Uraufführung Familienoper in Erfurt: Zeitlose Geschichte für mehr Herzenswärme
Hauptinhalt
Seit mehr als 70 Jahren gehört Astrid Lindgrens Buch "Mio, mein Mio" fest zum Kanon der Kinderbücher. Die Geschichte überzeugt mit viel Gefühl, eine klaren Botschaft und viel Poesie. Für das Theater Erfurt hat der Dirigent und Komponist Peter Leipold die Erzählung vertont. Dabei war ihm vor allem wichtig, dass die Musik klar verständlich ist. Ein Probenbesuch.

Als Kind hat Peter Leipold das Buch "Mio, mein Mio" von Astrid Lindgren geliebt. Es war sogar eines seiner Lieblingsbücher. Als er mit dem Team am Theater Erfurt überlegte eine Familienoper zu schreiben, dachte er deswegen gleich an diese Geschichte. Dabei ist ihm die Perspektive des jungen Publikum wichtig: "Da ich dieses Buch als Kind schon sehr oft gelesen habe, weiß ich, wie es sich anfühlt, wenn man mit Kinderaugen darauf schaut: Man nimmt diese Erzählung an, so wie sie kommt, einfach an", erinnert sich der Komponist.
Nicht erst bei der neuerlichen Beschäftigung mit dem Stoff merkte er, dass sich der Blick ändert: "Als Erwachsener fängt man an zu grübeln, wie das sein kann. Jeder kann da auch eine andere Erklärung finden." Auch die Regisseurin Friederike Karig ist überzeugt, dass die Geschichte sich für jedes Alter eignet. Sie hat das Buch von Astrid Lindgren in eine operntaugliche Form gebracht. Keine leichte Aufgabe, meint die Librettistin: "Was macht man mit einem Ich-Erzähler, der vieles einfach beschreibt. Da hatte Peter Leipold aber gleich den richtigen Riecher und gesagt: Da steckt ja schon so viel Musik drin, das muss man nicht alles nochmal in Worte fassen."
Eine Geschichte voller Musik
Für Peter Leipold liefert das Buch die perfekte Vorlage für eine Oper, weil es schon voller Musik steckt: Der Rosengarten des Königs summt, immer wieder singt ein Trauervogel, auch eine Flöte spielt eine wichtige Rolle. Dabei spielen die Wiederholungen und der lyrische Charakter der Erzählung dem Komponisten in die Hände: "Immer wenn der Vater seinen Sohn anspricht, dann sagt er 'Mio, mein Mio'. Er sagt nie einfach nur den Namen."
In dem Buch "Mio, mein Mio" erzählt die Waise Bo Wilhelm Olsson von seinem tristen Leben bei seinen Zieheltern in Stockholm, von mobbenden Kindern und wie neidisch er darauf ist, dass sein Freund Benka einen so liebenden Vater hat. Dann findet Bo überraschend ein Flaschengeist, der ihn zu seinem Vater bringt – dem König im Land der Ferne. Es ist ein Paradies, das jedoch vom bösen Ritter Kato bedroht wird. Auf seiner Reise sammelt Bo, der inzwischen Mio heißt, zahlreiche hilfreiche Gegenstände für den Kampf.
Aufrichtige Opernkomposition
Eben diese Objekte sind Peter Leipold für seine Vertonung wichtig: "Natürlich eignet sich das für Motivik, die die Zuhörer durch die Geschichte zu tragen." Denn für den Komponisten ist besonders wichtig, "dass man hört, was man sieht, dass man die Geschichte hört, also dass man – ganz unbewusst – nachvollziehen kann, warum etwas in der Musik passiert." Als ein gutes Beispiel und vielleicht auch als Vorbild nennt Leipold Prokofjews "Peter und der Wolf". Seiner Meinung wunderbare Musik, die aber zuerst im Dienste der Geschichte steht.
"Es ist ganz wichtig, dass man sehr aufrichtig schreibt", meint der Komponist, "dass man nicht versucht, etwas künstlich zu erzeugen oder dass etwas aus dem Kopf heraus entsteht. Genau dieser Ansatz des Komponierens begeisterte auch die Katja Bildt. "Bei mir läuft, wenn ich diese Musik höre, schon einen Film im Kopf ab", meint die Mezzosopranistin. "Das zeichnet dieses Stück auch aus und deshalb ist es auch für das Publikum wahnsinnig gut zu verstehen und mitzuverfolgen, weil man diese Lautmalerei hat. Da ist klar: Jetzt freut sich jemand, jetzt ist dieses, jetzt ist jenes." Auch für ihre Darstellung auf der Bühne war das wichtig.
Psychologische Inszenierung in Erfurt
Katja Bildt spielt Mios Freund – und das gleich zweimal. Denn Mio reist zwar zwischen den Welten, doch die Menschen im Land der Ferne erinnern ihn an die Menschen in Stockholm. In Erfurt haben die meisten daher gleich zwei Rollen. Katja Bildt ist sowohl der Stockholmer Junge Benka, als auch der Gärtnerssohn Jum-Jum. Dieses Spiel zwischen Ähnlichkeiten und Unterschieden, war für Bildt eine besondere Aufgabe. "Die schlechten Eigenschaften, die der Benka hat, die hat Jum-Jum dann eben nicht", so die Sängerin.
Zu Beginn der Inszenierung blickt das Publikum auf eine großstädtische Häuserzeile. Nach der Reise mit dem Flaschengeist weichen die schmucklosen Fassaden einem Ort voller Malerei und Musik. Später kann man die Häuser und Wohnungen in der Burg des bösen Ritter Kato wiedererkennen.
Für die Regisseurin Friederike Karig liegt der Reiz in der Vielschichtigkeit der Geschichte: "Wenn man Lust hat, sich damit auseinanderzusetzen, lässt sich viel entdecken. Nicht umsonst wandert Mio auf dem Weg zu dem Ritter mit dem Herz aus Stein – ein Bild, das man nicht lange erklären muss – durch die tiefste Höhle im schwärzesten Berg. Er geht also durch die psychologischen Tiefgründe, die er durchschreiten muss, um die entscheidenden Hinweise zu bekommen auf der einen Seite, auf der anderen Seite, um sich auch mit der eigenen Angst auseinanderzusetzen."
Happy End auf der Theaterbühne
Dieser psychologische Ansatz spiegelt sich vor allem im Bühnenbild, während die Kostüm bunt sind und vom Abenteuer erzählen. Denn auch ohne große Interpretationen liefert die Erzählung laut Karig eine wichtige Botschaft: "Nämlich die eigene Versteinerung nicht zuzulassen – dieser psychologische Vorgang, durch Lieblosigkeit aus der Umwelt zu etwas zu werden, das keine Gefühle mehr hat." Große und erwachsene Worte, meint die Regisseurin. Die Idee dahinter könne aber vermutlich jeder verstehen. "Was wir an manchen Stellen versuchen, ist eine Welt zu zeigen, wie sie auch sein kann. Es geht nicht darum, wie man das erreichen kann, sondern eher eine Vision, wie es sein könnte."
Darum gibt es auch ein Happy End: Das Böse ist gebannt, alle Kinder freuen sich und die Welt blüht auf. Aber es ist auch überzeichnet und in der Musik schimmert etwas Wehmut auf – der Triumph und das Paradies bleibt vorerst die Fantasie eines Kindes. So ist "Mio, mein Mio" am Theater Erfurt wirklich eine Oper für die ganze Familie.
Mehr Informationen
"Mio, mein Mio"
Oper in drei Bildern von Peter Leipold
Libretto von Friederike Karig nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Astrid Lindgren
Musikalische Leitung: Peter Leipold
Inszenierung: Friederike Karig
Ausstattung: Azizah Hocke
Dramaturgie: Larissa Wieczorek
Mit: Daniela Gerstenmeyer, Katja Bildt, Brett Sprague, Juri Batukov, Javier Ferrer Manchin und andere
Die Uraufführung findet am 23. April, 19.30 Uhr statt
Weitere Termine:
30. April, 19 Uhr
15. Mai, 15 Uhr
22. Mai, 15 Uhr
23. Mai, 10 Uhr
12. Juni, 18 Uhr
14. Juni, 10 Uhr
15. Juni, 10 Uhr
24. Juni, 19.30 Uhr
Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 23. April 2022 | 08:10 Uhr