Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Länder nehmen Strukturreform selbst in die Hand
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Eigentlich hatten ARD, ZDF und Deutschlandradio schon im Herbst 2017 umfangeiche Pläne zu Strukturreformen und möglichen Einsparungen bei den Bundesländern vorgelegt. Doch dies war der Politik zu wenig. Weil die öffentlich-rechtlichen Anstalten aus ihrer Sicht keine brauchbaren Vorschläge für zusätzliche Einsparungen vorgelegt haben, planen die Länder jetzt einen Alleingang.

Im Herbst 2017 hatten ARD, ZDF und Deutschlandradio ihre Programme zur Reform von Auftrag und Struktur der öffentlich-rechtlichen Medien bei den Bundesländern vorgelegt und mögliche Einsparungen beziffert. Danach will allein die ARD bis 2028 rund zwei Milliarden Euro sparen. Doch den Ländern geht dies noch nicht weit genug. In der Bundesrepublik ist Medienpolitik Ländersache. Bis Mitte April 2018 sollten die öffentlich-rechtlichen Anstalten daher weitere Vorschläge einreichen. Trotz dieser klaren Aufforderung haben die Anstalten bislang aber keine weiteren Schritte zu Strukturoptimierungs- und Einsparmaßnahmen vorgeschlagen.
Kritik an der ARD
Jetzt wollen sechs Bundesländer selbst entsprechende Vorgaben machen und in einem Staatsvertragsentwurf festschreiben. Die Stimmung ist gereizt, bei den Medientagen Mitteldeutschland Ende April ging die Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, die rheinland-pfälzische Staatssekretärin Heike Raab (SPD), vor allem die ARD hart an.
Man habe den Anstalten ausdrücklich eine Fortsetzung des konstruktiven Dialogs angeboten, sagte Raab: "Es geht nur im Miteinander. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist einfach zu wichtig, als das jeder nur auf seiner Position beharrt." Wenn der aktuelle ARD-Vorsitzende einfach sage, die ARD brauche drei Milliarden Euro mehr, sei dies daher schwierig: "Man kann nicht einfach sagen, ich bin nicht bereit, über Veränderungen und Reformen in ausreichendem Maß nachzudenken", so Raab, ohne den ARD-Vorsitzenden und Intendanten des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, beim Namen zu nennen.
Der ARD-Vorsitzende kontert
Dieser forderte im Interview mit MEDIEN360G, Vielfalt und Qualität der Programme dürften nicht geschmälert werden. Die ARD stelle auch keine unbotmäßigen Forderungen, sondern lediglich einen Teuerungsausgleich zur Diskussion. Sollte man dem nicht nachkommen, werde die ARD "massiv ans Programmangebot gehen müssen, an einzelne Sendungen genauso wie an die Qualität des Programms". Die Qualität sei aber "Grundpfeiler der Akzeptanz" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Bevölkerung, so Wilhelm. Für die ARD als föderale Arbeitsgemeinschaft gehe es vor allem auch darum, "die Qualität in den Regionen hochzuhalten".
Das ZDF bleibt zurückhaltend
Bei der Diskussion in Leipzig hatte sich ZDF-Intendant Thomas Bellut zurückhaltender geäußert: "Vom ZDF werden keine maßlosen Forderungen kommen", so Bellut: "Wir müssen nachweisen, dass wir unser Geld wert sind." Das ZDF sei "dankbar für die Ausstattung, die wir haben. Damit können wir gut Fernsehen machen." Bellut appellierte zudem, "erstmal die Entwicklung abzuwarten, bevor wir Horrorszenarien an die Wand malen".
Der neue Mann aus Sachsen
Wie Raab zeigte sich auch der neue sächsische Staatsminister Oliver Schenk (CDU) enttäuscht über die Haltung der Anstalten. Schließlich hätte im benachbarten Ausland der dortige öffentlich-rechtliche Rundfunk "Einspargrößenordnungen" in Höhe von zehn bis zwanzig Prozent der bisherigen Mittel diskutiert und zum Teil bereits auch realisiert, so Schenk mit Blick auf die Entwicklungen in der Schweiz und Dänemark. Es sei zwar nicht "der Auftrag der Politik, ins Programm einzugreifen und konkret zu sagen, was geht". Er frage sich aber, ob "40 Kochsendungen in dieser Woche in der ARD" tatsächlich ein Beleg für Vielfalt seien.
Sachsen gehört zu den sechs Bundesländern, die nun die Sache selbst in die Hand nehmen wollen. Außerdem mit dabei sind Bayern, Schleswig-Holstein, Hamburg, Baden-Württemberg und Thüringen. Interessant dabei ist, das der Arbeitsgruppe damit sowohl eher SPD-orientierte, so genannte A-Länder (Hamburg, Thüringen) als auch die eher unionsorientieren, so genannte B-Länder (Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein) angehören. Wer allerdings fehlt, ist das von SPD, Grünen und FDP regierte Rheinland-Pfalz – dabei hat dieses Bundesland traditionell den Vorsitz der Rundfunkkommission der Länder.
Es kommt auf den Dialog an
Thüringens Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff fordert im Zusammenhang mit der Struktur-Debatte, weniger einzelne Sparmaßnahmen als vielmehr das große Ganze zu diskutieren. "Die Kernfrage lautet: Welchen öffentlich-rechtlichen Rundfunk wollen wir, und was ist er uns wert?" Diese Diskussion müsse mit den Menschen geführt werden und nicht über ihre Köpfe hinweg. Dies war auch der entscheidende Punkt beim Volksentscheid in der Schweiz über die Zukunft und Finanzierung der öffentlich-rechtlichen SRG, bei dem im März über 70 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer für die Beibehaltung der öffentlichen Finanzierung der SRG stimmten. "Was absolut nötig ist, einen intensiven Dialog mit der Gesellschaft zu suchen", sagt die stellvertretende SRG-Generaldirektorin Ladina Heimgartner. "Dabei darf es nicht darum gehen, den Leuten zu erklären, wie toll wir sind. Wir müssen vielmehr den Menschen auch zuhören und ihre Anregungen aufgreifen, um so eine gewisse Durchlässigkeit zu schaffen".