
Bilanz Luthergedenkstätten Sachsen-Anhalt: Direktor Stefan Rhein verabschiedet
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31. Januar 2023, 15:13 Uhr
Kulturelle Bildung war für Stefan Rhein das A und O: Mehr über Luther und die Reformation zu erfahren, soll Spaß machen – beispielsweise beim Luther-Escape-Spiel "Tatort 1522" im Augusteum Wittenberg. Neben besonderen Ausstellungen etwa zum Reformationsjubiläum 2017 verantwortete der erste Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten Sachsen-Anhalt fünf große Bauprojekte, darunter Luthers Geburts- und Sterbehaus in Eisleben. Die wurden nicht nur saniert, sondern modern gestaltet, was den Tourismus ankurbelte. Nach 25 Jahren im Amt wurde Rhein nun mit einem Festakt in den Ruhestand verabschiedet. Eine Bilanz.
Bei seinem Abschied als Chef der Luthergedenkstätten ist Stefan Rhein am Montagabend als Bauherr, Ausstellungsmacher, Wissenschaftler und Netzwerker gewürdigt worden. 25 Jahre prägte der studierte Philosoph und Sprachwissenschaftler die Geschicke der Stiftung, die er ab 1998 aufbaute. Nach den Worten von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff meisterte er damit eine "gewaltige Aufgabe". In seiner Regie wurden die Luthermuseen in Wittenberg, Eisleben und Mansfeld saniert. Damit leistete Rhein einen großen Beitrag, das "historische Gesicht" der drei eng mit Luther verbundenen Orte wiederherzustellen, so Haseloff. Gewürdigt wurden außerdem seine Verdienste um die Luther- und Melanchthon-Forschung.
"Ein Katholik im Lutherhaus zu Wittenberg und dann noch einer aus dem Westen?"
Dabei war man bei Rheins Amtsantritt fast skeptisch, was auch bei den Festreden bei der Verabschiedung augenzwinkernd thematisiert wurde: "Ein Katholik im Lutherhaus zu Wittenberg und dann noch einer aus dem Westen?" Rhein aber hat schließlich fünf moderne und lebendige Museen an drei verschiedenen Orten geschaffen und außerdem die Rezeption und Auseinandersetzung mit Luther und der Reformation verändert – "im religiös-spirituellen Sinn, aber auch im Hinblick auf den Tourismus". Mit Leidenschaft und einer außergewöhnlich vielseitigen Expertise hat der weltweit respektierte Wissenschaftler die Herausforderungen in guter Zusammenarbeit mit Ministerialen, Landräten oder dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie bewältigt.
Zur Person: Stefan Rhein und die Stiftung Luthergedenkstätten
Stefan Rhein wurde 1958 in Stuttgart geboren. Er studierte Latein und Griechisch in Freiberg, Heidelberg und Florenz. Nach seiner Dissertation über "Philologie und Dichtung. Melanchthons griechische Gedichte" wirkte er von 1988 bis 1997 als Kustos am Melanchthonhaus Bretten. 1994 übernahm Stefan Rhein im Nebenamt die Leitung der Reuchling-Forschungsstelle der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. 1998 wurde er Vorstand und Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten Sachsen-Anhalt. Seit 2000 hat Stefan Rhein auch den Vorsitz der kulturtouristischen Initiative "Wege zu Luther e.V." inne.
Seither 1998 verantwortete der Philosoph und Sprachwissenschaftler außer Baumaßnahmen im Umfang von 50 Millionen Euro auch zahlreiche Ausstellungen unter anderem zum 500-jährigen Reformationsjubiläum, das 2017 begangen wurde. Dazu kamen 250.000 Gäste aus aller Welt.
In der edition AKANTHUS erschien sein Buch "Lucas Cranach der Jüngere - Eine biografische Annäherung". Ihn aus dem Schatten seines Vaters herauszuholen, war Anliegen der Landesausstellung 2015 von Sachsen Anhalt - und auch von Stefan Rhein als Chef der Stiftung Luthergedenkstätten, die nun unter dem neuen Namen LutherMuseen Träger von fünf Erinnerungsorten in Eisleben, Mansfeld und Wittenberg ist: das Lutherhaus und das Haus seines Mitstreiters Philipp Melanchthon in Wittenberg, in Eisleben Luthers Geburtshaus und das Museum "Luthers Sterbehaus" sowie Luthers Elternhaus im benachbarten Ort Mansfeld.
Zu Rheins Bilanz gehören ebenso 64 Tagungen und 117 Publikationen.
Bauherr und Netzwerker: 5 Lutherstätten in Rheins Ägide saniert und neu gestaltet
Schließlich wurden sogar Grabungen bei der Sanierung der Lutherstätten wie dem Elternhaus des Reformators in Mansfeld durchgeführt. Dabei wurden 2003 in der Abfallgrube die heute berühmten Luthermurmeln gefunden. Kugeln aus Ton, mit denen Luther als Kind gespielt haben könnte. Auch solche Funde wurden in die Präsentation einbezogen, um das komplexe Thema der Reformationsgeschichte menschlicher und auch leichter zu vermitteln. Authentische Exponate wurden in Wittenberg, Eisleben oder Mansfeld wunderbar inszeniert. Das wurde international wahrgenommen und kurbelte den Tourismus an.
Stefan Rhein verstand es glänzend, publikumswirksam zu kommunizieren. Medienaffin, aber auch immer auf Augenhöhe mit seinem Gegenüber. Das war auch wichtig bei allen Baumaßnahmen.
Stefan Rhein hatte Mut zur Kombination von Alt und Neu
Die fünf historischen Häuser, darunter Luthers Geburts- und Sterbehaus in Eisleben oder das Melanchthon-Haus in Wittenberg, sind nicht nur saniert, sondern auch modernisiert und vergrößert worden. Deshalb brauchte man auch An- und Neubauten. Und da hat man sich im Kuratorium der Stiftung immer für sehr moderne Architektur entschieden. Also eine Vermischung von Alt und Neu – was auf der einen Seite mit Preisen ausgezeichnet wurde, bei der Bevölkerung aber auch sehr umstritten war. Rheins Stärke war es, Auseinandersetzungen nicht zu scheuen, immer wieder in die Diskussion zu gehen mit den Menschen vor Ort. Nicht abgehoben, sondern lebensnah und mit viel Humor – auch sich selbst gegenüber.
Reformationsjubiläum 2017 wurde international gefeiert
Mit dieser Haltung hat Rhein auch das international gefeierte Reformationsjubiläum 2017 gemanagt. Vorausgegangen war dem eine bereits 2007 ausgerufene sogenannte Lutherdekade mit Veranstaltungen, Tagungen und erlebnisorientierten Ausstellungen in den fünf Museen zu immer neuen Themen, auch zu Cranach dem Jüngeren oder Luthers Frau, Katharina von Bora. Da wurden alle Facetten der Reformation durchdekliniert. Da stand auch schon mal der Vorwurf im Raum, das Jubiläum verschlinge sämtliche Kulturförderung des Landes. Aber, es hatte sich eben noch nicht 'ausgeluthert', es wurde zwar nach dem Jubiläum erstmal stiller, aber die Energie und Lust auf Neues blieb.
Fleißig bis zum letzten Arbeitstag
Dass Rhein nicht nur in seinem "Job", sondern auch in den damit verbundenen Orten in Sachsen-Anhalt aufgegangen ist, zeigte die Liste der Honoratioren beim Festakt. Viele Akteure wie Bürgermeister, Vertreter der Architektenkammer, Stiftungsmitarbeitende oder eben auch die Schulleiterin des Melanchthon-Gymnasiums sind zu Wort gekommen, mit dem die Stiftung seit etlichen Jahren eine Kooperation pflegte. Sie alle fanden Worte wie Neugier, Inspiration, Leidenschaft, Hilfsbereitschaft – und Teamplayer. An seinem letzten Arbeitstag am 31. Januar gibt Rhein übrigens noch eine Lesung zu seinem Lieblingsthema: Melanchthon.
LutherMuseen-Ausblick: Rhein-Nachfolger widmet sich Müntzer und dem Bauernkrieg
Die Stiftung Luthergedenkstätten firmiert inzwischen unter dem Titel LutherMuseen und als Träger von fünf Erinnerungsorten in Eisleben, Mansfeld und Wittenberg. Rheins Nachfolger ist ab Februar Thomas T. Müller, der seit 2006 Direktor der Mühlhäuser Museen und seit 2019 Präsident des Museumsverbandes Thüringen gewesen ist. Der aus dem thüringischen Eichsfeld stammende Historiker gilt als renommierter Experte für die Frühe Neuzeit und Reformation, besonders des Bauernkriegs, der mit dem Jubiläum 2025 zusammen mit Thomas Müntzer sein erstes großes Thema wird. Bis 2025 sollte auch die Sanierung des Lutherhauses in Wittenberg abgeschlossen sein.
Redaktionelle Bearbeitung: Katrin Schlenstedt
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 31. Januar 2023 | 08:10 Uhr