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Das "Forschungsportal BACH" der Sächsischen Akademie der Wissenschaften und dem Bach-Archiv Leipzig kann starten. Es soll erstmals sämtliche Quellen zu allen Mitgliedern der Musikerfamilie digital zugänglich machen. Bildrechte: dpa

"Forschungsportal BACH" startet in LeipzigBach-Archiv-Direktor Peter Wollny: "Eine Neuordnung der Bach'schen Mosaiksteine"

von Grit Schulze, MDR KLASSIK

05. Januar 2023, 13:10 Uhr

Es handelt sich um das wohl umfänglichste geistes- und kulturwissenschaftliche Forschungsprogramm der Bundesrepublik Deutschland und geht von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften und dem Leipziger Bach-Archiv aus: Das "Forschungsportal BACH". Von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern bewilligt, startet es Anfang 2023 und läuft über einen Zeitraum von 25 Jahren.

Der Direktor des Bach-Archivs, Peter Wollny, leitet das Projekt "Forschungsportal BACH". Bildrechte: Bach-Archiv Leipzig/Gert Mothes

In diesem Jahr werden es 30 Jahre, dass Peter Wollny zum Bach-Archiv Leipzig kam. Seit 2014 ist er dessen Direktor. Immer wieder hat er mit wertvollen und zum Teil unbekannten Dokumenten zu Johann Sebastian Bach international für Aufsehen gesorgt. Im neuen digitalen "Forschungsportal BACH" werden sich auch alle seine wissenschaftlichen Arbeiten wiederfinden. Es soll in den kommenden 25 Jahren sämtliche Dokumente, die im Zusammenhang mit der Musikerfamilie Bach in Bibliotheken, Archiven oder Privatbesitz überliefert sind, digital zusammentragen, erschließen und öffentlich zugänglich machen.                                                         

Jeder neue Fund, jeder Brief, jedes Schriftstück, das aufgefunden wird, jeder Bach'sche Kopist, der namentlich identifiziert wird, bewirkt eine Neuordnung der kleinen Mosaiksteinchen, die wir haben. Und von daher kann die Bachforschung auf archivalische Forschungen gar nicht verzichten.

Peter Wollny, Direktor des Bach-Archivs Leipzig

Kein Bach'scher Familiennachlass

Die systematische Aufarbeitung bei Johann Sebastian Bach erweist sich als besonders schwierig, denn es existiere kein Familiennachlass, so der Direktor des Bach-Archivs. Niemand habe die Schriftstücke gebündelt aufgehoben. Söhne und Schüler hätten lediglich Andenken aufbewahrt. Als sie starben, gab es keine Nachkommen. Peter Wollny: "Es gab eben eine lange Zeit, in der dieses ganze Material zerstreut worden ist – letztlich über den gesamten Globus." So komme es für ihn besonders darauf an, "wie ein Archäologe im Sand zu wühlen und die kleinen Scherben aufzufinden und zusammenzusetzen."

25-jährige Forschungsarbeit steht bevor

Die automatische Texterkennung alter Bach'scher Handschriften soll die Aufarbeitung erleichtern. Bildrechte: Christian Modla

Für Forschung und Aufarbeitung hat man nun ein Vierteljahrhundert Zeit. Dafür bedient sich das Bach-Archiv auch neuester Methoden und Techniken, wie etwa bei der automatischen Texterkennung alter Handschriften. Oder auch bei jüngsten Erkenntnissen zu Wasserzeichen und Papiersorten, die wiederum bei der Zuordnung überlieferter Bach-Werke helfen. 

Doch erst am Ende des Forschungsprojekts wird sich dann zeigen, wie viele Quellen überhaupt vorhanden sind und welche Schätze gehoben werden konnten. Zu dem Zeitpunkt wird Peter Wollny aus Altersgründen mit Sicherheit nicht mehr im Amt sein. Für ihn ist es besonders wichtig, dass das Projekt in Gang komme und Arbeitsschritte geplant werden. Damit die Arbeit weitergeht, auch, wenn er nicht mehr da sei: "Das ist ja das eigentlich Wichtige: Es soll ja nicht um meine Person gehen, sondern um das Projekt selbst."

Ein Schwerpunkt der Forschung: Die Bachfamilie

Das "Forschungsportal BACH" soll sich nicht nur mit dem bekanntesten Sohn der Bachfamilie, also Johann Sebastian, beschäftigen, sondern auch mit seinen Familienmitgliedern. Es gibt keine vergleichbare Musikerdynastie, die so weit verzweigt ist: Angefangen beim Stammvater Veit Bach, der um 1550 geboren wurde bis zum letzten komponierenden Enkel von Johann Sebastian Bach, der bis in die 1840-er Jahre lebte. Peter Wollny: "Die älteren Mitglieder der Bachfamilie waren auch großartige Komponisten. Wir führen bei den Bachfesten immer viel von den Familienmitgliedern auf. Die Musik der gesamten Familie wird schon jetzt und in den nächsten Jahren viele Freunde gewinnen."

Wir forschen nicht einfach um des Forschens willens, sondern wir versuchen, den Kontext für diese einzigartigen Werke, die wir alle so lieben, zu liefern.

Peter Wollny, Direktor des Bach-Archivs Leipzig

Online-Portal wird bis 2048 bestückt

Und diesen Kontext sollen unter anderem Briefe, Geburts- und Anstellungsurkunden und Besoldungsvermerke liefern, die verstreut in Bibliotheken, Archiven und Privatbesitzen liegen. All dies soll spätestens 2048 vollständig kommentiert und gebündelt in einem Online-Portal für die Öffentlichkeit zugänglich sein und Interessierten eine einzigartige Quellensammlung zur Kultur- und Sozialgeschichte der verschiedenen Jahrhunderte bieten.

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Dieses Thema im Programm:MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 05. Januar 2023 | 09:10 Uhr