Eine Hand im normalen Jacket reicht einer anderen Hand in einem Zeitungsjacket ein Bündel Geldscheine.
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Ausverkauf der Unabhängigkeit Presseförderung für Redaktionen

01. September 2020, 13:27 Uhr

Deutschlands Zeitungsverleger pochen angesichts der geplanten Förderung von Verlagen durch die Bundesregierung auf die „Wahrung der redaktionellen Unabhängigkeit“. Daher sprechen sie sich „grundsätzlich gegen eine allgemeine Verlagsförderung aus“, die auch die direkte Förderung von Redaktionen bzw. journalistischen Inhalten einschließt. Was spricht angesichts der immer schwieriger werdenden Lage vor allem vieler Lokalzeitungen eigentlich gegen eine solche direkte Presseförderung? Und was dafür?

Wieso kommt überhaupt jemand auf die Idee, die Presse zu fördern?

Demokratie hat ja was mit Volksherrschaft zu tun. Alle dürfen mitbestimmen. Und damit sie das können, ist es schon ganz praktisch, dass sie halbwegs wissen, worum es geht. „Demokratische Willensbildung“ heißt das im Grundgesetz und steht ziemlich weit vorn. Ist also wichtig. Um aber zu wissen, was man will, braucht man besser mal ein paar Informationen. Und die liefern in unserer Mediengesellschaft die Medien. Wenn es um lokale Informationen geht, kommen die lokalen Medien ins Spiel. Das sind bis heute vor allem die lokalen Tageszeitungen. Sie kümmern sich mehr oder weniger verlässlich um das Geschehen vor Ort - vom gern als Klischee bemühten Kaninchenzüchter-Verein bis hin zur „großen“ Lokalpolitik im Rathaus. Demokratie beginnt eben wirklich an bzw. vor der eigenen Haustür. Ohne verlässliche Informationen kann sich aber wie gesagt niemand ein stimmiges Bild machen und sich eine Meinung bilden. Um sicher zu stellen, dass es auch in Zukunft diese Informationen gibt, könnte man die Presse direkt fördern, weil sie von der Gesellschaft gebraucht wird. So wie Schwimmbädern oder Stadtbüchereien. Die werden genau so gebraucht und deshalb ja schon immer öffentlich subventioniert.

Aber die Zeitungen verdienen doch ihr eigenes Geld, wozu brauchen sie noch solche Subventionen?

Früher war eine Zeitung oft ein ganz lukratives Geschäft. Heute sagen die Verlage, denkste. Lokaljournalismus rechne sich nicht mehr. Denn alle Leute wollten zwar lokale Informationen. Aber niemand sei mehr so richtig bereit, dafür zu zahlen. Und da ist was dran - in den letzten 20 bis 30 Jahren haben sich die Abo-Zahlen der Lokalzeitungen im Schnitt ungefähr halbiert. Und für die, die noch Zeitung lesen, einfach die Preise erhöhen, ist auch keine Lösung

Aber die Zeitungen verdienen doch auch noch mit Werbung Geld. Dann sollen sie dieses Geschäft doch weiter ausbauen oder das Abo teurer machen.

Haben sie ja schon. Aber die Abonnementpreise sind eher mal „ausgereizt“ und lassen sich nicht beliebig weiter erhöhen. Und die Werbeeinnahmen gehen zurück bzw. verlagern sich ins Internet. Da kassiert dann aber meistens nicht mehr der Zeitungsverlag, sondern der Löwenanteil geht an Google oder Facebook. Gerade weil die Werbeeinnahmen zurück gehen, werden gleichzeitig die einzelnen Anzeigenkunden immer mächtiger. Im schlimmsten Fall ergeben sich hier richtige Abhängigkeiten. Und das kann Auswirkungen auf den Journalismus haben. Da wird unter Umständen nicht mehr kritisch berichtet, weil die Anzeigenkunden missliebige Berichterstattung mit Werbeentzug bestrafen könnten.

Aber es gibt doch diese Mäzene oder Stiftungen. Da muss man doch kein öffentliches Geld für ausgeben.

Naja, solche Mäzene gibt es. Allerdings kaum für Lokalberichterstattung. Die fördern lieber prestigeträchtigere Sachen wie investigative Recherchen. Und auch das kann ziemlich in die Hose gehen. Denn was passiert, wenn der Sugardaddy oder die Mäzen-Mami plötzlich keine Lust mehr haben? Das musste eben das österreichische Medienportal Addendum („Nachtrag“) erfahren. Die Nachrichtenplattform wurde 2017 als Alternative zu klassischen gedruckten Zeitungen gegründet. Hauptgeldgeber: der Unternehmer Dietrich Mateschitz, der mit dem Energy Drink Red Bull reich geworden ist. Und was macht Mateschitz? Er zieht einfach den Stecker und hat der völlig überraschten Redaktion im August angekündigt, dass er Ende des Monats sein Engagement einstellt.

Wenn das alles Presseförderung als ziemlich schlaue Lösung aussehen lässt, was spricht denn dann dagegen?

Der alte Spruch „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Das ist wie bei den Werbekunden, nur schlimmer. So argumentieren auch die Verlage. Da ist auch was dran: Wenn ich so eine Förderung brauche und unbedingt haben will, bin ich eher mal geneigt, dass zu tun, was die Entscheider über so eine Förderung von mir erwarten. Also besteht die Gefahr, dass mit Blick auf die geldgebenden bzw. zuteilenden Instanzen Bericht erstattet wird. Das kann die Politik sein. Oder eine staatliche Behörde. Damit würde man der Presse- und Meinungsfreiheit einen Bärendienst erweisen. Bestes Beispiel ist die Presseförderung in Österreich, der seit langem vorgeworfen wird, „Hofberichterstattung“ zugunsten der Regierung zu betreiben, die gerade am Ruder ist und über die Höhe und Zuteilung der Gelder entscheidet. Außerdem würde so ein Geschäftsmodell zementiert, dass nicht mehr zukunftsfähig ist. Denn der Anreiz, nach wirtschaftlich erfolgreicheren Alternativen zu suchen, wäre futsch. Das Geld käme ja trotzdem. Damit würde die Allgemeinheit dafür zahlen, dass den Verlagen nicht wirklich was einfällt oder sie sich nicht richtig Mühe geben, neue Geschäftsmodelle aufzubauen. Und damit würde man einer modernen, zukunftsfähigen Lokalberichterstattung sogar entgegen arbeiten.