Alte Obstbaumtechniken neu entdeckt Obstbaumerziehung: Pinzieren, Kerben, Blenden & Formieren
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Erziehung ist das A und O. Das gilt nicht nur für kleine Kinder, sondern auch für Obstbäume. Alte Techniken, wie sie unsere Vorfahren schon anwendeten, erleben ein Comeback. Das Prinzip ist einfach: durch Abknipsen, Anbinden oder Schneiden von Ästen, kann man die Nährstoffe gezielt in bestimmte Regionen des Baumes leiten. Wie das funktioniert, erklären wir hier.

Mit jungen Bäumen ist es wie mit kleinen Kindern, sagt Monika Möhler von der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Erfurt. Je früher man mit der Erziehung anfängt, umso besser ist es für den Baum. Die Expertin rät zu kleinen, regelmäßigen Eingriffen, die das Gleichgewicht des Baumes nicht stören. Am Anfang sollte Grundsätzlich die Frage stehen, wie der Baum später einmal aussehen soll. Wichtig ist der Leitstamm, also die Mittelachse. Um diese herum sollte der Baum Gerüstäste bilden, die gleichmäßig um den Leitast herum angeordnet sein sollten. Die in jungen Jahren angelegte Baumstruktur bleibt das ganze Baumleben lang erhalten. Werden junge Bäume nicht erzogen, haben sie zum Schluss nicht die Form, die ein Obstbaum braucht, um viele und gute Früchte zu tragen.
Für die Erziehung des Baumes nutzen die Obstbaumexperten der Lehr- und Versuchsanstalt in Erfurt auch alte Techniken, wie Pinzieren, Formieren, Kerben und Blenden.
Alte Obstbaumtechniken
Pinzieren
Pinzieren bedeutet, grüne Neutriebe, vor allem im Kronenbereich des Baumes, um etwa 1/3 einzukürzen. Die jungen Zweige werden einfach mit dem Fingernagel abgebrochen. Mindestens fünf Blätter sollten aber stehen bleiben. Dieser Eingriff führt dazu, dass der Baum sich im unteren Bereich besser verzweigt. Guter Zeitpunkt ist der Mai.
Formieren
Formieren heißt, den Baum in Form zu bringen, zum Beispiel, indem man die Äste anbindet und so in die gewünschte Wuchsrichtung lenkt. Auch Gewichte helfen, senkrecht wachsende Äste in die Waagerechte zu ziehen. Diese Erziehungsmethode kann das ganze Jahr über angewendet werden. Die Technik hilft sogar noch bei alten Bäumen.
Kerben
Hat ein Baumstamm kahle Stellen, ohne Äste, kann man den Austrieb fördern. Hierfür wird am besten Anfang März über einem Auge an, dem der Austrieb gewünscht ist, ein halbmondförmiger Einschnitt gemacht. Das funktioniert mit dem Messer, ist aber mit einer Säge mit kurzen Zähnen noch einfacher.
Blenden
Werden Knospen oder kurze Neutriebe nicht gebraucht, kann man sie einfach mit dem Finger abknipsen. Diese Technik wird Blenden genannt.
Eine zu lange Mittelachse
Durch die Spitzenförderung treibt der Baum in der Spitze immer am meisten. Das führt häufig zu einer sehr langen Mittelachse, die die Gerüstäste weit überragt. Damit die Kraft wieder in die unteren Äste geht, sollte die Spitze gekürzt werden.
Obstbaumschnitt am belaubten Baum
Auch wenn Obstbäume Laub tragen, können sie geschnitten werden. Im Mai sieht man sehr schön, an welchen Stellen sich Blüten gebildet haben und an welchen Ästen schon Fruchtansätze da sind.
Stehen die Äste zu dicht empfiehlt Monika Möhler grundsätzlich einen so genannten Zapfenschnitt. Dabei wird der Ast nicht direkt am Baumstamm abgeschnitten, sondern ein so genannter Zapfen bleibt stehen. Der Zapfen sollte unbedingt schräg, wie eine Wurstscheibe, abgeschnitten werden. Schlafende Augen unterhalb des Astes bleiben erhalten und können später austreiben.
Früher wurden viele Äste bündig abgeschnitten, damit aber auch alle schlafenden Augen entfernt. Mit der radikalen Methode verheilt die Wunde zwar gut, ein Neuaustrieb wird aber ein für alle Mal unterbunden.
Latexanstrich schützt vor Kälte und Schädlingen
In der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Erfurt sind viele Baumstämme mit weißer Latexfarbe eingepinselt. Dadurch wird der Stamm vor kräftigen Temperaturunterschieden vor allem im Winter geschützt und er reißt nicht so schnell, erklärt Monika Möhler. Außerdem verhindert der Anstrich das Eindringen von Bakterien.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Garten | 28. Oktober 2018 | 08:30 Uhr