Tausendfüßler
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Von Tausendfüßlern und Hornmilben Forscher in Görlitz nehmen Bodentiere unter die Lupe

23. Februar 2015, 16:59 Uhr

Manchmal sind die wirklich wichtigen Dingen völlig unscheinbar und kaum zu sehen. Wie die unzähligen Lebewesen, die im Boden leben unter unseren Füßen. Wer nicht mal genau hinsieht oder ein bisschen gräbt, wird kaum etwas entdecken. Dabei sind viele der Krabbeltiere lebenswichtig für uns. Am Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz sind die Bodenbewohner deshalb Forschungsschwerpunkt. Unser Chefreporter hat sich das Forschungsprojekt Edaphobase zeigen lassen, das der Bund mit Millionen fördert.

"Ich habe jetzt hier einen tropischen Tausendfüßler in der Hand, aus Westafrika, Togo, ca. 10-11 cm lang, ziemlich viele Beine mit denen er sich gut festhalten kann." Was für viele Menschen leicht unheimlich wäre, ist für Peter Decker Alltag. Er lässt den Tausendfüßler, den er aus einem Terrarium geholt hat, über seine Hände laufen. Und blickt das Insekt fast ein wenig verliebt an: "Sehr leicht zu halten, sehr pflegeleicht, braucht nur ab und zu Gemüseabfälle, Salat. Bisschen Lauf, bisschen Erde. Feucht genug muss es sein, dann fühlt er sich wohl, vermehrt sich gut." Peter Decker ist Doktorand. Er promoviert über Tausendfüßler, seine Leidenschaft sind die Bodentiere. An der Bodenzoologie reizt ihn, "vor allem, dass man so wenig weiß, dass sie überall vorkommen. Man ist ganz schnell ein Pionier, irgendwas rauszufinden."

Die besondere Sicht - von unten

Bodenbiologen betrachten die Erde aus einem sehr speziellen Blickwinkel: Von ganz unten! Und sie orientieren sich in einer Welt, über die die meisten Menschen weniger wissen, als über entlegene Polarregionen oder exotische Wüstengebiete. Auch Ricarda Lehmitz kennt sich in der Sphäre unter unseren Fußsohlen bestens aus. Die Wissenschaftlerin ist auf noch kleinere Lebewesen spezialisiert: Auf Hornmilben. "Also, ich sage ja immer, die Hornmilben sind die guten unter den Milben, weil sie für die Bodenfruchtbarkeit zuständig sind. Der größte Teil lebt im Boden, es gibt einige, die an Baumrinde leben auch. Sie zersetzen abgestorbene Pflanzenteile, setzen Nährstoffe wieder frei, damit die Pflanzen wieder wachsen können - ähnlich wie ein Regenwurm halt."

Tagebaue wieder renaturieren

Und weil die Hornmilbe robuster ist als der Regenwurm, kommt ihr bei Renaturierungsprojekten eine besondere Bedeutung zu, auch und gerade in der Umgebung von Senckenberg. "Hier in Görlitz beschäftigen wir uns viel mit ehemaligen Tagebauen, wie die wieder besiedelt werden, wie sich da ein fruchtbarer Boden entwickelt. Ich beschäftige mich speziell mit der Einwanderung von Hornmilben in solche Flächen. die Regenwürmer kommen ja erst recht spät. Es dauert mindestens sieben Jahre, bis man die ersten Exemplare antreffen kann, teilweise auch deutlich länger. Die Hornmilben sind aber schon wieder nach zwei Jahren in den Flächen drin und sorgen dafür, dass dort Pflanzen wachsen können."

Pläne für ganz Europa

Die oft übersehenen Lebewesen, - Bodenmilben, Fadenwürmer, Springschwänze, Ringelwürmer oder eben Tausendfüßer -, schaffen durch ihre Tätigkeit erst die Voraussetzung für Bodenfruchtbarkeit: Für uns Menschen sind sie also überlebenswichtig. Die wissenschaftliche Pionierleistung in Görlitz besteht darin, dass erstmals bodenbiologische Untersuchungen im globalen Rahmen zusammengestellt, verknüpft und zugänglich gemacht werden. EDAPHOBASE nennen die Wissenschaftler ihre Bodentier-Datenbank, die von dem Informatiker Stephan Lesch angelegt und gepflegt wird. Und zwar online, global und von jedermann: Die Datenbank ist für alle freigeschaltet. Ziel ist es, die sächsische Grenzstadt zum europäischen Zentrum für bodenzoologische Forschung auszubauen.