Parkour-Sportler in Leipzig in Aktion
Bildrechte: MDR/Tobias Polze

Erfahrungsbericht Passion Parkour

19. Juni 2015, 16:28 Uhr

Mein Name ist Tobias, ich bin 21 Jahre alt und aktiver Parkourläufer. In den letzten drei Jahren ist Parkour zu einem meiner Lebensinhalte geworden und hat meine Sicht auf viele Dinge total verändert.

Angefangen hat alles, als ich mit 14 im Fernsehen einen Bericht über die neue Bewegung „Le Parkour“ aus Frankreich gesehen habe. Ich war sofort begeistert. Die Art, wie sich die Traceure – so nennt man die Akteure beim Parkour - bewegten, über die Hindernisse sprangen, faszinierte mich. Es juckte mir buchstäblich in den Fingern, das auch mal auszuprobieren. Ich setzte mich also an den Computer und suchte im Internet nach „Parkour“. Relativ schnell fand ich auf Youtube etliche Videos und nach weiterer Recherche auch einige Tutorials von professionellen Traceuren. Die „Profis“ rieten, zuerst mit dem Abrollen zu beginnen, denn bevor man die ersten großen Sprünge macht, sollte man landen können.

Parkour-Sportler in Leipzig in Aktion
Aller Anfang ist schwer ... Inzwischen ist er ein geübter Parkourläufer Bildrechte: MDR/Tobias Polze

Nachdem ich mir einige Lehrvideos angeschaut hatte, ging ich voller Motivation in unseren Garten, um diese auszuprobieren. Zunächst gab es einige Fehlversuche, doch schon bald spürte ich erste Erfolge. Das motivierte. Die Rollen wurden besser und die Schmerzen durch verbesserte Technik weniger. Ich versuchte auch, meine Freunde davon zu überzeugen, mit mir zusammen Parkour anzufangen. Leider konnten sie sich dafür nicht so begeistern wie ich und so verlor auch ich wieder die Lust daran.

Endlich Gleichgesinnte

Als ich mit 18 die Schule wechselte, fand ich endlich Gleichgesinnte, denn an der neuen Schule gab es einen Parkourkurs. Dort lernte ich Felix und Hans kennen, die schnell meine Freunde wurden. Das Tolle am Parkour sind die vielen Möglichkeiten, neue Leute kennenzulernen. Die Offenheit der Community erstaunt mich jedes Mal aufs Neue. Mit Hans und Felix trainierte ich regelmäßig, und gemeinsam feilten wir an unseren Techniken. Ich konnte sogar einige Abiturkameraden dazu bewegen, auch mal beim Training vorbeizuschauen. Allerdings haben sie nicht dieselbe Passion für Parkour entwickelt wie ich. Viele verlieren schnell wieder das Interesse, denn um Fortschritte zu machen, braucht man enorm viel Fleiß und Durchhaltevermögen.

Parkour-Sportler in Leipzig in Aktion
Tobias in Aktion im Parkourpark in Leipzig-Schönefeld Bildrechte: MDR/Tobias Polze

Im April 2014 musste ich eine ungeplante Auszeit nehmen. Eine schwere Verletzung aus dem Sportunterricht zwang mich beinahe ein halbes Jahr Pause einzulegen. Ich hatte mich bis dato noch nie ernsthaft bei Parkour verletzt, aber dennoch zeigte mir die Verletzung, dass ich darauf aufpassen muss. Die Verletzung änderte aber nichts an meiner Leidenschaft für Parkour. Schon bald ging ich wieder zum Training und wagte mich auch langsam wieder an die Sprünge heran.

Mittlerweile hatte ich mein Abitur bestanden und auch meine Ausbildung beim MDR war mir sicher. Das bedeutete für mich jedoch, dass ich meine Heimatstadt Wolfsburg verlassen und nach Leipzig ziehen musste. Ich freute mich auf meine Ausbildung und zugleich war ich traurig, dass ich meine Freunde zurücklassen musste. Außerdem wusste ich nicht, ob es in Leipzig auch Traceure gibt und ob diese mich genauso offen empfangen.

Die Community - extrem wichtig

Nach einem gelungenen Umzug fand ich auf Facebook die Parkourgruppe TwioX. Auf meine Anfrage, ob denn jemand Lust hätte, mir ein paar der Spots – so nennen wir Traceure Orte, an denen man trainieren kann – in Leipzig zu zeigen, meldete sich Benjamin. Wir trafen uns in der Innenstadt und verstanden uns gleich auf Anhieb. Mit Leuten, die sich für Parkour interessieren, kommt man ziemlich schnell ins Gespräch – wir unterhielten uns über bekannte Teams, Events oder Parkourmode.

Mit Benjamin und meinen Freunden aus Wolfsburg besuchte ich Ende Dezember 2014 besuchte ich meinen ersten großen Jam, den „4 the love of moment – winter edition“ in Den Haag. Reisen ist immer ein interessanter Aspekt bei Parkour. Denn unser Sport ist nicht an Hallen oder Plätze gebunden, die ganze Welt bietet sich quasi als großer „Spielplatz“ an.

Das tolle an der Parkour-Community ist, dass alle gleich sind. Es gibt zwar Profis, die einen Promi-Status unter den Traceuren genießen, aber sie sind noch immer auf einer Ebene mit allen Traceuren. Während des gesamten Events haben die Profis Seite an Seite mit Anfängern und semiprofessionellen Traceuren trainiert. Sie waren für Fragen offen und gaben sogar kleine Workshops. Mein Fazit: Jeder Traceur sollte mindestens einmal auf einem Jam gewesen sein. Die Erfahrung ist einfach unglaublich.

Parkour-Sportler in Leipzig in Aktion
Tobias zeigt die Figur "Makaku" vor dem Uni-Riesen in Leipzig Bildrechte: MDR/Tobias Polze

So ein Event verlässt man durchschnittlich mit zehn neuen Facebook-Freunden. Soziale Netzwerke sind in der Community extrem wichtig und dadurch hat man Kontakte in der ganzen Welt. Wenn ich mal eine andere Stadt oder ein anderes Land besuchen will, finde ich über die Community immer einen Stadtführer oder in manchen Fällen sogar eine kostenlose Unterkunft.

Schlussendlich kann ich sagen, dass Parkour meine Welt sehr verändert hat. Ich nehme meine Umgebung inzwischen komplett anders wahr. Durch die vielen Kontakte, die in den drei Jahren Parkour geknüpft habe, wurde meine Entdecker- und Reiselust geweckt. Allein bis August dieses Jahres stehen Ausflüge nach Erfurt, nach Mainz, ins Elbsandsteingebirge und nach Italien an. Und das alles ohne großen Kosten- und Organisationsaufwand, da wir uns als Community gegenseitig unterstützen. In Parkour habe ich meine Leidenschaft gefunden, ein Leben ohne könnte ich mir nicht mehr vorstellen.