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Täglich um 6:20 und 9:20 Uhr gibt es bei MDR THÜRINGEN - Das Radio "Augenblick mal", das Wort zum Tag. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Wort zum TagAugenblick mal

24. April 2024, 05:00 Uhr

Täglich 6:20 und 9:20 Uhr hören Sie bei MDR THÜRINGEN - Das Radio das Wort zum Tag. In dieser Woche spricht es Pfarrer Markus Fischer von der Selbstständigen Evangelische-Lutherischen Kirche Erfurt.

Mittwoch, 24. April: Gedenktag des Völkermords an den Armeniern (1915)

Ein Bergdorf, weit abgelegen im Kaukasus, ist der Schauplatz des Buches "Raben vor Noah". Darin verwickelt uns Susanna Harutyunyan in das Leben der Menschen in diesem Dorf. Deren Leben ist scheinbar der Zeit und Welt entrückt. Die hohen Berge ringsum und das raue Klima bestimmen den kargen Alltag. Nur ein Ochsenkarren verbindet mit der Außenwelt. Mit dem nimmt ab und an Haruth, eine der Hauptfiguren, den beschwerlichen Weg zum Markt hinunter auf sich.

Eines Tages liest er einige Überlebende eines Massakers türkischer Mörderbanden auf. Mit diesen verwundeten Menschen kommen auch die Gräuel ins Dorf. Dafür gibt es kaum Worte und Sprache. Die Bewohner geben das Lebensnotwendige wie Unterkunft und Essen. Wie aber heilen die Seelen?

Heute, am Gedenktag des Völkermords an den Armeniern von 1915, werden in mir diese Lektüreeindrücke wieder lebendig. Die Ereignisse in dem kleinen Dorf brachten mir das unfassbare Leid nahe, viel näher als es die nackten Zahlen der Opfer im Geschichtsbuch tun können.

Denn Literatur berührt das Herz. Sie erzählt, zu welcher Niedertracht Menschen fähig sind und wie sie überlebt und sogar überwunden wird. Unvergesslich ist mir die Szene, wie sich Nachschun, eine der Überlebenden, einen Kreuzstein auf dem Friedhof aufstellen lässt. Nachts geht sie heimlich dorthin, gräbt sich ein, trauert und klagt um die Ermordeten. Der Tag braucht alle Kraft zum Leben.  

Bis heute ist diese Trauer nicht zu Ende. Hunderttausende Armenier mussten seit letztem September aus Karabach fliehen. Viele leben nun in Lagern. Auch ihrer Geschichten gedenken wir heute. Im Gebet tut dies Bertram Wolf, katholisch, Gera.

Dienstag, 23. April: Die Kirche ins Dorf holen

So ändern sich die Zeiten: Galt früher: "Lassen wir mal die Kirche im Dorf." heißt es heute: "Die Kirche ins Dorf bringen." In Nöbdenitz, einem kleinen ostthüringer Dorf, veranstaltet die Ökumenische Akademie Gera/Altenburg einen Abend unter diesem Titel. Sie reagiert damit auf eine Veränderung.

Jahrhundertelang prägten die Kirche das Dorfleben. Hier traf man sich am Sonntag zum Gottesdienst, taufte, heiratete und verabschiedete sich von den Verstorbenen. Davon ist häufig nicht viel geblieben. Gemeinden schrumpfen und können für den Unterhalt der Kirche allein nicht mehr sorgen.

Wie also die Kirche ins Dorf bringen? Wer so fragt, bringt beide Seiten in Bewegung. Die verschlossene und manchmal vergessene Kirche weckt Interesse. Wozu kann eine Kirche denn heute den Menschen nützen? Finden Menschen im Dorf dort einen Raum, der ihr Leben bereichert? Wenn wie heute Abend eine Dorfgemeinschaft, Kirchenleute und Architekten an einen Tisch kommen, können spannende Projekte entstehen.

In Nöbdenitz gelingt das schon einige Jahre. Dort steht die Kirchentür offen. Der Pfarrhof lädt zu Projekten wie beispielsweise Mehrgenerationenkochen ein. Hier finden Kultur und Bildungsabende statt. So bleibt die Kirche im Dorf zur Ehre Gottes und zum Wohl der Menschen findet Bertram Wolf, katholisch, aus Gera.

Montag, 22. April: Glaube und Politik

Soll sich die Kirche in die Politik einmischen? Wenn ja, wie und wenn nein, warum nicht? Solche Fragen diskutieren wir gerade. Die katholischen Bischöfe haben kein Hehl daraus gemacht, dass Sie die Positionen extremer Parteien wie dem III. Weg, der Partei Heimat und der AfD nicht akzeptieren können. Manchen Gemeindemitgliedern ging das zu weit. Soll also die Politik vor der Kirchentür bleiben?

Die SED in der DDR war durchaus dieser Meinung. Argwöhnisch ließ sie beobachteten, als 1988 in Dresden die Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung zusammenkam und sich mit der gesellschaftlichen Situation im Land aus christlicher Sicht befasste. In den Berichten der Staatsicherheit liest sich das so: "Die Berührungsängste zwischen den Kirchen sind überwunden. Damit ist das erste Mal seit der Reformation kein theologischer, aber politischer Konsens erreicht worden."

Tatsächlich positionierten sich die Vertreter der Kirchen gemeinsam zu Themen, die ihnen Menschen aus den Gemeinden und Kreisen schrieben. Dazu zählten zu mehr Gerechtigkeit in der DDR, Leben in Solidarität mit den Armen in der Welt, zur Wehrerziehung und Schutz der bedrohten Schöpfung. Die Wirkungsgeschichte der Ökumenischen Versammlung und der von ihr erarbeiteten Texte war enorm. Sie prägte Persönlichkeiten, denen dann in der Friedlichen Revolution 1989 eine wichtige die Rolle zukam. Dazu zählt beispielweise der Erfurter Propst Heino Falcke.

Der Rückblick zeigt: Glaube ist nicht Rückzug in die heile Welt und Politik keineswegs nur schmutziges Geschäft. In der Demokratie können sich Glaubende nach ihrem Gewissen einbringen. Sie engagieren sich politisch auch heute für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung - Bertram Wolf, katholisch und aus Gera.

Sonntag, 21. April: Behütet bleiben

"Bleib behütet!", ruft mir der Nachbarpfarrer beim Auseinandergehen zu. "Bleib behütet?" Diese zwei Worte lassen mich aufhorchen. Da klingt etwas mit, was ich auch in anderen Abschiedsworten finde. Hinter "Adieu" oder selbst im geläufigen "Tschüss" steckt übersetzt nichts Anderes als "zu Gott hin".

Wenn sich Wege trennen, vertraue ich damit im Abschiedsgruß den anderen Gottes Schutz an. Mir gefällt an diesen Grüßen, dass Sie mich frei gehen lassen. Statt der Mahnung. "Pass auf dich auf!", schenkt der Gruß "Bleib behütet" Gottvertrauen. Nicht nur Eltern kennen ja den schwierigen Spagat zwischen überbehütender Sorge und notwendigem "auf der Hut sein" gegenüber drohenden Gefahren.

Das führt geradewegs zum Guten Hirten. So nennt die Bibel Gott. Der gute Hirte gehört zu den ältesten Bildern, die Gottes Handeln an seinem Volk beschreiben. Gott ist der gute Hirte, führt auf fette Weide, schützt vor den Wölfen und sucht die verlorenen Schafe. Viele Generationen haben Verse vom Guten Hirten im Herzen getragen: "Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen", beten sie mit Psalm 23. 

Menschen fanden darin Trost und Kraft bis in die Todesstunde. Oft habe ich schon am Sterbebett die Verse gebetet: "Muss ich auch wandern durch finstere Schlucht, ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir. Dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht."

Bleiben sie also behütet an diesem Sonntag! wünscht Ihnen Bertram Wolf, katholisch, aus Gera.

Bertram WolfBertram Wolf wurde am 13. April 1969 in Großröhrsdorf geboren. Seit 2019 lebt er als katholischer Pfarrer in Gera. Sein Lieblingsweg führt durchs Elstertal in die älteste Kirche des Thüringer Vogtlands auf den Wünschendorfer Veitsberg. Viele Anregungen verdankt er der Mitarbeit in der Ökumenischen Akademie Gera/Altenburg.

MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 24. April 2024 | 06:20 Uhr

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