Zehnter Todestag Erinnerungen an den Bariton Dietrich Fischer-Dieskau

18. Mai 2022, 00:00 Uhr

Vor zehn Jahren, am 18. Mai 2012, starb Dietrich Fischer-Dieskau im Alter von 86 Jahren. Der Bariton gilt als einer der bedeutendsten Lied-, Konzert- und Opernsänger des 20. Jahrhunderts. Mit über 400 Schallplatten existieren von ihm wohl die meisten Einspielungen überhaupt. MDR KLASSIK erinnert an den einzigartigen Künstler und fokussiert sich dabei auf seinen Werdegang auf der Opernbühne.

Es war eine "Lohengrin"-Aufführung, die Dietrich Fischer-Dieskau als 12-Jähriger sah und die in ihm den Wunsch auslöste, Operntenor zu werden. Die Vorstellung fand damals in dem von seinem Vater mitbegründeten "Theater der Jugend" statt. Der Vater war ein musisch interessierter Gymnasialdirektor in Berlin-Zehlendorf und inszenierte Schulaufführungen auf hohem Niveau.

Als ich den Lohengrin mit den goldenen Locken und dem Schwan sah, dachte ich, das ist meine Zukunft. Das werde ich bestimmt auch mal machen.

Dietrich Fischer-Dieskau in einem Interview mit Marek Kalina (2010)

Und so (beziehungsweise so ähnlich) kam es: Ein halbes Jahrhundert lang war der 1925 in Berlin geborene Fischer-Dieskau eine der bedeutendsten Sängerpersönlichkeiten weltweit – allerdings im Baritonfach.

Feinsinnige Interpretationen

Im Jahr 1948 begann die Karriere des Sängers: Er wurde an die Städtische Oper Berlin verpflichtet, stand aber bald auf allen großen Bühnen der Welt von Wien bis New York und galt als überragender Wagner-, Verdi- und Mozart-Interpret.

Dietrich Fischer-Dieskau, 1969
Dietrich Fischer-Dieskau während einer ZDF-Aufzeichnung zu Bachs Kreuzstab-Kantate (Februar 1969) Bildrechte: IMAGO / United Archives

Er konnte auf besondere Weise Text in Musik verwandeln, Emotionen vermitteln und Spannung erzeugen. Besonders als Liedsänger erlangte Fischer-Dieskau Bedeutung. Mehrere tausend Lieder hatte er im Repertoire. Kritiker und Publikum waren immer wieder von seinen feinsinnigen Interpretationen begeistert.

Karriere auf der Opernbühne

Den Durchbruch erlangte der Bariton als Wolfram von Eschenbach in Richard Wagners "Tannhäuser", den er mehrfach in Bayreuth und anderswo verkörperte und damit zum Inbegriff des "edlen" musikalischen Vortrags auf der Opernbühne wurde. Denn Fischer-Dieskau gestaltete all seine zahlreichen Bühnenrollen mit dramatischer Intensität und psychologischem Feingefühl und setzte damit darstellerisch neue Maßstäbe.

Der Sänger und die Dirigenten

Als künstlerische Erfüllung bezeichnete Fischer-Dieskau seine Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Herbert von Karajan: "Ich habe mich wahnsinnig wohlgefühlt als Wotan im 'Rheingold' bei Karajan. Er dirigierte so kammermusikalisch. Das habe ich so nie wieder erlebt. Er wusste genau, was er wollte: Die Musik war das Wichtigste," so Fischer-Dieskau 2010 im Gespräch mit Marek Kalina.

Der Bariton hat auch gern mit dem österreichischen Maestro Karl Böhm zusammengearbeitet, obwohl dieser im persönlichen Umgang alles andere als unkompliziert gewesen ist. Das störte Fischer-Dieskau nicht: "Ich finde, ein einfacher Kapellmeister ist von vornherein ein durchschnittlicher Kapellmeister. Denn der Dirigent muss seinen Willen aufzwingen, anders geht es nicht. Er muss ja bei allen Sängen ein Niveau erreichen und einen Stil erschaffen. Wenn Böhm nicht zufrieden war, dann nahm er sich den Betreffenden schon mal vor."

Graf Almaviva als Markenzeichen

Dietrich Fischer-Dieskau als Graf Alamviva
Dietrich Fischer-Dieskau als Graf Almaviva im Film "Le Nozze Di Figaro" aus dem Jahr 1975. Bildrechte: imago images/Mary Evans

Eine Mozart-Figur wurde nach eigener Aussage zum Markenzeichen des Sängers: "Den Grafen in 'Figaros Hochzeit' habe ich am häufigsten auf der Opernbühne gesungen. Zehn Jahre lang in Salzburg und auf anderen Bühnen. Es war für mich die ergiebigste Rolle, vor allem wegen der vielen Zwischenfarben, die von Mozart gefordert sind. Der Graf ist ja kein reiner Kavalier, auch kein reiner Diktator. Er ist ein ungeschickter Herrscher, dessen Ungeschicklichkeiten während der Vorstellung gezeigt werden müssen. Das ist gar nicht so einfach."

Medienereignis "Lear"

Bei der Uraufführung von Aribert Reimanns Oper "Lear" im Jahr 1978 sang Fischer-Dieskau an der Bayerischen Staatsoper die für ihn komponierte Titelrolle. Die spektakuläre Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle wurde musikalisch von Gerd Albrecht geleitet. Trotz der neuartigen und komplexen Klänge wurde die Aufführung zum Medienereignis und zu einem Riesenerfolg für alle Beteiligten.

"Das war damals ein Gang über ein dünnes Seil. Die Möglichkeit des Fallens war groß. Verlangt wurde, dass wir atonal in Aribert Reimanns Weise die melodischen Elemente finden," erinnerte sich Fischer-Dieskau später.

Ehefrau Julia Varady

Die aus Rumänien stammende Sopranistin Julia Varady wirkte bei der Lear-Uraufführung als Cordelia mit. Sie war seit 1977 mit Fischer-Dieskau verheiratet. Kennengelernt hatten sich die beiden vier Jahre zuvor bei den Proben zu Giacomo Puccinis Einakter "Der Mantel" an der Münchner Staatsoper.

Der Sänger beschrieb die Beziehung so: "Ich habe mir nie träumen lassen, dass es möglich wäre, mit einer Opernsängerin verheiratet zu sein. Ich sah, wie es bei anderen Paaren verlief. Die Scheidung stand immer vor der Tür. Dann stellte sich heraus, dass unserer Beziehung ein Idealzustand war. Wir konnten über alles reden, uns alles sagen. Das war für beide Teile gut. Abgesehen von dem sonstigen Glück, das da war."

Fischer-Dieskau war ein Arbeitstier und ein vielseitiger Künstler. Neben seiner Karriere als Sänger trat er als Musikschriftsteller, Maler, Rezitator und Dirigent in Erscheinung. Mit großem Engagement widmete er sich auch pädagogischen Aufgaben. Im Jahr 1992 beendete er seine aktive Sängerlaufbahn. Vor 10 Jahren, am 18. Mai 2012, starb der einzigartige Künstler im Alter von 86 Jahren.

Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 18. Mai 2022 | 07:10 Uhr

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