Bühnen- und Tontechnik Nach Corona-Lockdown: Thüringer Veranstaltungsbranche in Personalnot
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In den vergangenen zwei Jahren wurden wegen der Corona-Pandemie Festivals, Konzerte und andere Großveranstaltungen immer wieder verschoben oder abgesagt. In Thüringen unter anderem das Rudolstadt-Festival, die Achava-Festspiele, das SonneMondSterne-Festival ... Nun könnten die Events in Thüringen, Sachsen oder Sachsen-Anhalt wieder starten, doch wie schon die Absage der Leipziger Buchmesse 2022 zeigte: Es fehlt Personal.
Sie arbeiten mittlerweile in der Industrie, im Handwerk, im städtischen Kulturbereich oder in völlig anderen Branchen. Wer früher vor und hinter den Kulissen half, wer Bühnen, Ton- oder Bildtechnik betreute, ist heute möglicherweise nicht mehr zu buchen. Das befürchtet auch Martin Kranz, Manager und Festivalleiter aus Weimar: "Ich weiß noch nicht, wie das funktionieren soll und ob ich im Mai und Juni jemanden bekommen werde, ob ich sie verpflichten kann."
Ungefähr 30-40 Prozent des Personals fehlen
Schon vor Wochen mahnte er und bestätigt damit das, was inzwischen auch aus einem Brandbrief der Veranstaltungsbranche an Politik und Medien klar hervorgeht: Es gibt mittlerweile einen massiven Personalmangel. Denn weil Tourneen, Festivals und Konzerte ständig verschoben wurden, hat sich viel angestaut: "Seit zwei Jahren schieben wir einen immer größer werdenden Berg an oft mehrfach verlegten Konzertveranstaltungen vor uns her, der mit den verbliebenen Personalressourcen nicht mehr zu bewältigen sein wird", heißt es in dem Schreiben.
"In anderen Branchen gibt es Bedarf an Mitarbeitern, und sie sind der Unsicherheit entflohen", so Martin Kranz, der unter anderem die Achava-Festspiele in Weimar leitet. "Wir rechnen damit, dass ungefähr 30 bis 40 Prozent der Mitarbeiter nicht mehr da sind. Für die Festivals, die er privat organisiert wie das Köstritzer Spiegelzeit, brauche Kranz zeitweilig ungefähr 100 Mitarbeiter, so der Veranstalter.
Struktur der Veranstaltungsbranche beschädigt
Martin Kranz ist nur einer von vielen Veranstaltern, die sich aktuell Gedanken um Personal machen. Auch Frithjof Rödel sieht die Situation eher kritisch: Er ist Musiker und Produzent, lebt nahe Erfurt – in Egstedt. Normalerweise bereitet er große Tourneen und Bühnenkonzerte vor, seit zwei Jahren allerdings ist auch für ihn die Situation anders. Zwar kann er als Produzent in seinem Studio nach wie vor mit Bands, Künstlerinnen und Künstlern arbeiten, doch große Events zu planen, "das wird schwierig", meint der Freiberufler. Aus seiner Sicht hätten bereits mehr als 20 Prozent der Backstage-Mitarbeiter die Branche verlassen: "Die ganze Struktur wird auf jeden Fall Schaden nehmen. Ob das gut ist oder schlecht, wird sich zeigen", überlegt Rödel.
Normalerweise ist er Optimist, kennt die Branche seit 30 Jahren. "Ein Auf und Ab", sagt Rödel, der mit Clueso, Karat und vielen anderen arbeitet. Der Festival- und Tour-Management-Bereich habe sich stark geändert: "Von dem technischen Personal, das Bühnenbau macht, sind viele im Handwerk und in der Baubranche gelandet. Da werden Freelancer gut bezahlt, weil sie breit aufgestellt sind: Sie können mit Technik und Elektrik umgehen, können bauen. Ich habe von einem gehört, der Ampeln baut – viele sind im öffentlichen Sektor tätig."
Nun gibt es viele Fragen, die nicht nur ihn beschäftigen: "Wie viele kommen zurück? Wie wird die Auftragslage sein? Das spielt auch eine wichtige Rolle: Haben die Veranstalter noch die finanzielle Kraft?"
Schwierige Preisentwicklungen bei Konzerten
Denn: Auch die Preise sind gestiegen. Kalkulationen von vor zwei Jahren stimmen heute nicht mehr mit der Realität überein, moniert nicht nur Frithjof Rödel. Wer noch am Markt ist und weiß, dass er oder sie als Bühnen- oder Tontechniker mittlerweile stark nachgefragt ist und unter mehreren Angeboten wählen kann, nimmt auch höhere Preise für die Leistung – manchmal bis zu 30 Prozent. Spätestens dann kämen auch die Veranstalter in eine Bredouille, denn sie müssten ebenfalls höhere Preise an die Zuschauer weitergeben. "Und die wundern sich dann, dass die Tickets teurer werden", fürchtet Rödel.
"Wenn wir wieder loslegen wollen, wissen wir noch nicht, wer die Menschen sind, die mit uns wieder arbeiten werden", erklärt Rödel seine Bedenken. Für viele Techniker und Bühnenarbeiter war dieser Schritt nach zwei Jahren Pandemie auch notgedrungen.
Für Festivalveranstalter wie Martin Kranz aus Weimar heißt es, trotz aller Lockerungen der Politik könnten die kommenden Wochen noch anstrengend werden, denn "es ist im Grunde genommen so, dass zu wenige Tickets verkauft werden können. Die Menschen sind noch vorsichtig, sie halten sich noch zurück." Die Konzertbranche fordert nun konkrete Maßnahmen von der Politik. Die Freigrenze für geringfügig Beschäftigte von 450 auf 1.200 Euro aufzustocken, ist nur eine davon.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 16. Februar 2022 | 12:10 Uhr