Handglockenchor Ein ungewöhnliches Ensemble in Gotha

04. August 2022, 10:45 Uhr

Glocken sind zum Läuten da, zum Beispiel im Kirchturm und manchmal auf Schiffen – denkt man. Doch auf Glocken lässt sich auch musizieren. Dafür braucht es aber viele: hoch und tief klingende, von sehr großen bis ganz kleinen. Unmöglich kann die ein einzelner Spieler oder eine Spielerin bedienen. Die Handglocken, die für solche Musik gedacht sind, werden deshalb nie solo gespielt, sondern in Gruppen. Den größten Handglockenchor in Deutschland gibt es in Gotha. MDR KLASSIK hat ihn besucht.

Fünfzehn Spielerinnen und Spieler stehen hinter einem schwarzen Tisch in Hufeisenform. Vor ihnen: Dirigent Matthias Eichhorn, den den Handglockenchor Gotha leitet. Manche Stücke seien eine echte Herausforderung.

Wichtig: Präzises Zusammenspiel

Arsis Handglocken
Erst in der Gruppe entfaltet das Handglockenspiel seine ganze Wirkung. Bildrechte: MDR/Holger John

Weniger die Virtuosität der einzelnen Spielenden ist gefragt. Denn Virtuosität ist beim Spiel von Handglocken vor allem eine Virtuosität des Zusammenspiels – schließlich tragen alle zu einer Melodie oder Begleitung von zwei bis drei Tönen bei, die sie buchstäblich selbst in der Hand haben.

Genau das schätzt Harald Liese besonders. Er ist bereits seit einigen Jahren Mitglied des Handglockenchors: "Ich habe nur zwei Hände und da passen höchstens vier Glocken rein, mehr geht nicht. Wenn die anderen nicht mitspielen, dann klingt es nicht gut oder nicht schön oder nicht voll. Deshalb brauche ich die anderen. Unabhängig von der Musik macht es viel Spaß, gemeinsam in der Gruppe zu musizieren."

Richtige Lagerung

In Gotha liegen die Handglocken auf einer schwarzen Tischdecke aus Cord. Die akustischen Eigenheiten der Handglocken sind mitgedacht: "Durch die Rillen von dem Cordstoff ist die Glocke nicht komplett abgedämpft. Wenn ich sie mit dem Klöppel anschlage, habe ich trotzdem noch ein bisschen Klang", erklärt der Leiter des Handglockenchors.

Eichhorn ist hauptberuflich Jazz-Kontrabassist – mittlerweile ist die Leitung des Handglockenchors Gotha eine seiner musikalischen Haupttätigkeiten. In den Proben geht es zum Beispiel um die richtige Handhaltung und um Bewegungsabläufe.

Das Handglockenspiel will gelernt sein

Am oberen Ende der Glocken befindet sich eine Schlaufe zum Anfassen. Man führt sie in der Hand mit einem Ruck nach unten. Das sollte schnell gehen, denn oft muss man gleich zur nächsten Glocke wechseln. Die Bewegungen sollen dazu flüssig und mit dem ganzen Körper ausgeführt werden. Nicht einfach. Matthias Eichhorn muss immer wieder grundsätzliche Tipps geben.

Die Technik macht den Klang

Es gibt über dreißig verschiedene Anschlags- und Spieltechniken. Eichhorn erklärt, dass es zum Beispiel bestimmte Vibrato-Techniken und Echo-Effekte gäbe. Außerdem könnten die Spielenden den Klang des Anschlags verändern, indem sie die Glocke schon beim Anschlagen abdämpfen. "Man kann auch einen dauerhaften Ton erzeugen. Das funktioniert ähnlich wie bei einem Weinglas, auf dem man den Finger reibt", ergänzt Eichhorn.

Die tiefen Handglocken sind fast so groß wie Kirchenglocken. Auf ihnen kommen natürlich andere Spieltechniken häufiger zum Einsatz als auf den kleinen. Natürlich hat das gemeinsame Spiel auf Handglocken seine technischen Grenzen. Schnelle Läufe wie auf dem Klavier sind schwer umsetzbar. Aber das macht der Handglockenchor durch die Vielfalt der Klänge, die er zaubern kann, wett.

Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 04. August 2022 | 08:40 Uhr

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