Alte Obstbaumtechniken neu entdeckt Obstbaumerziehung: Pinzieren, Kerben, Blenden & Formieren

Erziehung ist das A und O. Das gilt nicht nur für kleine Kinder, sondern auch für Obstbäume. Alte Techniken, wie sie unsere Vorfahren schon anwendeten, erleben ein Comeback. Das Prinzip ist einfach: durch Abknipsen, Anbinden oder Schneiden von Ästen, kann man die Nährstoffe gezielt in bestimmte Regionen des Baumes leiten. Wie das funktioniert, erklären wir hier.

Ein Kameramann  filmt eine Frau die an jungen Obstbäumen arbeitet.
Monika Möhler ist Expertin für Obstanbau in der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Erfurt Bildrechte: Daniela Dufft

Mit jungen Bäumen ist es wie mit kleinen Kindern, sagt Monika Möhler von der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Erfurt. Je früher man mit der Erziehung anfängt, umso besser ist es für den Baum. Die Expertin rät zu kleinen, regelmäßigen Eingriffen, die das Gleichgewicht des Baumes nicht stören. Am Anfang sollte Grundsätzlich die Frage stehen, wie der Baum später einmal aussehen soll. Wichtig ist der Leitstamm, also die Mittelachse. Um diese herum sollte der Baum Gerüstäste bilden, die gleichmäßig um den Leitast herum angeordnet sein sollten. Die in jungen Jahren angelegte Baumstruktur bleibt das ganze Baumleben lang erhalten. Werden junge Bäume nicht erzogen, haben sie zum Schluss nicht die Form, die ein Obstbaum braucht, um viele und gute Früchte zu tragen.

Für die Erziehung des Baumes nutzen die Obstbaumexperten der Lehr- und Versuchsanstalt in Erfurt auch alte Techniken, wie Pinzieren, Formieren, Kerben und Blenden.

Alte Obstbaumtechniken vorgestellt Obstbaumerziehung: Pinzieren, Formieren, Kerben, Blenden

Sie machen nicht viel Arbeit, sind aber wirkungsvoll: alte Obstbautechniken. Hier zeigen wir Ihnen, wie sie angewendet werden. Neutriebe werden gekürzt, Äste mit Gewichten gebogen - eigentlich ganz einfach!

Ein Mann und eine Frau stehen hinter jungen Obstbäumen mit sehr langen Spitzen.
Durch die Spitzenförderung treibt der Baum oben immer am meisten. Bildrechte: Daniela Dufft
Ein Mann und eine Frau stehen hinter jungen Obstbäumen mit sehr langen Spitzen.
Durch die Spitzenförderung treibt der Baum oben immer am meisten. Bildrechte: Daniela Dufft
Eine Baumspitze wird abgeschnitten.
Um die Kraft wieder in den unteren Bereich des Baumes zu lenken, muss die Spitze ab. Bildrechte: Daniela Dufft
Ein Kameramann  filmt eine Frau die an jungen Obstbäumen arbeitet.
Auch die Neutriebe im oberen Bereich sind häufig lang. Sie sollten mit dem Fingernagel um 1/3 eingekürzt werden. Bildrechte: Daniela Dufft
Mit einer Hand wird die Spitze eines jungen Astes abgeknipst
Diese Technik nennt man Pinzieren. Bildrechte: Daniela Dufft
Ein Ast wird durch einen Strick in die Waagerechte gezogen
Vom Formieren spricht man, wenn der Obstbaum in Form gebracht wird. Beispielsweise indem die Äste angebunden werden, damit sie waagerecht wachsen. Bildrechte: Daniela Dufft
An einem Ast hängt eine Metallkugel
Auch Kugeln wie diese ziehen den Ast in eine ideale Position. Wer keine so schönen Eisenkugeln hat, kann auch einen Stein anbinden. Bildrechte: Daniela Dufft
An einem jungen Stamm ist eine halbmondförmige Kerbe zu sehen.
Hat der Baum eine kahle Stelle, hilft ein halbmondförmiger Einschnitt über einem Auge. Kerben heißt diese Technik, die häufig mit einem scharfen Messer gemacht wird. Bildrechte: Daniela Dufft
Taschenmesser mit Säge
Mit so einer kurzzahnigen Säge geht’s aber leichter. Bildrechte: Daniela Dufft
Mit einem Messer wird in die Rinde eines jungen Stammes eine Kerbe geschnitten
Die Säge einfach über den Stamm ziehen, fertig. Bildrechte: Daniela Dufft
Mit einer Astschere wird ein Ast abgeschnitten, ein Zapfen bleibt stehen
Auch im belaubten Zustand können Äste an Obstbäumen noch geschnitten werden, wenn sie zu dicht stehen. Beim Zapfenschnitt bleibt ein Ast stehen. Die schlafenden Augen unten am Zapfen werden angeregt, neu auszutreiben. Bildrechte: Daniela Dufft
Unterhalb eines Zapfens hat sich ein neuer Trieb gebildet
Dieser Zapfenschnitt wurde vor einem Jahr gemacht. Im unteren Bereich hat ein Auge neu ausgetrieben und einen schönen waagerechten Ast gebildet. Der kleine Neuaustrieb oben kann entfernt werden. Das nennt man Blenden. Bildrechte: Daniela Dufft
Bündig zum Baumstamm wurde ein Ast abgeschnitten
Auf Ast schneiden heißt, den Ast direkt am Stamm zu entfernen. So verheilt zwar die Wunde gut, der Baum kann an dieser Stelle aber nicht noch einmal austreiben. Bildrechte: Daniela Dufft
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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Garten | 20. Mai 2018 | 08:30 Uhr

Alte Obstbaumtechniken Pinzieren
Pinzieren bedeutet, grüne Neutriebe, vor allem im Kronenbereich des Baumes, um etwa 1/3 einzukürzen. Die jungen Zweige werden einfach mit dem Fingernagel abgebrochen. Mindestens fünf Blätter sollten aber stehen bleiben. Dieser Eingriff führt dazu, dass der Baum sich im unteren Bereich besser verzweigt. Guter Zeitpunkt ist der Mai.

Formieren
Formieren heißt, den Baum in Form zu bringen, zum Beispiel, indem man die Äste anbindet und so in die gewünschte Wuchsrichtung lenkt. Auch Gewichte helfen, senkrecht wachsende Äste in die Waagerechte zu ziehen. Diese Erziehungsmethode kann das ganze Jahr über angewendet werden. Die Technik hilft sogar noch bei alten Bäumen.

Kerben
Hat ein Baumstamm kahle Stellen, ohne Äste, kann man den Austrieb fördern. Hierfür wird am besten Anfang März über einem Auge an, dem der Austrieb gewünscht ist, ein halbmondförmiger Einschnitt gemacht. Das funktioniert mit dem Messer, ist aber mit einer Säge mit kurzen Zähnen noch einfacher.

Blenden
Werden Knospen oder kurze Neutriebe nicht gebraucht, kann man sie einfach mit dem Finger abknipsen. Diese Technik wird Blenden genannt.

Eine zu lange Mittelachse

Durch die Spitzenförderung treibt der Baum in der Spitze immer am meisten. Das führt häufig zu einer sehr langen Mittelachse, die die Gerüstäste weit überragt. Damit die Kraft wieder in die unteren Äste geht, sollte die Spitze gekürzt werden.

Obstbaumschnitt am belaubten Baum

Auch wenn Obstbäume Laub tragen, können sie geschnitten werden. Im Mai sieht man sehr schön, an welchen Stellen sich Blüten gebildet haben und an welchen Ästen schon Fruchtansätze da sind.

Stehen die Äste zu dicht empfiehlt Monika Möhler grundsätzlich einen so genannten Zapfenschnitt. Dabei wird der Ast nicht direkt am Baumstamm abgeschnitten, sondern ein so genannter Zapfen bleibt stehen. Der Zapfen sollte unbedingt schräg, wie eine Wurstscheibe, abgeschnitten werden. Schlafende Augen unterhalb des Astes bleiben erhalten und können später austreiben.

Früher wurden viele Äste bündig abgeschnitten, damit aber auch alle schlafenden Augen entfernt. Mit der radikalen Methode verheilt die Wunde zwar gut, ein Neuaustrieb wird aber ein für alle Mal unterbunden.

Mit einer Astschere wird ein Ast abgeschnitten, ein Zapfen bleibt stehen
Die schlafenden Augen unterhalb des Zapfens werden zum Austrieb angeregt. Bildrechte: Daniela Dufft

Latexanstrich schützt vor Kälte und Schädlingen

In der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Erfurt sind viele Baumstämme mit weißer Latexfarbe eingepinselt. Dadurch wird der Stamm vor kräftigen Temperaturunterschieden vor allem im Winter geschützt und er reißt nicht so schnell, erklärt Monika Möhler. Außerdem verhindert der Anstrich das Eindringen von Bakterien.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Garten | 28. Oktober 2018 | 08:30 Uhr