MEDIEN360G im Gespräch mit... Elisabeth Secker

02. September 2019, 22:12 Uhr

Elisabeth Secker ist Geschäftsführerin der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle.

Daniel Kehr: Die WHO hat Video- und Computerspielsucht in die Liste der Krankheiten aufgenommen: Ist das ein gutes Zeichen oder ein Zeichen zur Sorge?

Elisabeth Secker 6 min
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Fr 30.08.2019 16:32Uhr 06:07 min

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Elisabeth Secker: Es gibt immer zwei Seiten der Medaille. Das, was die WHO-Entscheidung bewirkt, war auf jeden Fall eine weitere Sensibilisierung bei dem Thema. Das hilft aktuell auch Betroffenen, Mediziner versprechen sich dadurch auch mehr Forschungsergebnisse und stärkere Präventionsarbeit – das ist grundsätzlich gut. Die Gefahr besteht aber auch immer, dass Spielerinnen und Spieler stigmatisiert werden und sozusagen als therapiebedürftig gelten. Ich glaube, da muss man immer beide Seiten angucken.

Daniel Kehr: Ist das auch ein Zeichen, dass Computer- und Videospiele generell ernster in der Gesellschaft genommen werden?

Elisabeth Secker: Ich glaube, Video- und Computerspiele sind bereits in den letzten zehn Jahren ernster genommen worden, seitdem sie auch als Kulturgut anerkannt sind hat sich da sehr viel getan. Ich glaube, es ist auch mittlerweile in der Gesellschaft angekommen, dass Games auch einen großen Beitrag leisten können, beispielsweise im Bereich der Lernförderung, dass Spiele auch einen ganz positiven Beitrag für die Gesellschaft haben können. Das finde ich eine schöne Entwicklung.

Daniel Kehr: Was bedeutet die Klassifizierung als Krankheit für Ihre Arbeit bei der USK?

Elisabeth Secker: Für die USK geht es erstmal darum, Inhalte auf ihre Jugendschutzrelevanz zu prüfen und zu gucken: Wie viel Gewalt ist in einem Spiel enthalten, wie sind die sexuellen Darstellungen, welcher Umgang mit Drogen oder wie sind Gameplay und Atmosphäre aufgebaut. Wir orientieren uns dabei nach den Leitkriterien der USK, die vom Beirat der USK beschlossen werden. Der besteht aus gesellschaftlichen Gruppen und in diesen Leitkriterien sind die Prüfkriterien festgelegt. Da ist auch immer noch die Anmerkung dabei, dass suchtfördernde Faktoren relativ schwer zu bemessen sind und auch wissenschaftlich wenig fundiert wirklich auf einige wenige Merkmale reduziert werden können und deshalb werden sie in der Altersbewertung nicht berücksichtigt.

Daniel Kehr: Wie können Kinder und Jugendliche besser vor süchtig machenden Inhalten geschützt werden?

Elisabeth Secker: Ich sage mal, Sucht – wenn man das Wort so nimmt, das ist ja gesellschaftlich auch sehr konnotiert, umgangssprachlich werden viele andere Dinge damit verbunden – ich glaube bei Kindern und Jugendlichen ist es ganz wichtig, dass man beim Spielen auf ein Zeitmanagement achtet. Das heißt, dass Kinder und Jugendliche mit ihren Eltern auch Verabredungen darüber haben, wie viel Spielzeit ist okay, wann ist es genug, wie viel Spielzeit gestehe ich meinem Kind zu. Ich glaube, da ist ein besonderer Bedarf da, da geben wir auch Hilfestellung als USK, beraten, auf welche Faktoren sie da achten müssen.

Daniel Kehr: Nehmen Computer- und Videospiele als Suchtmittel eine Sonderstellung gegenüber „analogen“ Süchten ein?

Elisabeth Secker: Computer- und Videospiele oder generell interaktive Medien üben natürlich eine große Faszination auf Kinder und Jugendliche aus. Ich glaube aber auch, dass die Faktoren, was genau süchtig macht oder ein exzessives Spielverhalten fördert, sehr individuell sind. Spiele sind darauf ausgelegt, erstmal Spaß zu machen, Spielerinnen und Spieler spielen leidenschaftlich gerne und Spiele sind auch so ausgelegt, dass man sich gerne damit befasst. Das heißt aber nicht, dass es da auch direkt eine Verbindung zu einer Abhängigkeit geben muss.

Daniel Kehr: Wie schätzen Sie die Rolle der Entwickler ein? Wird da auf Suchtprobleme geachtet oder werden suchtfördernde Mechaniken gezielt eingebaut?

Elisabeth Secker: Ich glaube, das ist von Spiel zu Spiel sehr unterschiedlich, weil dieselben Kriterien, die vielleicht bei dem einen Spiel, das von all meinen Freunden gespielt wird, zu einem exzessiven Spielen führt, können bei einem anderen Spiel total langweilig sein, so dass man relativ schnell aufhört, das zu spielen. Ich glaube trotzdem, dass viele Anbieter da schon gute Möglichkeiten finden, damit umzugehen. Beispielsweise gibt es gute Jugendschutzeinstellungen, wo man auch Spielzeiten einstellen kann, bestimmte Spielmodi auch entsprechend einstellen kann. Ich glaube, das ist eine gute Möglichkeit, wo Anbieter auch etwas tun können.

Daniel Kehr: Gibt es Genres, wo Sie besonders auf so etwas schauen?

Elisabeth Secker: Ich glaube, dass es Spiele gibt, gerade, wenn man Verabredungen trifft, wo man gerne auch mal ein bisschen mehr spielt. Das ist nicht generell als bedenklich einzustufen. Wichtig für Eltern ist es dann, darauf zu achten, ihre Kinder zu beobachten: Wie verhält sich mein Kind beim Spielkonsum? Beispielsweise so, dass die Schulleistungen über einen bestimmten Zeitraum dramatisch abnehmen? Ist es so, dass die Kinder und Jugendlichen vielleicht weniger soziale Kontakte pflegen? Sind vielleicht auch schon körperliche Symptome da wie Kopfschmerzen, nachlassende Konzentrationsfähigkeit – das sind auf jeden Fall Alarmzeichen, da sollten Eltern darauf achten und auch den Spielkonsum entsprechend reduzieren und sich, wenn es zu einem Extremfall kommt, auch medizinische Hilfe suchen.

Daniel Kehr: Was für Tipps geben Sie im Elternratgeber der USK?

Elisabeth Secker: In erster Linie: sich gerne erstmal dafür zu interessieren, was mein Kind eigentlich spielt. Mit dem Kind darüber zu sprechen hilft schon mal dabei, Barrieren abzubauen und für Eltern überhaupt die Möglichkeit zu schaffen, sich dafür zu interessieren, was das Kind da eigentlich macht. Dann kann man auch leichter ins Gespräch kommen, wenn es um Nutzungszeiten und Spieldauer geht. Auch um einfach die Spieldauer mit dem Kind gemeinsam zu besprechen, auch mal zuzugestehen, dass es, wenn es in einem Spiel besonders intensiv zugeht, auch mal länger dauert, aber dann eben nach einer entsprechenden Zeit auch wieder zu reduzieren. Das ist, glaube ich, ganz wichtig.

Das kann man immer raten, dass Eltern sich mit dem Medienkonsum ihrer Kinder auseinander setzen, das ersetzt auch keine technische Jugendschutzlösung. Ich glaube aber, es ist eine Kombination aus verschiedenen Faktoren. Man kann auch nicht alles nur den Eltern zuschieben. Das ist einerseits ein guter Jugendschutz, den wir als USK machen, es ist aber auch, die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen selbst zu stärken, aber auch die Medienkompetenz von Eltern zu stärken, technische Jugendschutzlösungen von Anbietern zu nutzen – das alles sind Möglichkeiten, die da eine gute Prävention schaffen.