Gesprächskonzert Vergessene Leipziger Komponistinnen
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Die musikalische Geschichte der Stadt Leipzig ist männlich geprägt. Neben Felix Mendelssohn Bartholdy, Robert Schumann und Johann Sebastian Bach nimmt derzeit nur Clara Schumann eine ähnlich bekannte Stellung ein. Sie ist allerdings nicht die einzige erfolgreiche Virtuosin und Komponistin ihrer Zeit, die von Leipzig aus eine europaweite Karriere gemacht hat. Die Leipziger Dirigentin Eva Meitner setzt sich am 15.09. bei einem Gesprächskonzert mit den vergessenen Komponistinnen der Stadt auseinander. Ein Beitrag von Eva Morlang.

In Konzertprogrammen von Orchestern, Chören oder Opernhäusern sucht man Werke von Komponistinnen vergeblich. Wenn, dann sind es zeitgenössische Komponistinnen, die es hier und da ins Programm schaffen. Das Argument, es gebe ja keine Werke von Frauen, gilt nicht, meint die Leipziger Dirigentin Eva Meitner:
Eigentlich ist es Geschichtsverfälschung, denn es hat in allen Ländern und Epochen immer Komponistinnen gegeben und die haben auch Großes erreicht und große Werke hinterlassen, aber sie wurden im Nachhinein dann vergessen.
Rollenbilder im 19. Jahrhundert
Frauen hatten es im 19. Jahrhundert auch viel schwerer als Männer, mit Musik und Kompositionen Karriere zu machen, was vor allem am damaligen Rollenbild lag. Wie schwer es für sie war, sich durchzusetzen, verdeutlicht Fanny Hensel, die im Vergleich zu Clara Schumann schon zu Lebzeiten weniger erfolgreich war:
Sie hat natürlich komponiert. Sie hatte auch die Unterstützung ihres Mannes, sie hatte in gewisser Weise auch die Unterstützung ihrer Familie, aber hat sich eben völlig in diese Rolle eingefunden.
In die Rolle der Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy. Er hat 1843 in Leipzig ein Konservatorium gegründet, das ein Meilenstein für die musikalische Bildung von Frauen werden sollte. Vom ersten Jahrgang an studierten hier Frauen, das Fach Komposition wurde einige Jahre später für sie geöffnet.
Internationale Studentinnen an der Leipziger Musikhochschule
1877 erkämpfte sich hier die Engländerin Ethel Smyth einen Platz in der Kompositionsklasse. In diesem Jahrgang studierten deutlich mehr Frauen als Männer am Konservatorium, viele von ihnen aus den USA und England. Smyths Oper "Der Wald" war im Jahr 1903 die erste Oper einer Frau, die an der Metropolitan Opera in New York aufgeführt wurde. Dieser Erfolg war nur möglich, weil Smyth sich hartnäckig für ihre Stücke einsetzte. Sie bedauerte selbst schon zu Lebzeiten, dass ihre Werke nach ihrem Tod wohl in Vergessenheit geraten würden, wenn niemand mehr für sie kämpft.
Smyth ist heute die einzige Frau in der Liste berühmter Alumni der Leipziger Musikhochschule im 19. Jahrhundert. Dabei begann dort auch für viele andere Musikerinnen und Komponistinnen eine internationale Karriere. Da die Hochschule eine der ersten war, die Frauen zuließ, wirkte sie wie ein Magnet.
Die sind aus aller Herren Ländern nach Leipzig gekommen, um hier Komposition zu studieren, und sind dann wieder in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt und haben sozusagen das Gelernte dann auch angewendet und dann eben große und wunderbare Werke geschaffen.
So auch die polnische Pianistin und Komponistin Helena Łopuska. Ihr Opus 6 hat Eva Meitner online in einer polnischen Bibliothek entdeckt. Sie ist sicher, dass dort noch viel mehr Schätze liegen, die es auszugraben lohnt.
Forschung zu Komponistinnen
Bislang gleicht es einer Detektivarbeit, die Werke von Komponistinnen ausfindig zu machen, mehr über ihr Leben herauszufinden. Und diese Arbeit leisten bislang vor allem Frauen, aus persönlicher Überzeugung und oftmals unbezahlt.
Allein Beethoven - wie viele Biografien man findet. Und dann gibt es Komponistinnen wie zum Beispiel Maria Szymanowska - es gibt keine deutschsprachige Biografie. Das ist, glaube ich, ein ganz großes Kernproblem: Wir haben so wenig Quellen, die wirklich aufgearbeitet werden, und so wenig Forschung, die sich da ernsthaft mit beschäftigt.
Erst wenn Geld investiert wird und große Institutionen mitmachen, werden Frauen den Platz in der Leipziger Musikgeschichte bekommen, der ihnen zusteht.
Das Gesprächskonzert über Leipzigs vergessene Komponistinnen mit Eva Meitner und Dr. Anselm Hartinger, dem Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, findet am 15. September um 18 Uhr in der Alten Börse in Leipzig statt. Der Eintritt kostet 5 Euro.
Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | 15. September 2021 | 09:10 Uhr