweitens, dass Kitas und Schulen die Theaterangebote stark nachfragen.
Musik kommt beim Publikum in Sachsen gut an
Viele Vorstellungen seien gut besucht bis ausverkauft. Am Staatsschauspiel Dresden heißt es, dass Stücke mit Christian Friedel sehr gut laufen würden sowie auch Klassiker wie Kleists "Familie Schroffenstein". Die lange Nacht der Theater, die Mitte März in Dresden stattfand, könne sich mit 27.000 belegten Plätzen an Vor-Corona-Zeiten messen. In Bautzen laufe "Männer" gut, in Görlitz-Zittau die "Straße der Besten" – eine Betriebsfeier mit viel DDR-Musik.
Irgendwas mit Musik scheint immer gut zu gehen und auch Erinnerungsstücke, die inzwischen mehr als Ostalgie sein dürfen und der Enkelgeneration ein plastisches Geschichtsbild vorstellen können. Mit "Don Giovanni" habe die Oper Leipzig eine sehr gut besuchte Inszenierung zum Thema Wohnungsnot neu im Repertoire. Produktionen des David-Bowie-Musicals "Lazarus" laufen in Leipzig und Halle gut. Am Nationaltheater in Weimar sei es "A Clockwork Orange".
Auch ernste Themen auf der Bühne beliebt
Es muss auch nicht immer nur die leichte Kost sein: "Der Reichsbürger" und "Widerstand", beides am Volkstheater Bautzen, lasse sich gut verkaufen. In Magdeburg sei es "Gas" von Georg Kaiser, in Rudolstadt "Herscht 07769" über Neonazis in einer mitteldeutschen Kleinstadt. "Der große Hanussen" in Chemnitz, am DNT Weimar "Die Buddenbrooks" und "Der Meister und Margarita" – alle drei keine Schenkelklopfer – würden ebenfalls gut nachgefragt. In Jena sei es "Knast", das in Kooperation mit einer nahegelegenen Justizvollzugsanstalt entstand.
Die Recherche zeigt, dass nach einem noch verhaltenen Spielzeitstart im Herbst 2022 mit der Weihnachtsmärchenzeit wieder volles Haus angesagt war. Dieser Schwung halte bei vielen Stücken an. Die Entscheidung für einen Theaterbesuch wird oft erst an der Abendkasse getroffen, und es werden gezielt bestimmte Stücke ausgesucht – also nicht die Nummer: Heute Abend gehen wir mal ins Theater, egal was kommt.
Besondere Angebote für Studierende und Generationenwechsel im Theater
Es gibt (erfreulich!) Schnäppchen für Studierende: In Jena wird ein kostenloser Besuch in Theater und Konzert mit dem Semesterbeitrag finanziert. In Leipzig gibt es eine "Junge Oper Card", die spontane Opernbesuche am Mittwoch für 10 Euro ermöglicht (warum muss das so kompliziert sein?). In Chemnitz kommen TU-Studierende 15 Minuten vor Vorstellungsbeginn sogar kostenlos ins Theater. Das sind schöne Angebote, die es einer jungen Generation einfach machen, die Theaterwelt zu entdecken.
Die andere Seite der Medaille ist das ältere Abo-Publikum, die Corona als Sprungbrett genutzt haben, um Abschied zu nehmen. In Chemnitz merke man bei manchen Opern und generell den Konzerten, dass noch Luft nach oben sei. Gesucht sind also Strategien, die traditionelle Genres von Operette bis Konzert auch für jüngere Semester interessanter machen.
Positive Entwicklungen am Theater gibt es auch mit Blick auf Schulen und Kitas. Schulen seien an Inszenierungen – auch jenseits des Lehrplans – wieder sehr interessiert. Auch Führungen hinter die Kulissen und theaterpädagogische Begleitprogramme würden gern angenommen. Hier gebe es sogar eine Art Nachholeffekt. Viele Theater beklagen sogar, dass sie am Limit sind. Es wäre also – Stichwort: kulturelle Bildung – eine Aufgabe der Politik, in diesem Feld aufzustocken.
Theater der Utopie und der Hoffnung
Und dann war da ja noch die andere, die traditionelle Botschaft: "Ich spreche zu euch in einer Zeit, in der mir die ganze Welt vorkommt wie Schiffe, die orientierungslos in eine Nebelwand segeln" – so dramatisch beginnt Samiha Ayoub, die Grande Dame des arabischen Theaters, ihre Botschaft zum Welttheatertag 2023. Die 1932 in Kairo geborene Schauspielerin bringt aber schnell den sicheren Hafen ins Spiel: das Theater. Alle Theaterleute (vor und hinter der Bühne) würden ihn immer wieder neu aus dem Nichts erschaffen.
Er sei "wie eine brennende Glut, die in der Dunkelheit funkelt." Also Wärme spendet in einer realen, dunklen Welt, die einerseits noch nie so eng miteinander verbunden, aber andererseits noch nie so dissonant und voneinander getrennt gewesen sei wie heute. Dem Theater würde deswegen eine Hauptrolle zufallen.
Wir sind diejenigen, die das Licht der Kunst nutzen, um der Dunkelheit aus Ignoranz und Extremismus entgegenzutreten.
Theater verbindet die Welt
Große, bildgewaltige Worte und ein Plädoyer für die völkerverbindende Kraft des Theaters. Genau dieser Impuls war auch vor 75 Jahren essentiell für die Gründung des Internationalen Theaterinstituts (ITI), in der ummittelbaren Nachkriegszeit im Jahr 1948 unter dem Schirm der Unesco. Ziel war es damals, die Theaterschaffenden zusammenzubringen, Kulturaustausch zu ermöglichen.
Seit 1955 gab es die westdeutsche Sparte des ITI und seit 1959 die ostdeutsche Sparte. Das war etwas Besonderes: BRD und DDR in einer gemeinsamen Kulturorganisation. 1991 gingen die beiden Sektionen zusammen. Den Welttheatertag gibt es seit dem Jahr 1961. Und es gibt ein Festival namens "Theater der Welt". Die deutsche Sektion des ITI führt es alle drei Jahre durch: 1996 in Dresden, 2008 war es in Halle. Vom 19. Juni bis 16. Juli findet das Festival dieses Jahr in Frankfurt am Main statt.
Redaktionelle Bearbeitung: Thilo Sauer
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 27. März 2023 | 08:40 Uhr