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"IHR WERDET SINGEN" – WIE ES IST, EINEN CHOR ZU LEITEN (TEIL 3/3)Chorleiterin Inkeri Hannonen: Zuhören, Spaß – und richtige Töne

14. Juli 2023, 17:16 Uhr

MDR KLASSIK hat anlässlich des Deutschen Chorfestes 2022 in Leipzig drei junge Chordirigentinnen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen getroffen und mit ihnen über ihre Leidenschaft – das Dirigieren – gesprochen. Eine von ihnen ist Inkeri Hannonen. Sie wuchs in Finnland auf und spielte seit ihrer Kindheit viel Klavier. Später kam sie zur Kirchenmusik. Sie begeisterte sich schon früh für Chorgesang und leitet in Halle, wo sie eher der Zufall hinführte, inzwischen sogar einen Gospelchor.

Ihre Bewegungen sind konzentriert aber auch schwungvoll und in ihren Augen ist ein kleines Lächeln zu erkennen. Im Gespräch wirkt die Chorleiterin Inkeri Hannonen eher zurückhaltend, doch vor dem Chor – umgeben von Musik – erscheint sie viel energetischer. Für die junge Dirigentin steht der Spaß der Sängerinnen und Sänger beim Chorgesang an erster Stelle: "Wenn sie keinen Spaß haben, dann stimmt etwas nicht."

Das größte Instrument – der Chor

Inkeri ist in Finnland geboren und aufgewachsen. Mit sechs Jahren schickten ihre Eltern sie zum Klavierunterricht. Damals dachte sie noch nicht daran, die Musik zum Beruf zu machen. Sie wollte lieber Astronautin oder Archäologin werden. Da ihr das aber unerreichbar schien, besann sie sich wieder auf die Musik.

Sie fing an, Kirchenmusik zu studieren und musste dann zum ersten Mal eine Chorprobe leiten. Sie war begeistert. Bis dahin hielt sie die Orgel für ein großes und "cooles Instrument", doch ein Chor sei noch viel größer. 

Durch Zufall nach Halle gekommen

Mal stampft Inkeri mit dem Fuß den Takt, mal gibt sie präzise Einsätze, dann wieder spiegeln ihre Handbewegungen weniger den Takt sondern eher die Stimmung der Musik wider. Mit diesem Selbstvertrauen war sie nicht immer ausgestattet. Sie erinnert sich nur vage an die ersten Chorproben am Pult, aber die Gedanken, die sie damals hatte, weiß sie noch genau. Sie war nervös und dachte, "jetzt sieht jeder, was ich alles falsch mache." Sie hatte das Gefühl, die Sängerinnen und Sänger kämen ohne sie besser zurecht.

Eine große Aufgabe für eine Chorleiterin ist es die Idee des Stücks zu vermitteln. Bildrechte: MDR/Thilo Sauer

Mit der Zeit meisterte sie diese Herausforderung immer mehr, indem sie auf ihre Fähigkeiten und ihre Ausbildung vertraute. An der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik in Halle hat sie sich ganz auf das Dirigieren konzentriert. Sie wurde eher zufällig auf diese Musikhochschule aufmerksam, als sie mit ihrem damaligen Studiengang in Deutschland unterwegs war.

Kurzerhand entschloss sie sich, ein Auslandssemester einzulegen, was ohne Hürden möglich war. "Der Direktor hat gefragt, wie es mir gefällt und ich habe gesagt, dass es mir gut gefällt und er meinte, dann bleib doch einfach." So hat Inkeri in Halle ihr Masterstudium begonnen.

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Jugendlicher Elan für den Leipziger Gospelchor

Meistens dirigiert sie an der Hochschule einen Pianisten, der den Chor darstellt. So ist das üblich in dieser Ausbildung. Doch natürlich arbeitet sie auch regelmäßig mit "richtigen" Chören. Im Gospelchor in Leipzig wurde sie mit Begeisterung empfangen. "Sie bringt sehr viel jugendlichen Elan mit und das erfrischt uns alle", erzählt Sänger Axel.

Wer gut tanzen kann, kann auch gut dirigieren, vermutet Inkeri. Bildrechte: MDR/Thilo Sauer

Inkeri geht mit viel Energie in die Chorproben, ihre Bewegungen sind schwungvoll. Soll es laut werden, lehnt sie sich mit dem Körper zurück wie für einen Jubelschrei. In leisen Momenten lässt sie ihre Hand sanft durch die Luft kurven. "Wenn man gut tanzen kann, man kann auch gut dirigieren", vermutet Inkeri. Wichtig sei, "dass man sich in dem Tempo bewegen kann und mit den Bewegungen ausdrücken kann, wie die Musik sein soll." 

Chor als Treffpunkt und Gemeinschaft

Dafür muss Inkeri ihren Chor gut kennen. Sie muss wissen, was das jeweilige Ensemble von ihrer Dirigentin braucht. "Sie fragt immer, wie habt ihr das vorher gemacht und daran merkt man, dass sie jeden einzelnen sieht", berichtet Sängerin Claudia. Ihre Mitsängerin Anke ergänzt. Sie äußert Kritik so, dass es gar nicht wie Kritik klingt."

Für die junge Dirigentin ist der zwischenmenschliche Aspekt fast wichtiger als die Musik: "Ein Chor ist oft auch ein soziales Event, wo die Menschen nicht nur zum Singen kommen, sondern auch für die Gemeinschaft. Es ist ganz wichtig, dass der Chor sich untereinander versteht und dass auch die Chorleiterin sich gut mit dem Chor versteht."

 Ausdruck und Begeisterung

Auch deswegen studiert Inkeri mit ihren Chören gerne finnische Stücke ein. Dieses Mal ist es eine Vertonung der Bergpredigt. "Ich mache viele Fehler beim Sprechen und die Artikel kann ich mir einfach nicht merken", erzählt Inkeri. In der Probe erklärt sie dann, wie die finnischen Worte ausgesprochen werden. Sie hofft, dass der Chor sie so besser versteht und kennenlernt.

Mit dem Ende der Probe endet die Arbeit einer Chorleiterin nicht. Bildrechte: MDR/Thilo Sauer

Nach der Probe sammeln sich die Sängerinnen und Sänger um Inkeri, um noch etwas zu fragen oder zu besprechen. Der Chor in Leipzig bedauert schon, dass Inkeri sie bald verlassen könnte. Denn ihr Studium steht kurz vor dem Abschluss. Dafür will sie mit dem Hochschulchor Haydns "Vier Jahreszeiten" einstudieren.

Doch im Gespräch klingt es so, als ob sie sich doch mehr auf die Konzerte mit dem Gospelchor freut – vor allem wenn auch das Publikum richtig mitgeht: "Wenn man ein flotteres Stück hat, kommt es vor, dass die Gemeinde anfängt mitzuklatschen. Da kommt so eine Stimmung auf. Ich habe hier Spaß. Dann hat mein Chor Spaß. Und auch die ganze Publikum hat Spaß. Das ist total intensiv und ich merke, deswegen mache ich das."

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Dieses Thema im Programm:MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 25. Mai 2022 | 08:40 Uhr