RezensionVon einem Schleppkahn an der Seine in Paris bis nach Florenz in Dantes Hölle: Puccinis "Il Trittico" am Nationaltheater Weimar
Operneinakter waren um die vorletzte Jahrhundertwende nicht nur im Schauspiel, sondern auch in der Oper sehr beliebt. In seiner Operntrilogie Il Trittico "Triptychon" setzt Giacomo Puccini drei Einakter, die unterschiedlicher kaum sein könnten, hintereinander. Das Nationaltheater Weimar weiß sie in einer lustvollen Inszenierung von Dirk Schmeding geschickt miteinander zu verbinden.
Das Gemeinsame im Verschiedenen
Zunächst: Mord unter Arbeitern in einem Schleppkahn auf der Seine im Paris der Gegenwart, dann Selbstmord einer Nonne in einem Kloster des 17. Jahrhunderts, schließlich der Streich eines in Dantes Hölle schmachtenden Testamentfälschers aus dem Florenz des 13. Jahrhunderts. Mit einem frommen dreiteiligen Altarbild, wie der Titel suggerieren könnte, hat Puccinis Triptychon nichts zu tun. Die drei Stücke, die unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg im Dezember 1918 nicht in Europa, sondern an der Metropolitan Oper in New York uraufgeführt wurden, sind voll effektvoller Theatralik und beinahe antiklerikalem Zynismus. Oft wird nur einer der drei Einakter, zuletzt vor allem die Komödie "Gianni Schicchi" herausgegriffen und mit anderen Werken, etwa mit Leoncavallos "Bajazzo", kombiniert. Doch im Nationaltheater Weimar werden sie nun in einem langen Opernabend wieder gemeinsam gezeigt.
Kriminalfälle und schwarze Komödien
Puccini war es ausdrücklich wichtig, dass Gegensätze und Kontraste erlebt werden. Dennoch zeigen sich Gemeinsamkeiten. In allen drei Werken ist der Tod, ist ein Leichnam präsent. Unter dem "Mantel" die Leiche des vom eifersüchtigen Ehemann versteckten Geliebten seiner Ehefrau, in "Suor Angelica" vergiftet sich eine Nonne, und in "Gianni Schicchi" muss immer wieder die Leiche des in der Inszenierung von Dirk Schmeding zunächst von der Decke baumelnden Florentiners Buoso Donati versteckt werden, um dessen Testament nachträglich zu fälschen. Doch vor allem stehen in allen drei Einaktern große, mit viel Liebe am Detail sehr bunt gezeichnete Ensembles im Zentrum: die Arbeiter am Schiff, die Nonnen im Kloster bei Arbeit und Gebet und die um das Erbe streitendenden Familienangehörigen in „Gianni Schicchi“.
Geistreiche und hinterhältige Streiche und Schabernack eines spielfreudigen Ensembles
Gemeinsamkeit der drei Einakter schaffen aber vor allem die Kostüme (Julia Rösler), die alle drei Stücke in einer stilisierten Gegenwart spielen lassen, und die Bühne (Ralf Käselau): ein eher schmales Podium mit Glaswänden, das an Schaufenster denken und sich nach rückwärts schieben lässt: wie der Schleppkahn auf der Seine im "Mantel", das aber auch den Ausblick auf das hymnisch besungene Florenz frei gibt.
Vor allem aber besticht die Spielfreude. Mag sein, dass die Komik beim lyrischen Mittelstück "Suor Angelica" etwas gewagt erscheint und nicht ganz aufgeht: die Nonnen mit Sonnenbrillen und Barbie-Rosa Nonnentracht wirken wie eine aufmüpfige Schulklasse gegenüber ihrer strengen Oberin und die verzweifelte Schwester Angelika scheint eine Clownsnase zu haben. Es geht auf der Bühne jedenfalls in allen drei Teilen lustvoll und komödiantisch zu. Dazu kam, dass Regisseur Dirk Schmeding selbst Gianni Schicchi spielte (Uwe Schenker-Primus musste aus Krankheitsgründen absagen), auch er, zeigte sich nicht nur als einfallsreicher Regisseur sondern auch als guter Komödiant –imponierend dabei auch Heiko Trinsinger, der in allerletzter Minute einspringen konnte und Gianni Schicchi von der Seitenloge sang.
Geistreiche Karikatur und dramatische Ausbrüche
Auch wenn die musikalische Avantgarde um die vorletzte Jahrhundertwende sich von Giacomo Puccini als zu traditionellem Komponisten distanzierte, "Il Trittico" ist – und Dominik Beykirch mit der Staatskapelle Weimar konnte das eindrucksvoll mit nie nachlassender Spannung vorführen – eine äußerst raffinierte Partitur: Karikierende humorvolle Einwürfe, das Verstellen der Stimme, die Klagen der Nonnen, der Sog des dahintreibenden Schleppkahns, und immer wieder packende dramatische effektvolle Ausbrüche. Im "Mantel" das Ehepaar und der Liebhaber der Frau: Alik Abdukayumov, Camila Ribero-Souza, Gabriele Mangione, in "Schwester Angelica“: Heike Porstein in der Titelrolle, als Liebespaar in "Gianni Schicchi": Taejun Sun und Ylva Steinberg, die mit der zum Schlager gewordenen Arie "O mio babbino caro" ihren Vater und das Publikum zu bezirzen weiß. Schließlich vor allem Anna Maria Dur, die in allen drei Opern, böse oder geschwätzige Frauen vorführt. Ein großes, ja üppiges Opernvergnügen. Wenn Gianni Schicchi am Ende in die Sprechstimme fällt und "um Nachsicht" bittet, konnte er mit Recht viel Applaus erwarten.
Weitere Aufführungen: 24.05., 30.05. und 06.06.2024 am Deutschen Nationaltheater Weimar. Musikalische Leitung: Dominik Beykirch, Regie: Dirk Schmeding.