Premiere in Annaberg-Buchholz "Leonce und Lena" von Erich Zeisl

22. September 2021, 00:00 Uhr

Fast 70 Jahre nach seiner Uraufführung in einem amerikanischen College ist Erich Zeisls Singspiel "Leonce und Lena" - zurückübersetzt vom Englischen ins Deutsche - erstmals in Deutschland zu sehen. Nun steht das Werk programmatisch als Eröffnungspremiere des neuen Intendanten Moritz Gogg auf der Bühne des Eduard-von-Winterstein-Theaters in Annaberg-Buchholz.

Wir möchten Werke auf den Spielplan setzen, die zu Unrecht vergessen sind und nun im Erzgebirge zu hören sind. Wir wollen damit zeigen, dass wir Vorreiter sind und hoffen, dass dieses Werk "Leonce und Lena" nach unserer Aufführung den Weg ins Kernrepertoire finden kann.

Moritz Gogg, Intendant

Leonce und Lena - Lustspiel mit Musik in drei Akten - Text von Hans Kafka und Hugo F. Königsgarten nach Georg Büchners gleichnamigem Lustspiel

Romantische Tradition

Bezüge zur Wiener Moderne finden sich im Singspiel "Leonce und Lena" nur wenige, auch wenn privat die Familien Erich Zeisl und Arnold Schönberg im kalifornischen Exil sogar sehr eng miteinander verbunden waren. "Leonce und Lena" ist ganz der romantischen Tradition verhaftet.

Wer kommen möchte und ein bisschen Sehnsucht nach "Tristan und Isolde" hat, der kriegt ganz bestimmt seine Befriedigung. Und wer kommen möchte und mehr Lust auf Berliner Operette und Kurt Weill hat, der kommt auch auf seine Kosten. Und übrigens wer Schauspiel mag und wegen Büchner kommt und ein bisschen an der Oper schnuppern möchte, der darf es gerne tun!

Generalmusikdirektor Jens Georg Bachmann:

Kostüme und Bühne

Das Singspiel in der Inszenierung von Jasim Zarah Samani steht auf einer stilisierten fast kubistischen Bühne: ein Märchen als Versuchsanordnung. Die Kostüme: alte Schnitte mit modernen Stoffen. Wie nahe Komik und tiefe Melancholie, Witz und existentieller Lebensüberdruss, Nonsens und Weisheit sind, führte schon Georg Büchners Lustspiel vor.

Lyrische Aphorismen

Das Libretto von Hugo Königsgarten und Hans Kafka verknappt Büchners Dialoge zu lyrischen Aphorismen, bisweilen nahe an Dada. So überzeugen die Sängerinnen und Sänger nicht nur in Koloraturen oder in Balladen à la Kurt Weill, sondern auch als Schauspielerinnen und Schauspieler: der frisch vom Studium engagierte Richard Glöckner als Leonce und die schon seit dreizehn Jahren am Eduard Winterstein-Theater wirkende jugendlich-dramatische Sopranistin Bettina Grothkopf als Lena.

Glänzende Musik

Coronabedingt muss - zumindest für die nächsten Aufführungen - wegen des kleinen Orchestergrabens das Orchester ein wenig reduziert werden. Es tut dem Glanz der Musik wenig Abbruch: Ein Werk, das in Annaberg tatsächlich ein wenig wie ein Silberfund schimmert.

Erich Zeisl - Flucht statt Karriere

Eine große Karriere schien dem jungen Erich Zeisl in Wien bevorzustehen: Messen, ein Ballett, vor allem Lieder waren erfolgreich aufgeführt worden. Der Einmarsch der Nationalsozialisten in Österreich beendete die Karriere jedoch. 1937 hatte er ein Singspiel nach Georg Büchners "Leonce und Lena" komponiert, geplant zunächst für einen deutschen Radiosender des tschechischen Rundfunks, dann für das Wiener Schönbrunner Schlosstheater. Beides fiel aus. Zeisl floh ins Exil. Als "Leonce und Lena" dann 1952 in der Oper des City College in Los Angeles uraufgeführt wurde, war es ein "farwell an die Heimat". Zeisl ging nie mehr nach Europa zurück, obwohl er Sehnsucht nach der Heimat hatte.

Ich möchte so gerne nach Wien, aber es müsste viel mehr entnazt sein, ehe ich mich hintraue.

Erich Zeisl

Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | 22. September 2021 | 07:43 Uhr

meistgelesen/meistgehört