Eine dunkelblaue, fast schwarze Fläche, auf der in großen Buchstaben mittig "Das Leben danach" steht. Durch die Buchstaben davon scheint ein Foto, welches die Synagogentür von Halle zeigt. Darunter ist deutlich kleiner der Schriftzug "Folge 7: Die Aufarbeitung" zu erkennen. 81 min
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Wo steht die Gesellschaft ein Jahr nach dem Anschlag von Halle? Diese Frage richten Marie Landes und Roland Jäger an Ministerpräsident Reiner Haseloff und die Betroffenen des Anschlags. Folge 7: Die Aufarbeitung.

MDR SACHSEN-ANHALT So 29.11.2020 06:00Uhr 81:20 min

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...Die Sicht der Betroffenen, ob sich die Gesellschaft entschlossen gegen Antisemitismus und Rassismus stellt – ab 03:42 Minuten

Viele Betroffene von Antisemitismus (44%) überlegen, ob sie lieber aus Deutschland auswandern sollten. Christina Feist war zum Zeitpunkt des Anschlags in der Synagoge. Für sie ist eine Rückkehr nach Deutschland unvorstellbar. Sie hat in Deutschland kein Gefühl der Sicherheit.

Conrad Rößler ist Überlebender des Angriffs auf den Kiez-Döner. Er ist der Meinung, dass dieses Attentat nicht besonders viel verändert hat. Die Leute die vorher rechts waren, sind es weiterhin. Das Gleiche gilt für Leute, die sich eher als links bezeichnen würden.

Die Gedenkfeier in der Ulrichskirche wurde von vielen Betroffenen kritisiert. So wurden manche von ihnen erst auf Nachfrage eingeladen, wie die Schwerverletzten von Wiedersdorf. Auch um den Zeitpunkt gab es Irritationen. Denn das Abschlussgedenken war recht spät angesetzt, kurz vor Beginn des Sabbats.

...Wie Ministerpräsident Reiner Haseloff den 9. Oktober 2019 erlebt hat – ab 16:22 Minuten

Auch heute noch beschäftigt Haseloff das Geschehen vom Anschlag in Halle sehr. Er war zu dem Zeitpunkt auf dem Weg nach Brüssel und kehrte sofort um, als er von dieser Nachricht gehört hat.

Als bekannt war, dass die Synagoge im Fokus des Attentäters stand, war Haseloff klar, dass es ein antisemitischer Anschlag ist, weil er auch den jüdischen Kalender gut kennt und wusste, dass Jom Kippur ist.

In einer Rede nach dem Anschlag hat Haseloff gesagt, dass er im Prinzip immer mit so einem Anschlag gerechnet hat. Dass das in Sachsen-Anhalt möglich war, macht ihn sehr betroffen.

...Wie zeigt sich der durchaus vorhandene politische Wille zur Bekämpfung des Antisemitismus in den Sicherheitsbehörden? – ab 29:18 Minuten

Nach dem Halle-Attentat gab es noch einen weiteren rassistischen Anschlag, nämlich den von Hanau. Aber die Sicherheitsbehörden konnten seitdem auch vermutlich zwei weitere Anschläge verhindern. Einer dieser mutmaßlichen Angreifer gehört zur Organisation "Feuerkriegsdivision. Darüber gibt es auch mehr Infos im Film "Der Terror der Einsamen Wölfe". Diese verhinderten Taten sind ein Hinweis darauf, dass die Behörden mittlerweile erfolgreicher im Internet ermitteln.

Der Verfassungsschutz von Sachsen-Anhalt will im Jahr 2021 zehn neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen, die ausschließlich im Netz ermitteln sollen.

...Wo steht Deutschland beim Thema Antisemitismus? – ab 35:33 Minuten

Im Juni 2020 haben Unbekannte Hakenkreuze aus Papier vor dem jüdischen Gemeindezentrum in Halle abgelegt. Ein Polizist trat auf eines davon und erklärte anschließend, er habe nichts finden können. Gegen ihn wird mittlerweile wegen Strafvereitelung ermittelt.

Auch der Angriff in Hamburg, wo ein Mann einen Juden mit einem Klappspaten angriff, zeigt, dass das Attentat von Halle sich einreiht, in eine furchtbare Tradition antisemtitischer Angriffe.

Politik und Gesellschaft haben nach dem Anschlag von Halle reagiert: So wurde noch im Oktober 2019 ein Maßnahmepaket gegen Hass und Hetze verabschiedet. Und auch die Sicherheit für jüdische Einrichtungen wurden verstärkt. Währenddessen steigen die Zahlen antisemitischer Straftaten bundesweit weiter an.

Der Antisemitismus ist heutzutage in Deutschland wieder sehr unverblümt zu sehen. Das war über viele Jahre nicht in dieser Deutlichkeit zu erkennen.

...Noch einmal zurück zu den Betroffenen – ab 01:00:11 Minuten

Die Grundaussage ist, dass im Rahmen des Attentats an die Betroffenen der Tat gedacht wird, darüber hinaus aber kaum Aufarbeitung stattfindet. Einen gesellschaftlichen Wandel sehen sie kaum.

Tatsächlich ist unsere Gesellschaft insgesamt aber so offen und liberal wie nie. Das ist ein Paradox zu den vielen Erfahrungsberichten von Antisemitismus und Rassismus. Diese Welle an solchen Taten wertet der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent als Rückzugs

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