100. Geburtstag von Fritz GeißlerMeistaufgeführt und dann vergessen
Fritz Geißler wurde heute vor 100 Jahren, am 16. September 1921 geboren und war einer der meistaufgeführten Komponisten in der DDR. Leider reiht er sich bei den Komponisten ein, die zwar vor 1989 prägend waren, aber heute vergessen sind. Die Geschichte der DDR ist abgeschlossen, aber noch längst nicht aufgearbeitet. Das trifft für nahezu alle Gebiete zu, auch und gerade auf das der Musik.
Vom Maurer zum Musiker
Fritz Geißler wurde in Wurzen bei Leipzig geboren, als Sohn eines Maurers. Auch er lernte diesen Beruf, wollte aber unbedingt Musiker werden. Der Zweite Weltkrieg machte diese Pläne zunächst unmöglich, von 1940 bis 1945 war er Soldat in der Wehrmacht, dann bis 1948 in britischer Kriegsgefangenschaft. Danach studierte er Komposition an der Leipziger Musikhochschule, ab 1950 – die innerdeutsche Grenze war noch durchlässig – beim Komponisten Boris Blacher in Berlin.
Wahlheimat Leipzig
Fritz Geißler kehrte jedoch bald nach Leipzig zurück und übernahm eine Professur für Komposition. Später lehrte er auch in Dresden.
Ich kann sagen, dass Leipzig eigentlich meine musikalische Heimat ist. Ich bin hier erzogen und gebildet worden musikalisch und fühle mich tatsächlich hier zuhause!
Fritz Geißler
Fleiß und Anerkennung
Fritz Geißler war als Komponist äußerst produktiv, 140 Werke hat er hinterlassen, darunter Kammermusik, mehrere Solokonzerte, vier Opern und sage und schreibe 11 Sinfonien. Der Dirigent Kurt Masur hat die Arbeiten von Fritz Geißler gemocht und hatte viel Lob für den Komponisten übrig: "Er beherrscht die sinfonische Form in sehr beeindruckender Weise."
Ich habe versucht – und das ist ja auch eine meiner Ansicht nach berechtigte kulturpolitische Forderung – die Sinfonik mit der Unterhaltung wieder ein wenig zusammenzubringen. Auf der anderen Seite habe ich in meinen Sinfonien eben versucht, die deutsche Tradition fortzusetzen, wenn es mir gelungen ist, bei ihr anzuknüpfen.
Fritz Geißler
Musik für die Partei
Das SED-Mitglied Fritz Geißler wurde in den 1960er Jahren von einigen Kulturpolitikern in der DDR für seinen von der westeuropäischen Avantgarde beeinflussten Kompositionsstil kritisiert. Aber später wandelte er sich und wurde zum linientreuen Mitglied der SED.
1972 bis 1984 war er Vizepräsident des Verbandes der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR. In dieser Funktion lieferte er Musik zu feierlichen Anlässen der Staats- und Parteiführung.
Das letzte große Werk
Eines der erfolgreichsten Propagandawerke der DDR war das sogenannte "Mansfelder Oratorium". 1950 ist es Ernst Hermann Meyer komponiert worden. Fritz Geißler wurde Ende der Siebziger Jahre mit einer Fortsetzung des Werks beauftragt. 1979 erlebte das Oratorium mit dem Titel "Die Flamme von Mansfeld" in Halle seine Uraufführung. Anlass waren der 30. Jahrestag der Gründung der DDR und der 9. Parteitag der SED. "Die Flamme von Mansfeld" war das letzte große Werk von Fritz Geißler.
Verschwunden und vergessen
Der Komponist starb 1984. Interessanterweise hat er bereits 1971 in einem Radiointerview sein posthumes Schicksal auf fast prophetische Weise vorausgesehen:
Vieles von dem, was heute geschrieben wird, wird natürlich in einigen Jahren einfach von der Bildfläche verschwunden sein, das ist ganz natürlich!
Fritz Geißler
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Dieses Thema im Programm:MDR KLASSIK | 16. September 2021 | 07:13 Uhr