Der Redakteur | 14.11.2022 Wo werden die 19 Grad Celsius fürs Büro gemessen?

Büros sind im Winter 2022 ziemlich frisch: Auf 19 Grad Celsius hat man sich aus Energie- und Vorbild-Gründen entschieden. Doch wo werden die gemessen, will Volker Bauer aus Tautendorf vom Redakteur wissen.

Eine Frau niest in ein Taschentuch
Fröhliches Frieren im Büro? Für sitzende Tätigkeiten sind eigentlich 20 Grad Celsius vorgeschrieben. In diesem Winter sollen es zum Sparen 19 Grad sein. Bildrechte: imago images/Shotshop

Die "Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung", kurz EnSikuMaV beschert Arbeitsplätzen in öffentlichen Nichtwohngebäuden eine Maximaltemperatur von 19 Grad. Das heißt: Alles, was in einer Behörde arbeitet, hat es fröstelig kühl. Dazu gehören auch öffentlich-rechtlich organisierte Krankenkassen, Rundfunkanstalten, Institute, Verbände usw., während Privatfirmen ihren Mitarbeitern wohligere Temperaturen können dürfen.

Es gibt eine Unterscheidung zwischen öffentlichen Arbeitgebern im Sinne von 'der Staat'.

Dr. Doris-Maria Schuster Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein

Vorbildlich frieren!

In der Verordnung wird von einer Vorbildfunktion gesprochen, die öffentliche Einrichtungen haben. Abgesehen von den Betroffenen sind auch die Experten nicht begeistert vom Maximal-19-Grad-Ansatz. Sie haben nämlich die bisherige Regelung von mindestens 20 Grad bei sitzenden Tätigkeiten auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt.

Zu den Experten gehören die Kollegen um Dr. Kersten Bux von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Er ist dort für das Raumklima zuständig und weist auch darauf hin, dass es nicht nur um die Frage geht, ob die 19 Grad sitzend ertragen nun auf Dauer gesundheitsschädlich sind oder nicht.

Es geht auch um den psychischen Stress, der durch Unzufriedenheit entsteht und das ist auch Teil des Arbeitsschutzes. Untersuchungen haben ergeben, dass die Zahl der Unzufriedenen bei nur noch 19 Grad deutlich ansteigt, nämlich von fünf (bei "Normaltemperaturen") auf nun 15 bis 20 Prozent unzufriedener Mitarbeiter, so Dr. Bux.

Ohne dass jemand erfriert oder krank wird, haben wir ein Problem mit dem Arbeitsschutz aufgrund dieser psychischen Belastung, die eine ständige Unterkühlung mit sich bringt.

Dr. Kersten Bux von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Auch ist das stabile Halten einer Temperatur von ziemlich exakt 19 Grad im ganzen Raum eine eigentlich nicht umsetzbare Idee. Denn die Maximaltemperatur von 19 Grad ist gleichzeitig auch die Mindesttemperatur. Diese Konstanz wird in Klimakammern nur mit richtig großem Aufwand und einer ziemlich teuren Regelungstechnik erreicht. Das bedeutet in der Praxis: Entweder sinken die Temperaturen an den einzelnen Arbeitsplätzen immer mal wieder deutlich unter die 19 Grad oder gehen dauernd darüber. Das kann man technisch gar nicht verhindern.

Wie wird nun genau gemessen?

Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten geben zunächst vor, dass das Thermometer keiner Strahlung von Sonne oder Heizung ausgesetzt sein darf. Das heißt: Eine locker um das Thermometer gelegte Alufolie als Schutzschirm wäre eine simple Grundvoraussetzung dafür, dass mit einem handelsüblichen Thermometer überhaupt halbwegs korrekt gemessen werden kann.

Eine Heiztherme wird geprüft.
19 Grad sind eine schwierige Schwelle im Büro: Sie müssen permanent erreicht werden und nicht erst irgendwann im Laufe des Tages. Außerdem sind sie eigentlich zu kühl. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Hinzu kommt auch noch die richtige Höhe. 0,6 Metern an Sitzarbeitsplätzen, 1,1 Metern an Stehplätzen und das sogar stündlich, "nach Erfordernis", wie es so schön heißt. Denn es ist ausdrücklich keine Durchschnittstemperatur von 19 Grad gemeint, sondern die nahezu durchgehend vorherrschende Lufttemperatur an jedem Arbeitsplatz. Das bedeutet: Niemand muss sich damit zufrieden geben, dass die 19 Grad irgendwann einmal im Laufe des Tages erreicht werden. Es sollte schon der Regelfall sein, auch wenn es in der Praxis kaum zu regeln ist.  

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 14. November 2022 | 11:50 Uhr

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